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Auf der Berlinale sind vier Filme der Potsdamer Filmhochschule HFF zu sehen
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Bei der Berlinale muss man dazugehören. Wer nicht akkreditiert ist, hat im wahrsten Sinne des Wortes schlechte Karten. Und wer als Filmemacher seinen Beitrag nicht platzieren konnte, ist auch nicht sonderlich glücklich. Von den Potsdamer Filmstudenten zumindest waren einige glücklich, denn immerhin schafften es gleich vier Langfilme unter Beteiligung der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) in verschiedene Reihen des Festivals. Alles sehr junge Filme, die junge Menschen im Mittelpunkt haben, die sich um Familie und Beziehungen drehen. Entsprechend groß war die Nachfrage. Der Film „Jagdhunde“ von Ann-Kristin Reyels war schon am zweiten Berlinale Tag ausverkauft.
Eine Reihe von E-Mails und Telefonaten später war es dann aber doch noch möglich, in die Vorführung zu kommen. Wie es dann immer so ist, erst geht gar nichts, und zum Schluss wird man dann persönlich in den Kinosaal geführt – ganz ohne Akkreditierung und Ticket. Spezifisches Interesse am jungen Potsdamer Film findet auch auf der Berlinale Gehör.
Die Vorführung am Samstag im Arsenal war bis auf den letzten Platz gefüllt, der Film muss eine Art Geheimtipp sein. Auch wenn man das alles in letzter Zeit oft auf der Leinwand gesehen hat, Ostdeutschland, grau, Beziehungen, Trennungen, kaputte Familien. Doch bei „Jagdhunde“ – nominiert für den besten Erstlingsfilm (50 000 Euro) – sieht alles etwas anders aus. Hier steht kein Ost-West-Konflikt im Vordergrund, es geht vielmehr um den Kontrast zwischen Stadt und Land.
Josef Hader in der Uckermark, das alleine reicht eigentlich schon. Der renommierte österreichische Schauspieler und Kabarettist ist der „Zugereiste“, der mit seinem 16-jährigen Sohn Lars neu im Dorf ist. Er will einen alten Bauernhof zur „Hochzeitsscheune“ ausbauen, obwohl die Einheimischen wissen, dass hier doch eh keiner mehr heiraten will. Hier, wo man an Weihnachten mit Korn anstößt, und es ohnehin am besten ist, wenn jeder seins macht.
Lars, glänzend von Nachwuchsschauspieler Constantin von Jascheroff gespielt, soll zu Weihnachten zu seiner Mutter nach Berlin fahren. Den Zug lässt er alleine fahren, als er die Taubstumme Marie am Bahnhof trifft. Hier beginnt eine Liebesgeschichte, die sich dann mit einem offenen Familienzwist verwebt. Als Lars unerwartet nach Hause zurück kommt, trifft er auf Tante Jana, die mit seinem Vater schon Zukunftspläne macht. Am nächsten Tag steht dann noch seine Mutter mit ihrem jungen Liebhaber vor der Tür, um hier Weihnachten zu feiern.
Ein Plot, der zur Komödie getaugt hätte. Doch Ann-Kristin Reyels macht daraus eine Geschichte der Nähe und Distanz, des Aufbegehrens und der Wiederkehr. Die Uckermark hat die HFF-Absolventin ausgesucht, weil sie für Weite und Leere stehe, es in Deutschland kaum einen einsameren Ort gebe. Die Landschaft ist dann auch sehr wichtig für das Spiel von Ferne und Annäherung. Sie wird zum Synonym für Sprachlosigkeit und eingefrorene Verhältnisse.
Der Film löst Gegensätzlichkeiten einfach auf, irgendwann spielt Ost und West und Stadt und Land gar keine Rolle mehr. Hier ist eine neue Generation am Werk. Regisseurin Ann-Kristin Reyels (31) ist erst im Osten und dann im Westen groß geworden. Frei vom Ballast der Nachwendezeit findet bei ihr alles unkompliziert zusammen. Wunderbar dabei auch immer wieder groteske Szenen, etwa wenn der 20 Jahre jüngere Liebhaber der Mutter, zum Weihnachtsessen Schuberts „Winterreise“ intoniert, während Lars eine gefrorene Ratte in die Küche legt, weil er will, dass etwas auftaut. Am Ende taut es dann auch, viele rührende Auflösungen und doch ein offenes Ende. Einfach schön.
Eigentümlich parallel dann der Film „Pingpong“ von HFF-Absolvent Matthias Luthardt, ebenso Fernseh- und Kino-tauglich wie „Jagdhunde“ und ebenfalls mit einem bekannten Nachwuchsschauspieler, Sebastian Urzendowsky („Der Felsen“, „Der Fälscher), sowie einer bekannten österreichischen Schauspielerin, Marion Mitterhammer („Klimt“), besetzt. Der 16-jährige Paul besucht nach dem Selbstmord seines Vaters überraschend Onkel und Tante. Mit deren Sohn Robert, der sich mit einem Klavierstück für eine Aufnahmeprüfung der Musikhochschule vorbereiten soll, spielt er Gameboy und zeltet im Wald. Als Vater Stefan unerwartet verreisen muss, gerät die Situation außer Kontrolle. Tante Anna, die Paul anfangs erst wieder loswerden wollte, spielt mit dessen Verliebtheit. Bis sie mit ihrem Neffen im Bett landet, während der begabte Sohn Robert die Prüfung sturztrunken vergeigt.
Der vielfach ausgezeichnete Film (u.a. Drehbuchpreis in Cannes) wirft einen Blick hinter die Fassaden der vermeintlich heilen Welt der Mittelklasse. Mit überraschender Wendung und bösem Ende. Der von Anna geliebte Hund „Schubert“ muss, nachdem sie Paul abblitzen lässt, wortwörtlich alles ausbaden. Matthias Luthardt wurde für seinen Diplomfilm sogar schon mit Pasolini verglichen. Was sicher etwas hochgegriffen ist. Nach dem Abspann gab es aber viel Applaus und keine Fragen. „Dann muss der Film ja gut gewesen sein“, kommentierte der Vertreter von „German Cinema“.
„Jagdhunde“ heute 18 Uhr, Colosseum 1. Außerdem von der HFF: „Osdorf“ morgen 21.30 Uhr CinemaxX3 und „Was am Ende zählt“, heute 19 Uhr CinemaxX3, morgen 20.30 Uhr CinemaxX1.
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