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Landeshauptstadt: Aufgedreht

Das Medienboard lud zum Berlinale-Empfang – das Staraufgebot ist längst keine Überraschung mehr

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Berlin / Potsdam - Wie schnell doch Außergewöhnliches zur Normalität werden kann. Niemand wunderte sich am Samstagabend im Hotel Ritz-Carlton ernsthaft darüber, plötzlich Hollywood-Star Goldie Hawn in die Arme zu laufen. Oder der Französin Julie Delpy aus der Romanze „Before Sunrise“. So ist das eben, beim Berlinale-Empfang des Medienboards Berlin-Brandenburg. Dass noch vor drei Jahren die vorab verbreitete Gästeliste weitaus länger war als die erschienene Prominenz – längst vergessen. Für Berlin, Potsdam, Brandenburg gilt: Man ist wieder wer im Filmgeschäft, und zwar richtig. Die Region gilt als die Movie-Metropole Deutschlands. Dafür sprechen in dieser Branche eben nicht nur die wirtschaftlichen Rekordzahlen aus 2007, sondern auch die Zahl der Stars, die sich beim Berlinale-Empfang präsentieren.

Daran gemessen boomt das Filmgeschäft in der Region: Im Gedränge unter den glitzernden Lüstern des Ballsaals trat sich die Prominenz zeitweise fast auf die Füße. 1300 Gäste seien es, schätzte das Medienboard, so viele wie noch nie. Das Kommen und Gehen eingerechnet, werden es sogar noch mehr gewesen sein. Für die bekannten Feiernden war das durchaus praktisch: In der Menge ließ es sich vortrefflich abtauchen. Das tat auch der Brite Stephan Daldry, zweifach Oscar-nominierter Regisseur, derzeit beschäftigt in Babelsberg und Berlin. Daldry verfilmt den Roman-Bestseller „Der Vorleser“ von Bernhard Schlink, die Studio Babelsberg AG produziert gemeinsam mit den Hollywood-Größen The Weinstein Company und Mirage Entertainment. Ursprünglich sollte Nicole Kidman, die mit Daldrys „The Hours“ 2003 einen Oscar gewann, die Hauptrolle spielen. Als Kidmans Schwangerschaftsvertretung springt nun – jetzt ist es offiziell – die Britin Kate Winslet („Titanic“) ein.

„Alles hat wunderbar geklappt“, sagte Daldry über seinen Protagonistinnen-Wechsel: „Nicole wird ein wunderbares Baby bekommen, und Kate wird wunderbar für uns spielen.“ Noch 30 Drehtage in Görlitz, Berlin und Nordrhein-Westfalen stehen ihm und seiner Crew bevor. Für den Briten ist allerdings schon jetzt klar: „Es gibt keinen besseren Ort auf der Welt, um einen Film zu machen.“ Er arbeite mit herausragenden Schauspielern zusammen – auf der Besetzungsliste stehen Ralph Fiennes, Bruno Ganz, Karoline Herfurth, Hannah Herzsprung – und Babelsberg und Berlin seien für ihn mittlerweile „wie ein zweites Zuhause“, schwärmte Daldry.

Für Henning Molfenter, Chef von Studio Babelsberg Motion Pictures (SBMP), schließt sich mit solchen Lobenshymnen ein Kreis: Genau vor einem Jahr lernte er Daldry kennen – auf der Berlinale. An einem Sonntag sei er damals mit ihm nach Babelsberg ins Studio gefahren, habe Daldry dort Bilder von potenziellen Drehorten für „Der Vorleser“ gezeigt. Für den Regisseur offenbar ein Schlüsselerlebnis: „Ich wollte diesen Film unbedingt machen – und ich wollte ihn hier drehen.“ Für Studio Babelsberg ist „Der Vorleser“ nach dem Rekordjahr 2007 mit zwölf nationalen und internationalen Produktionen nicht nur ein Anschluss ins Jahr 2008 hinein – sondern auch ein weiteres Achtungszeichen in Hollywood. Dort wollen die Babelsberger schließlich bald investieren – in ein „Slate“ genanntes Film-Paket eines US-Studios, das insgesamt rund 500 Millionen US-Dollar oder mehr umfassen kann (PNN berichteten).

Doch Film funktioniert glücklicherweise nicht allein in Millionen-Dimensionen. Dass man auch mit 14 Menschen einen guten Streifen machen kann, dafür tritt der Potsdamer Regisseur Andreas Dresen – er gewann 2002 mit „Halbe Treppe“ den Silbernen Berlinale-Bär – demnächst den Beweis an. „Wolke Neun“ heißt sein neuer Film, die komplette, 14-köpfige Crew hatte er zum Medienboard-Empfang gleich mitgebracht. „Wolke Neun“ erzählt die Geschichte einer Frau, die nach 30 Jahren Ehe einen Neubeginn wagt und ein Verhältnis mit einem über 70-jährigen Mann eingeht. Im Frühsommer soll der Film – laut Dresen „radikaler“ als seine bisherigen Werke – fertig sein. Gleich darauf folgt „Whiskey mit Wodka“ nach Drehbuch von Wolfgang Kohlhaase („Sommer vorm Balkon“) über einen berühmten Schauspieler, der wegen seines Alkoholkonsums auszufallen droht. Beide Filme wurden vom Medienboard gefördert, Dresen drehte sie im vergangenen Jahr nahezu ohne Pause: „Das empfinde ich als Geschenk“, sagte er. Allerdings hat er deshalb kaum Zeit für die Berlinale: „Montag muss ich wieder arbeiten, im Schneideraum.“

Dass zum Geschäft der Medienboard-Chefinnen Kirsten Niehuus und Petra Müller nicht nur das Geldausgeben gehört, demonstrierte am Samstagabend Til Schweiger. Er wurde für seinen Kinohit „Keinohrhasen“ mit dem Ernst-Lubitsch-Preis ausgezeichnet und zahlte 1,1 Millionen Euro der Fördersumme zurück. Das dürfte vor allem Matthias Platzeck und Klaus Wowereit gefreut haben: Erst vor wenigen Tagen haben die Länderchefs das Förderbudget des Medienboards um drei Millionen Euro erhöht. Für Brandenburg ist das nicht normal, sondern außergewöhnlich. Denn bisher zahlte Berlin meist allein. Nun aber, sagte Platzeck, habe er sich dem Charme der beiden „Goldstücke“ Niehuus und Müller nicht mehr entziehen können.

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