Landeshauptstadt: Aushalten oder ausmerzen
Über DDR-Architektur und die Rückkehr historischer Vorbilder wurde im Potsdam Museum diskutiert. Einig wurde man sich nicht
Stand:
Was soll bleiben? Was muss weg? Was soll neu oder wieder entstehen? Über diese Fragen diskutierten am Donnerstagabend vier Architektur- und Geschichtsexperten im Potsdam Museum. Bleiben soll aus Sicht des Potsdamer Architekten Christian Wendland zum Beispiel das frühere Terrassenrestaurant „Minsk“ am Brauhausberg. Ihm gehe es bei der Beurteilung von Architektur vor allem um die Qualität, sagt Wendland: „Das ,Minsk’ und die Schwimmhalle sind großartige Leistungen.“ Wenn das „Minsk“ rein wirtschaftlichen Überlegungen geopfert werden sollte, wäre das bedauerlich. Es sei ein Fehler gewesen, dass das Landesdenkmalamt das Gebäude 2011 mit der Begründung nicht unter Schutz gestellt habe, dass „es schon so ruinös aussehe“. Mit dieser Begründung hätte man in den 1990er-Jahren fast die komplette zweite barocke Stadterweiterung einreißen können, so Wendland.
Die Fragen der Umgestaltung der Potsdamer Mitte gehören zu den heftigsten Streitthemen der Stadtpolitik – über Gebäude wie das Hotel Mercure, die Fachhochschule am Alten Markt oder den Wiederaufbau der Garnisonkirche wird heftig miteinander und auch mit der Landesregierung gestritten. Das Interesse der Potsdamer an diesen Themen ist hoch, wie auch die Podiumsdiskussion zeigte. Unter dem Titel „Die Suche nach der authentischen Stadt. Potsdam zwischen Tradition und sozialistischer Moderne“ hatten das Museum und das Zentrum für zeithistorische Forschung (ZZF) eingeladen. Mehr als 50 Gäste kamen. Die Veranstaltung gehörte zum Rahmenprogramm der noch bis zum 11. Januar laufenden Ausstellung „Stadt-Bild/ Kunst-Raum“, in der Gemälde, Grafiken, Plastiken und Fotografien aus der Zeit der DDR gezeigt werden. Neben Wendland saßen ZZF-Chef Martin Sabrow, der Potsdamer Architekt und Fachhochschulprofessor Ludger Brands und Stadtplanungschef Andreas Goetzmann auf dem Podium.
Auch in anderen Städten dominieren historische Nachbauten die Debatte um den Städtebau, sagte Moderator Hanno Hochmuth vom ZZF zu Beginn der Diskussion – und nannte als Beispiel das Berliner Stadtschloss. Die vier Männer auf dem Podium widmeten sich daraufhin Erklärungsversuchen für den Rückzug auf das Althergebrachte. Der Historiker Sabrow kritisierte zunächst die Begriffe: „Die authentische Stadt ist eine Fata Morgana. Es geht immer um die Definitionsmacht. Wer sagt, was authentisch ist?“ Das Historische werde fast geschichtsreligiös aufgeladen, so Sabrow. Für Andreas Goetzmann kommt der Wunsch nach einer Annäherung an die historische Stadt aus der Bürgerschaft. Das Interesse von Investoren sei erst entstanden, nachdem die Entscheidungen gefallen waren.
Ludger Brands erklärte die Rückbesinnung auf historische Vorbilder als Reaktion auf städtebauliche Fehlentwicklungen in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg. Während im Westen versucht wurde, autogerechte Städte zu bauen, seien in der ehemaligen DDR sozialistische Magistralen und Aufmarschplätze geschaffen worden. Die Ergebnisse seien oft ähnlich brachial. Seit dem Ende der 1970er-Jahre habe es eine Gegenbewegung gegeben, die versuche, sich in Struktur und Maßstäblichkeit der historisch gewachsenen Stadt wieder anzunähern.
Die DDR sei nur eine kurze Epoche in einer Jahrhunderte langen Geschichte Potsdams gewesen, so Brands. Außerdem gehe es bei der Wiedergewinnung der Potsdamer Mitte nicht darum, die gesamte DDR-Architektur auszumerzen. Auf Nachfrage aus dem Publikum, welcher Moment denn für die Festlegung des historischen Vorbilds maßgeblich sei, sagte Goetzman: „Dabei handelt es sich natürlich immer um einen gesetzten Punkt“. Sabrow entgegnete, die Stadt habe sich auch während früherer Jahrhunderte verändert. Er würde es begrüßen, wenn historische Behutsamkeit auch im Umgang mit Bauten aus weniger behutsamen Zeiten möglich wäre.
Der unter anderem bei der Bürgerinitiative „Mitteschön“ aktive Architekt Wendland plädierte für individuelle Gebäude und gegen Plattenbauten: „Etwas seriell Hergestelltes hat nie diese Qualität wie individuelle Bauten.“ Neubauten in der Mitte sollten sich an der Struktur der Leitbauten orientieren. Nach Sabrows Ansicht spielt die Qualität bei der Beurteilung von Bauten der DDR-Architektur häufig eine untergeordnete Frage. „Sie wird in stärkerem Maße als Herrschaftsarchitektur wahrgenommen.“
Für das 1977 zu Ehren des 60. Jahrestages der „Großen Sozialistischen Oktoberrevolution“ eröffnete „Minsk“ könnte es indes eine Zukunft geben: Derzeit prüft die Stadtverwaltung ein Angebot der LSB Sportservice GmbH. Die Tochter des Landessportbundes will das Gebäude für 1,5 Millionen Euro kaufen und es zu einer Kita mit 220 Plätzen umbauen.
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