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Landeshauptstadt: Babelsberger Begegnungen

Peter Hartwig produziert Filme von Andreas Dresen und liebt den Rock“n“Roll-Faktor nicht nur in der Musik

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Es war eine kleine Sensation, das Staraufgebot in den Babelsberger Defa-Studios im Jahr 1983. Die schauspielernde Schönheit Nastassja Kinski neben Herbert Grönemeyer, Andre Heller und Bernhard Wicki drehten das opulente Werk „Frühlingssinfonie“. Und zwischen den großen Stars aus dem Westen Peter Hartwig. Der damals 19-Jährige fuhr als Produktionsbote der Studios Briefe, kleine Pakete, Hausmitteilungen mit dem Fahrrad von Haus zu Haus. Um dabei Menschen zu treffen, die einem in der Abgeschlossenheit der DDR sonst nicht über den Weg liefen. Wie Nastassja Kinski. Ein Foto von ihr neben der Bürotür erinnert an die Zeit damals. „Diese Begegnung war der letzte ausschlaggebende Grund, dass ich zum Film gegangen bin.“

Peter Hartwig gehört zu denen Menschen, ohne die es Filme nicht gäbe, die aber Ottonormal-Kinogänger trotzdem kaum kennen. Es sei denn, sie lesen regelmäßig den Filmabspann. Ob „Sommer vorm Balkon“, „alaska.de“ oder „Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler“: Dutzende erfolgreiche, ausgezeichnete Filme hat er verantwortet, als Produktions- und Herstellungsleiter oder als Produzent. Gleich zwei Filme, beide vom befreundeten Regisseur Andreas Dresen stehen in den Startlöchern. „Wolke Neun“ ist ein Streifen über Liebe und Sex im Alter, der ebenfalls fertiggestellte Ensemblefilm „Whisky mit Wodka“, in dem unter anderem Henry Hübchen und Corinna Harfouch zu sehen sind, kommt wohl erst 2009 in die Kinos.

Das Thema Film begleitet den 1964 geborenen Hartwig sein ganzes Leben, nicht nur weil sein Elternhaus, in Sichtweite zu den Spielfilmstudios in Babelsberg stand. Vater Horst Hartwig ist Produktionsleiter gewesen, arbeitete an Defa-Erfolgen wie Heiner Carows „Coming Out“ mit. „Da leckt man natürlich Blut als Teenager.“

Als Peter Hartwig mit seinem Studium 1986 begann, wurde auch Lothar Bisky neuer Rektor der Filmhochschule. Eine produktive, interessante Zeit, bewertet Hartwig diese Phase seines Lebens. In der er Rektor Lothar Bisky schätzen lernte. Und er ihn. Als Bisky während der Wende in die Politik wechselte, suchte er an der Hochschule nach Vertrauten, die ihn eine Zeitlang auf dem ungewohnten Terrain begleiteten. „Und da hat er mich gefragt, ob ich für zwei Monate sein persönlicher Begleiter werden könnte.“ Peter Hartwig zog in das Gebäude des ehemaligen Zentralkomitees der Partei in Berlin. Für knappe acht Wochen arbeitete der Student im einstigen Büro von Politbüro-Mitglied Kurt Hager: „Ich habe Bisky sozusagen den Büro-Alltag erledigt. Eine spannende Erfahrung.“

Doch diese „heiße Zeit“, blieb temporär, schließlich war Hartwigs Ziel weiterhin der Film. Der Streifen „Stein“ von Egon Günther, bei dem Hartwig erster Aufnahmeleiter war, wurde zum offiziellen Abschlussfilm. „Doch ich hatte schon vorher in den Semesterferien bei vielen Filmen als Assistent und Aufnahmeleiter Erfahrungen gesammelt.“ Eine Zeit, in der Hartwig jenen kennen lernte, der in der Folge nicht nur bevorzugter Filmpartner sondern auch zu einem der engsten Freunde wurde: Andreas Dresen. Der erste gemeinsame Film der zwei Potsdamer war noch zu Studentenzeiten eine Dokumentation über die legendäre Demonstration am 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz. „Gekannt haben wir uns aber schon vorher, durch viele Biere in der Studentenkneipe ,Bratpfanne“.“ Dresen und er seien sich in vielem ähnlich, meint Hartwig. Man lache über die gleichen Dinge, diskutiere über Kultur und Gesellschaft. Hartwig betont: „Er ist auch ein sehr sozial denkender Mensch.“ Nicht zuletzt: „Er ist nicht kopflastig.“ Und beide mögen Musik der gleichen Zeit. Dresen ist Beatles-Fan, Peter Hartwig schwört auf die Rolling Stones. „Ich habe alle Platten der Stones“, bekennt der Fan auch auf seiner Internetseite, in seinem Büro auf dem Babelsberger Studiogelände zeugt ein riesiges Plakat hinter dem Schreibtisch von seiner Leidenschaft für die Band.

Musik spielt in Hartwigs Leben sowieso eine große Rolle. Diese Leidenschaft verursachte auch den außergewöhnlichen Soundtrack der 17 Hippies beim Film „Halbe Treppe“. Hartwig erinnert sich: „Für die Hauptrolle in unserem Film ,Nachtgestalten“ erhielt Michael Gwisdek den Silbernen Bären 1998. Bei der Feier im Roten Rathaus saßen wir dann in dem sterilen VIP-Raum und hörten Krach aus dem Nachbarsaal.“ Dort, wo das „einfache Volk“ feierte und die 17 Hippies musizierten. Hartwig wechselte den Raum und tanzte sich bis früh halb fünf „die Seele aus dem Leib. Danach war für beiden, Dresen und Hartwig, klar, dass eine Zusammenarbeit erfolgen musste. „Wir haben die Musiker in die Produktion einbezogen, sie zu den Drehorten geführt, damit sie die passende Musik dazu schreiben konnten.“ Hartwig sprüht noch immer vor Freude, wenn er über die Produktionszeit von „Halbe Treppe“ spricht.

„Bei früheren Drehs haben Andreas Dresen und ich immer wieder gesagt: Guck dir mal diesen Wahnsinnsaufwand an!“ Beide wollten einen kleinen Film machen, mit wenig Organisation, einem Mini-Team und viel Freiraum. „Aber dann muss das Drehbuch weggelassen werden, um frei für jede Eventualität zu sein“, so Hartwig. In einer Nacht in Rostock beim Bier stimmte Dresen spontan zu. Ohne Drehbuch, ohne großen Drehplan und vorherige Organisation wurde „Halbe Treppe“ realisiert. Ein Wagnis, gerade für jemanden wie Hartwig, der die Produktion überwachen muss. Doch der Mut wurde belohnt. Nicht nur, dass der Film beim Publikum ankam, er gewann auch den Silbernen Bär, den Deutschen und den Bayrischen Filmpreis. Diese Neuentdeckung der Art zu arbeiten, ist für Hartwig nach wie vor das Spannende. „Back to the roots, oder, um in der Musik zu bleiben, der Rock“n“Roll-Faktor. Man braucht nicht immer vorgeheizte Wohnwagen, sondern wir können auch mal ohne die große Beschallung gute Musik machen und in kleinen Clubs spielen.“

Für den Musik-Fan steht ein besonderes Highlight an: Die morgige Berlinale-Eröffnung, zu der sich auch die Altrocker angesagt haben, schließlich ist der Eröffnungsfilm „Shine a light“, die Rolling Stones-Dokumentation von Regie-Altmeister Martin Scorcese. „In diesem Jahr werde ich es vielleicht wirklich zur Berlinale schaffen. Damit man auch mal wieder einen Blick darauf bekommt, was national und international gemacht wird.“ Für regelmäßige Kinobesuche fehlt dem Vielbeschäftigten oft die Zeit. Und wenn Zeit ist, „muss ich meist die vergangenen Kino-Monate aufarbeiten.“

Ablenkung sucht Hartwig in den Auszeiten dann auch beim Kochen. „Mein großes Hobby ist die mediterrane Küche“, zu der der Babelsberger Freunde und Familie einlädt. Dieses Hobby geht so weit, dass er auch mal während der Arbeit für das Filmteam kocht. Bei „Wolke Neun“ bewirtete er in der gesamten Drehzeit – 35 Tage lang – den 13-köpfigen Stab. „Wenn ich also keine Lust mehr am Film habe, werde ich ein Restaurant in Potsdam eröffnen“, lacht Hartwig. Einen Namen gibt es auch schon: „Zum schwarzen Peter“. Und an der Bar gibt es mit Whisky mit Wodka.

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