
© Theo Heimann/ddp
Von Juliane Sommer: Bei minus acht Grad auf dem Wasser
Klaus Krebs war einer der letzten deutschen Flößer / Lychen ist jetzt „Flößerstadt“
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Lychen - Die letzten Flößer von Deutschland waren Walter Krebs, Klaus Krebs und Dieter Wendt. „Das steht mit absoluter Sicherheit fest. Nirgendwo in Deutschland wurde so lange geflößt wie in der Havelregion. Und wir drei waren die letzten Flößer, die die großen Pakete aus Baumstämmen für unseren Betrieb nach Berlin gebracht haben“, berichtet der heute 65-jährige Klaus Krebs im brandenburgischen Lychen. In Erinnerung an diese Tradition wurde die Stadt in der Uckermark am Samstag mit dem Ehrentitel „Flößerstadt“ ausgezeichnet.
„1975 war dann Schluss, dann wurden Bäume nur noch per Lkw zu den Sägewerken gebracht“, erinnert sich der alte Flößer. Gern hat er die Arbeit damals nicht aufgegeben. Sie war zwar hart und schwer, aber man war immer draußen in der freien Natur. „Man musste schon ein harter Kerl sein, robust, kräftig und wetterfest. Meine kälteste Nacht, die ich in einem Zelt auf dem Floß zugebracht habe, war mit Temperaturen von minus acht Grad.“ Zudem seien die Flößer „immer irgendwie nass“ gewesen – vom Schwitzen oder vom Wasser. „So etwas konnte man maximal bis 50 machen. Aber schön war es doch“, erinnert sich Krebs.
Das Zusammenstellen der Flöße mit Axt, Kantring und Haken geschah komplett per Muskelkraft. Die an den Steilablagen in Ufernähe abgeladenen Baumstämme wurden ins Wasser gerollt, wo sie zusammengenagelt wurden – bis zu vier Lagen übereinander. „So ein Floß konnte schon mal bis zu 1,20 tief unter die Wasseroberfläche reichen. Die zusammengezimmerten Tafeln erreichten eine Länge von bis zu über 20 Metern. Zehn Tafeln hintereinander, geschleppt von einer Schubeinheit – so gingen wir auf die Reise. Bis Berlin brauchten wir fünf Tage, mit dem Zug ging es wieder zurück“, erzählt der Mann weiter.
Flößer konnten für DDR-Verhältnisse gutes Geld verdienen. „800 bis 1000 Mark pro Monat waren drin, das war eine Menge“, erinnert sich der Flößer. Und als nach den großen Stürmen in der DDR von 1972 ein Spandauer Sägewerk 20 000 Festmeter Holz von der DDR kaufte, wurde Krebs sogar zum sogenannten Reisekader. „Wir haben die Flöße direkt bis nach Spandau gebracht, sind über den Wannsee und die Spandauer Schleuse zum Sägewerk gelangt. Zurück ging es dann mit der S-Bahn quer durch West-Berlin zur Friedrichstraße und wieder nach Hause“, erinnert er sich. Er habe nicht daran gedacht, im Westen zu bleiben: „Wozu? Ich war in Lychen zu Hause.“
Nach dem Ende der Flößerei baute Krebs für sein Unternehmen – die in Oranienburg ansässige Privatfirma Hans Schenke OHG – Koppelzäune auf, räumte Gräben auf, „eben alles, was so anfiel“. Und doch ließ ihn die Flößerei nicht los. 1995, sechs Jahre nach der Wende, gründete sich in Lychen einen Flößerverein. „Wir wollten das alte Handwerk bewahren, seine Kunst an die Jungen weitergeben“, sagt Krebs zu den Motiven, die damals zur Vereinsgründung führten.
Mittlerweile gilt die Flößerei als eine der Touristenattraktionen der uckermärkischen Seenlandschaft rund um Lychen. Einmal jährlich findet in der Stadt ein großes Flößerfest statt – natürlich mit einer Schauvorführung, wie ein solches Floß zusammengenagelt wird. Dabei fehlt Klaus Krebs nie, schließlich wird seine Handwerkskunst gebraucht.
Und der 65-Jährige fehlte auch am Samstag nicht, als der Stadt von der Internationalen Flößervereinigung der Ehrentitel „Flößerstadt Lychen“ verliehen wurde. „Voraussetzung für diese Ehrung ist das Vorhandensein eines Vereins, der sich der Pflege und Bewahrung des Flößerhandwerks verschrieben hat. Und ein Museum über das Flößen muss es geben“, berichtet der Vorsitzende des Flößervereins, Klaus Schöttler. „Beides haben wir, und wir sind stolz darauf, dass wir uns ''Flößerstadt'' nennen können“, fügt er hinzu.
Die Stadt hat auch einen Antrag gestellt, den Begriff Flößerstadt auch ins Ortsschild aufnehmen zu dürfen. „Darüber wurde jedoch noch nicht entschieden“, sagt Schöttler und fügt hinzu: „So etwas braucht mehr Zeit, als ein Floß zusammenzunageln und nach Berlin zu schleppen.“
Juliane Sommer
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