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Landeshauptstadt: Besuch aus Nahost

Im Rathaus diskutierten junge Israelis und Palästinenser mit Oberbürgermeister Jann Jakobs

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Gesprochen wurde nicht über den Nahostkonflikt – sondern über die Probleme der Jugendlichen in Potsdam: Am gestrigen Mittwoch trafen sich israelische und palästinensische Jugendliche mit Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) im Rathaus. Die zwölf Jugendlichen im Alter von 19 bis 27 sind über ein Austauschprogramm des Willy-Brandt-Zentrums in Israel in Deutschland. Sie kommen aus sozialpolitisch aktiven Jugendorganisationen der beiden Länder, unter anderem von dem Fatah Movement aus Palästina und der Young Labour aus Israel. Begleitet wird das Projekt von der SPD-Jugenendorganisation, den Jusos. Im Zuge des Ausstauschprojektes hatten bereits im vergangenen Jahr fünf Sachsen und sieben Brandenburger die beiden Länder besucht, um sich vor Ort ein Bild vom Leben der Jugendlichen im Konfliktgebiet zu machen.

Mit Jann Jakobs diskutierte die Gruppe gestern eine Stunde lang. Der Oberbürgermeister brachte den jungen Politikern – mithilfe eines Übersetzers – zunächst die Stadt Potsdam näher und sprach über Wirtschaft, Politik, aber auch den Bildungsstandort. Ein Problem in Israel sei, dass viele der Ausgebildeten Fachkräfte nach ihrer Ausbildung in andere Städte zum Arbeiten ziehen würden und somit ein Universitätsstandort stets nur Universitätsstandort bliebe, sagte eine Israelin und fragte nach den Erfahrungen in Potsdam. Der Stadt seien die Hände gebunden, räumte Jakobs ein. Man freue sich jedoch, wenn sich größere Unternehmen in Potsdam ansiedelten und so junge Fachkräfte an die Stadt binden.

Im Mittelpunkt des Gespräches stand auch der Umgang mit Rechtsextremismus in Potsdam. Erst am vergangen Donnerstag war die Gruppe bei einer Gegendemonstration zu einem Naziaufmarsch in Leipzig. „Es war schön, anzusehen, wie Israelis, Deutsche und Palästinenser zusammen gegen Rechts auf die Straße gingen“, erzählte der Mitorganisator Timm Buchholz. Jakobs berichtete von der Initiative „Potsdam bekennt Farbe“, in der schon seit Jahren verschiedene Potsdamer Organisationen und Vereine gemeinsam gegen rechte Aufmärsche und fremdenfeindliche Aktionen auftreten. So sei es in der Stadt gelungen, größere Naziaufmärsche durch Gegendemonstrationen und – wo möglich – rechtliche Schritte einzuschränken.

Es mag befremdlich klingen, dass Israelis und Palästinenser zusammen an einem Tisch sitzen und ausgerechnet über deutsche Politik reden. Doch was auf der Ebene der großen Politik ein Großereignis wäre – das sich Israelis und Palästinenser an einen Tisch setzen –, das ist für die jugendlichen Besucher kein Problem. „Meine Familie guckt mit Stolz darauf, dass ich an einem solchen Projekt mit Israelis und Palästinensern teilnehme“, sagt zum Beispiel Aida Saifi vom Fatah Movement. Viele Palästinenser sähen ihre Generation als Hoffnung für ein friedliches Miteinander der beiden Staaten, erzählt die 24-jährige Palästinenserin. „Es gibt auch negative Stimmen in meinem Umfeld zu diesem Projekt. Oft höre ich, dass es die Aufgabe vom Traum des unabhängigen Staates sei“, sagt sie. In Deutschland freue sie sich vor allem über den Umgang mit dem Konflikt der beiden Länder. „Es ist schön, zu sehen, wie sich die Leute hier für ein friedliches Ende des Nahostkonfliktes einsetzten.“

Eden Barnoy, Mitglied der linksorientierten israelischen Partei Meretz-Jachad, sieht dagegen in seinem Umfeld große Schwierigkeiten für eine Annäherung im Nahostkonflikt. „Viele sehen dieses Projekt mit großer Skepsis. Es ist doch auch klar, dass durch Anschläge und Raketenbeschüsse die Völker nicht näher zusammenrücken können“, sagt der Israeli. Die Meretz-Jachad gilt als einer der Palästina-freundlichen Parteien Israels. „Oft wird mir gesagt, ich sollte mich nicht mit Palästinensern an einen Tisch setzten. Dann antworte ich: Wenn sich der amtierende Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sich mit Palästinenser an einen Tisch setzt, warum sollte ich das nicht auch dürfen?“luk

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