Von Kay Grimmer und Sabine Schicketanz: Betreten verboten!
Seit sechs Wochen ist der Uferweg am Groß Glienicker See gesperrt – eine Bestandsaufnahme
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Groß Glienicke - Der knapp 2,5 Kilometer lange Uferweg am Groß Glienicker See, der auf dem ehemaligen Postenweg der DDR-Grenzer verläuft, ist seit nunmehr sechs Wochen in Teilabschnitten gesperrt. Eine Bestandsaufnahme des Ufer- Konflikts.
SPERREN UND BLOCKADEN
Der Uferweg ist aktuell an acht Grundstücken blockiert. Bei den Sperren und Blockaden handelt es sich um über den Weg gezogenes rot-weißes Flatterband, um Gestrüpp, Hecken, Schutt und aufgerissenen Beton, der in großen Bruchstücken auf dem Weg liegt. An einer Stelle ist damit begonnen worden, eine Betonmauer zu errichten, der Spaziergänger ausweichen können. Dies ist nicht an allen Sperr-Stellen möglich. Anrainer haben Schilder aufgestellt, die auf das Privateigentum hinweisen und das Betreten untersagen. Dies bedeutet, dass der Uferweg, zu dem es neben der Badewiese zwei öffentliche Zugänge gibt, nicht mehr im Ganzen passierbar ist. Von der Badewiese beispielsweise ist nach Norden und nach Süden nach ein paar Dutzend Metern Schluss.
DIE RECHTSLAGE
Für das Ufer des Groß Glienicker Sees gibt es einen gültigen Bebauungsplan (B-Plan). Er ist bereits durch eine Normenkontrollklage gegangen und kann als solches nicht mehr juristisch angefochten werden. Erstellt wurde der B-Plan 1999 im Auftrag der Gemeinde Groß Glienicke, die damals zum Amt Fahrland im Landkreis Potsdam-Mittelmark gehörte. Der B-Plan weist den öffentlichen Uferweg aus; Problem ist, dass der Weg wegen eines Versäumnisses der damaligen Gemeinde nicht öffentlich gewidmet ist. Um dies nachzuholen, muss die Stadt Potsdam das Einverständnis jedes einzelnen der 39 Eigentümer von Ufergrundstücken einholen, was bisher nicht gelungen ist. Die Stadt hat zwei Gerichtsverfahren, bei denen es um die Sperren am Ufer ging, gewonnen. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hatte entschieden, dass Zäune am Südufer des Sees abgebaut werden müssen, indem es ein Berufungsverfahren nicht zugelassen hatte. Damit sei geklärt, dass „Zäune und ähnliche Anlagen“ gegen den B-Plan und die Verordnung für das Landschaftsschutzgebiet am Seeufer verstießen, so die Stadtverwaltung. Das Potsdamer Verwaltungsgericht entschied, dass „bauliche Absperrungen“ nicht geduldet werden dürfen – Erdwälle mussten entfernt werden. Ob die Absperrung der Privatgrundstücke per Flatterband rechtens ist, wird bisher noch nicht von Gerichten geprüft. Die Stadtverwaltung verweist dazu auf interne Prüfungen. Ohne Widmung besteht kein Betretungsrecht für die Öffentlichkeit. Mitte April hatte die Verwaltung zwei aus Hecken bestehende Sperren geräumt; die Eigentümer hatten angekündigt, vor das Verwaltungsgericht zu ziehen.
DIE VERHANDLUNGEN
Die Stadtverwaltung hat im Herbst 2009 begonnen, mit den 39 Eigentümern von Ufergrundstücken zu verhandeln. Dabei will die Verwaltung erreichen, dass die Eigentümer ein Wegerecht für den Uferweg in den Grundbüchern eintragen lassen. Nachdem die Anrainer es abgelehnt hatten, eine Rahmenvereinbarung zu unterzeichnen, starteten Einzelverhandlungen. Diese wurden mit Beginn der Sperrung des Weges von einigen Eigentümern für beendet erklärt. Bisher sind nach Angaben der Stadt zwei Verträge unterzeichnet; einer davon mit Dagmar Roth-Berendt (SPD), der Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments. Unzulässig sind laut Gesetz sogenannte Koppelungsgeschäfte: Die Verwaltung darf den Grundstückseigentümern nicht im direkten Gegenzug für das Wegerecht Genehmigungen für Bootsstege, Zäune oder anderes erteilen. Außerdem sind die Naturschutzvorgaben zu beachten; Ausnahmeregelungen seitens der Stadt könnten dazu führen, dass der Bebauungsplan juristisch angreifbar wird, weil die Verwaltung selbst gegen die Regelungen handeln würde. Potsdam könne und werde nicht gegen geltendes Recht verstoßen, sagte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD). Welche Kompromisse möglich sind, will die Stadt demnächst per Uferkonzept vorstellen. Dazu gehört wahrscheinlich eine Verschiebung des Uferwegs in Richtung Seeufer. Sind die Verhandlungen gescheitert, sind Enteignungen eine letzte Möglichkeit, den Uferweg durchzusetzen. Kaufangebote an Grundstückseigentümer, die nicht mehr verhandeln wollen, hat die Verwaltung bereits verschickt.
DIE BÜRGERINITIATIVEN
Zwei Bürgerinitiativen (BI) engagieren sich in Groß Glienicke. Die BI „Groß Glienicker See“ um den Bündnisgrünen-Stadtverordneten Andreas Menzel will ein gänzlich freies Seeufer vor allem im Sinne des Landschaftsschutzes durchsetzen. Die parteiunabhängige Bürgerallianz „Freier Uferweg“ setzt auf Kompromisse und lehnt Enteignungen ab.
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