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Landeshauptstadt: Bio gut, alles gut?

Mit „Bio-Boxen“ sollen Schulanfänger gesunde Ernährung lernen – aber Schulmilch gibt es an der Goethe-Schule nicht

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Babelsberg/Waldstadt – Es sind dankbare Termine für Politiker: Die leuchtenden Kinderaugen sind schließlich vorprogrammiert, wenn es Geschenke gibt. Und wenn dann auch noch „Bio“ drin ist, sind auch die Herzen der Eltern sicher gewonnen. In den vergangenen zwei Tagen konnten die 38 Erstklässer der Goethe-Schule und die 70 Schulanfänger der Waldstadt-Grundschule „Bio-Brotboxen“ in Empfang nehmen: Frühstücksdosen gefüllt mit Vollkornbrot und Marmelade, einer Möhre, Müsli, Rosinen und einem Schoko-Riegel – alles Bio-Produkte. Das Brotboxen-Projekt wurde vor fünf Jahren von Naturkost-Unternehmen aus Berlin gestartet. Das Ziel: Schüler und Eltern sollen „ein Bewusstsein für ein gesundes Frühstück entwickeln“. Nach eigenen Angaben wurden 2007 insgesamt 142 000 Brotboxen in zehn Bundesländern verteilt – 53 000 davon allein in Berlin und Brandenburg.

Gestern kam die Reihe also an die Goethe-Schule in der Kopernikusstraße – zum ersten Mal, wie Schulleiter Bernd Rudolph strahlend erzählte. Gesunde Ernährung sei durchaus ein Thema bei seinen Schülern. Und tatsächlich: Jedes dritte Kind meldet sich, als Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) in die Runde fragt: „Wer isst früh immer Müsli?“ Die Lehrer würden mit den Kindern gezielt über den Inhalt der Brotbüchsen reden, so Rudolph: „Dabei werden besonders die positiven Dinge in den Vordergrund gerückt“, erklärt er.

Nachhilfe in Sachen gesunder Ernährung braucht dagegen offenbar die Schulverwaltung: Denn Milch für die Frühstückspause gibt es an der Babelsberger Goethe-Schule bereits seit dem vergangenen Schuljahr nicht mehr. Grund dafür ist aber nicht etwa die fehlende Nachfrage durch die Eltern, sondern ein „Anlieferungsproblem“, erläutert Schulleiter Rudolph. Die Milch sei um vier Uhr in der Frühe ausgeliefert worden. Zu dieser Unzeit wollte der Schulleiter seine Kollegen allerdings nicht zur Arbeit zitieren. Und dem Milchmann den Zugangscode für das gesamte Gebäude anzuvertrauen, sei keine Option gewesen. Alternativlieferanten habe er nicht gehabt, sagt Rudolph, denn den Lieferanten habe nicht er, sondern die Schulverwaltung ausgesucht. Von dort war gestern keine Stellungnahme zur Milchfrage zu bekommen. Dass die verteilten Bio-Boxen auch einen Gutschein für Bio-Milch enthalten, tröstet da kaum.

Bei genaueren Blick in die Dosen kann man sowieso ins Grübeln geraten: Müssen es denn wirklich Rosinen aus Kalifornien sein? Wie „Bio“ sind die überhaupt noch nach der Weltreise? Und was spricht eigentlich gegen die Weintrauben aus Deutschland? Aber dass aus „Bio“ ein globales Geschäft geworden ist – wie in dieser Woche auch ein deutsches Nachrichtenmagazin in seiner Titelstory berichtet – kann man dem Brotbüchsen-Projekt ja eigentlich nicht ankreiden.

Und trotzdem ist es auch für Dietmar Schulze, Stadtsekretär im Agrarministerium, ein „Hauptproblem“: Die Bio-Produkte, auch Fleisch und Gemüse, kommen „eher ganz woanders her als aus Brandenburg“, erklärte er gestern in der Goethe-Schule. Am Ministerium liege das nicht: Das Agrarförderungsprogramm sei bisher immer „auskömmlich“ gewesen. Und nutzen könnten es konventionelle und Öko-Bauern. Brandenburg sei bundesweit sogar Spitzenreiter, was die Fläche von Öko-Betrieben angehe. Vorläufiges Fazit: Mit „Bio“ allein ist noch lange nicht alles gut.

Erfrischend aber, dass Matthias Platzeck (SPD) am Montag außer den Brotdosen noch ein Extra in die Waldstadt-Schule mitbrachte: Äpfel von „seiner“ Streuobstwiese in Marquardt. Platzeck ist dort „Baumpate“. Jana Haase

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