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Landeshauptstadt: Bitte nicht schütteln

Kampagne soll Todesfälle bei Babys verhindern

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Nachts, tags. Das Baby schreit und lässt sich durch nichts beruhigen. Kein Fläschchen hilft, kein Schnuller, kein Auf-den-Arm-nehmen. Für betroffene Eltern eine Ausnahmesituation, die die Nerven bis zum Zerreißen spannt. Manche verlieren die Geduld und schütteln das Kind. Das kann tödlich enden. Über diese Gefahr soll nun im Land Brandenburg mit einer Kampagne zur Gewaltprävention aufgeklärt werden. „Bitte nicht schütteln“ lautet ihr Titel. Gesundheitsministerin Anita Tack (Linke) übergab kürzlich 3800 Euro aus Lottomitteln an die Fachstelle für Kinderschutz.

Ankommen soll das Geld in den nächsten Monaten in Form von Infobroschüren und Schulungen für Betreuer auch in Potsdam. „Fehlende Information ist ein Teil des Problems“, sagt Professor Michael Radke. Er ist der Chefarzt der Kinderklinik am Klinikum „Ernst von Bergmann“ in Potsdam. Mit jährlich ein bis drei Kleinkindern, die durch Schütteln geschädigt wurden, hat es die Kinderklinik zu tun, schätzt Radke. Die Verletzungen seien unter Umständen lebensbedrohlich und könnten auch in leichteren Fällen noch Folgeschäden nach sich ziehen.

„Wenn wir so etwas bemerken, müssen wir das melden“, so Radke. Auch wenn es unabsichtlich passiere, sei es dennoch eine Misshandlung. Bei den Schütteltraumata gebe es auch eine Dunkelziffer, da nicht alle Verletzungen auch von den Eltern als solche erkannt werden. Besonders gefährdet sind sogenannte Schreibabys – Säuglinge im Alter von ein paar Monaten, die nicht nur hin und wieder, sondern auch stundenlang schreien. Betroffene Eltern seien damit oft überfordert. Radke rät, zunächst einen Kinderarzt aufzusuchen, um auszuschließen, dass das Kind Schmerzen hat. Der Arzt könne dann auch Hinweise geben, wie mit dem schreienden Baby umgegangen werden kann.

Der Weg zum Arzt aber sei oft schon problematisch, so Bärbel Derksen. Die Diplom-Psychologin kümmert sich im Familienzentrum „Vom Säugling zum Kleinkind“, das im Gebäude der Fachhochschule am Alten Markt untergebracht ist, insbesondere um die Beratung betroffener Eltern. „Ein schreiendes Kind im Auto oder in öffentlichen Verkehrsmitteln hört sich noch schrecklicher an als zu Hause und die Eltern vermeiden solche Situationen für sich und ihr Baby“, so Derksen. Die betroffenen Eltern isolierten sich eher weiter. Deshalb sei es wichtig, im Vorfeld zu informieren und wenn nötig die Eltern auch zu Hause aufzusuchen. Im vergangen Jahr haben sich in der Beratungsstelle des Familienzentrums etwa 25 bis 30 Familien gemeldet, deren Babys sehr unruhig waren oder viel geschrien haben. Nicht alle kommen aus Potsdam. Die Berater fahren auch ins Land.

In Deutschland ist das Schütteltraumasyndrom die häufigste nicht natürliche Todesursache bei Säuglingen. Das Statistische Bundesamt geht von 100 bis 200 Todesfällen im Jahr aus. Verletzungen durch Schütteln entstehen, weil das Gehirn im Schädel von Flüssigkeit umgeben ist, die es eigentlich gegen Stöße schützen soll. Wird das Baby jedoch hin und her bewegt, können Blutgefäße reißen, die das Hirn versorgen. Je nachdem wie heftig das Baby geschüttelt wird, können sich schnell Blutungen ausbreiten, die lebensgefährlich sein können. Doch auch bei kleineren Verletzungen besteht Gefahr, weil Teile des Gehirns dann nicht richtig versorgt werden. Marco Zschieck

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