Landeshauptstadt: Blutsbrüder
Wieder Politiker an der Spendennadel: Wo ist Scharfenbergs Blut heute – und wann kommt es ins Krankenhaus?
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Die Politiker spenden um die Wette: Am Mittwoch lächelte noch Sven Petke, Vizechef der brandenburgischen CDU, tapfer in die Kameras, am Donnerstag zog Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) nach. Gestern nun also die Linken. Hans-Jürgen Scharfenberg, Fraktionschef im Stadtparlament und Landtagsabgeordneter, hatte sogar vier Parteigenossen zum Mitspenden bewegen können.
„Ihr Blut hilft mehr als tausend Worte“ steht auf dem Transparent vor dem Finanzministerium in der Steinstraße 104. Dorthin hatte das Blutspendeinstitut des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) gestern geladen. Vor Haus 7 wartet der LKW, der die Spenden – gut gekühlt – ins Blutspendeinstitut nach Berlin-Wannsee fahren soll. Denn dort werden die DRK-Spenden aus Brandenburg zentral verarbeitet.
Bevor das Blut in die Beutel kommt, müssen sich die Spender allerdings auf den Zahn fühlen lassen. Nach einem Fragebogen, in dem unter anderem Krankheiten und Auslandsaufenthalte abgefragt werden, geht es zur Hämoglobinwert-Messung: „Der rote Blutfarbstoff sorgt für den Sauerstofftransport“, erklärt der Arzt Helmut Ritschel, der das Team unterstützt. Wird der vorgeschriebene Grenzwert unterschritten, fällt die Spende aus. Das sei gerade bei Sommerhitze öfter der Fall, erklärt der Zivildienstler Sebastian Benke, der die Messung vornimmt. Denn wer zu viel trinke, habe dünneres Blut. „Sie haben sehr rotes Blut“, bescheinigt Benke dagegen dem spendewilligen Linken-Politiker. Scharfenberg lächelt vielsagend.
Bevor er auf der Liege landet, geht er zur Urne. Denn jeder Spender muss die „Entscheidung über die Verwendung meines Blutes“ treffen. Ja oder nein? Das Kreuzchen wird wie bei einer Wahl geheim gesetzt. Eine gesetzliche Vorschrift, wie Roland Karl, der Chef des DRK-Blutspendeinstituts Berlin/Potsdam erklärt. Einerseits soll mit dem VSA – dem „Vertraulichen Selbstausschluss“ – an das Gewissen des Spenders appelliert werden: Er soll zurücktreten, wenn er zum Beispiel eine HIV-Ansteckung befürchtet. Denn der Virus ist erst nach einigen Tagen im Blut nachweisbar. Wichtig sei die VSA insbesondere bei „gruppendynamischen Spenden“: Etwa, wenn Arbeitskollegen zur kollektiven Spende gehen. Dank VSA müssen sich Menschen, die – aus welchem Grund auch immer – nicht spendefähig sind, dann „nicht unbedingt outen“, erklärt Karl.
„Möchten Sie den linken Arm?“, fragt Krankenschwester Martina Schulze nun Scharfenberg. „Ist mir egal“, erklärt er ungerührt. Ein Stich in die Vene und das Blut fließt – in einen Plastebeutel, der aussieht wie vier Plastebeutel. „Ein Blutbeutelsystem“, erklärt Schwester Martina. Darin kann das Blut weiterverarbeitet werden, ohne mit Luft in Kontakt zu kommen. Neben dem Beutel füllen sich auch drei Röhrchen mit der roten Flüssigkeit. Die gehen nach Cottbus, sagt Dr. Karl. Denn dort wird das Blut zentral untersucht: Auf das HIV-Virus, Leberschäden und Geschlechtskrankheiten. Nach 24 Stunden liegen die Ergebnisse vor. Erst dann wird die Konserve in der Berliner Zentrale freigegeben.
Dort wird das Blut unterdessen aufbereitet: Zunächst wird es von den kaum haltbaren weißen Blutkörperchen und den Blutplättchen gereinigt, erklärt Karl. Danach wird es geschleudert: In der Zentrifuge trennt sich das gelbliche Plasma von den roten Blutkörperchen. Während das Plasma nach einer Schockfrostung zwei Jahre lang tiefgekühlt haltbar ist, halten sich die roten Blutkörperchen bei Kühlschranktemperatur nur 42 Tage.
So lange liegt es allerdings nicht in Berlin. Momentan reichen die Vorräte für ein bis anderthalb Tage, sagt Karl: „Wünschenswert sind drei bis fünf.“ Spätestens am kommenden Dienstag gehe das Blut also ans Krankenhaus. 600 bis 800 Blutspenden werden täglich von den Brandenburger und Berliner Kliniken und Arztpraxen angefordert, so Karl. Allein das Ernst-von-Bergmann-Klinikum braucht etwa 40 Blutspenden pro Arbeitstag, sagt Chef-Anästhesist Dirk Pappert.
Dabei gibt es zu wenig Spender: Nur 3,3 Prozent aller Deutschen lassen sich an die Nadel legen, so Karl. Dabei erfülle jeder dritte Deutsche die Voraussetzungen: Gesundheit und ein bestimmtes Alter. „Das Thema Blut ist sehr emotional belegt“, weiß Karl. Über die Öffentlichkeit, die spendenwillige Politiker bringen, ist er froh – bleibt aber realistisch: „Die Mehrzahl unserer Blutkonserven kommt nicht von Politikern.“
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