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Etwas HELLA: Briten in der Sommerpause

Ich bin den Briten überaus dankbar, dass sie ihren Austritt aus der EU in die Sommermonate verlegt haben. Auf diese Weise sind nicht nur sie weg, sondern eine ganze Menge Deutscher auch.

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Ich bin den Briten überaus dankbar, dass sie ihren Austritt aus der EU in die Sommermonate verlegt haben. Auf diese Weise sind nicht nur sie weg, sondern eine ganze Menge Deutscher auch. Zum Beispiel im Urlaub oder beim Public Viewing der Fußball-Europameisterschaft. So mancher Potsdamer hatte sich auch zu den Musikfestspielen aufgemacht, bei denen diesmal Frankreich das Thema war. So ist, glaube ich, erst einmal einiges von den Schrecknissen, die der Brexit ausgelöst hat, an uns vorbei gegangen. Auch um mich herum spielt eher König Fußball eine Rolle als der Eigensinn der Briten. Außerdem haben wir gerade ein Unwetter überstanden, das freundlicherweise um Potsdam einen großen Bogen gemacht hat.

Dabei hätte uns etwas Regen ganz gut getan. Aber es kommt eben nicht nur bei Abstimmungen vieles anders als man denkt, auch das Wetter können wir immer noch nicht selber machen. Wir können es nur aushalten. Und ich hoffe und wünsche, dass Europa auch den Brexit aushält. Privat wirkt ein Europa ohne die Briten ohnehin nicht gerade lebensbedrohlich, denn Great Britain oder das nicht mehr ganz so große Britannien ist ja nicht von der Landkarte verschwunden, es macht nur gerade einen auf Selbstbesinnung. Handelsbeziehungen wird es weiter geben.

Der Sohn einer Freundin, der nach London übergesiedelt ist, wird seine Mutter nach wie vor besuchen, beziehungsweise sie zum Besuch an die Themse einladen. Meine Nachbarn werden ihren Urlaub in Wales ebenfalls nicht stornieren, zumal das Pfund in unendliche Tiefen abgerauscht ist und der Aufenthalt dadurch billiger wird. Was die Städtepartnerschaften betrifft, müssen wir uns ebenfalls keine Sorgen machen.

Mit den Briten haben wir auch in der Vergangenheit gefremdelt und keine der interessanten Städte des United Kingdoms an die Brust gedrückt. Unser neuer Partner befindet sich in Frankreich und mit Versailles können wir Gemeinsamkeiten austauschen, die mehr als ein Euro-Jahrhundert betreffen. Trotzdem wird Französisch natürlich nicht wie zu Friedrichs II. Zeiten als Verkehrssprache bei Hofe eingeführt. Wie haben nämlich – auch wenn es schmerzt und wir immer wieder die werbewirksamen Auftritte der Queen zu Hilfe nehmen müssen – keinen König mehr.

Außerdem – seien wir mal ehrlich – ist den Potsdamern das Hemd schon immer näher gewesen als der Rock. Kriselnde Stadtwerke bereiten da viel eher Kopfschmerzen als der Brexit. Oder Baudezernenten, die sich erst um einen Job bewerben und dann einfach nicht kommen, weil Mutti kategorisch erklärt hat, dass ihr die streitsüchtige Stadt an der Havel nicht gefällt. Obwohl es lokal in Sachen Bauen sogar Hoffnung auf ein erstaunliches Miteinander gibt. Die jüdischen Gemeinden sind nämlich gerade dabei, sich zu einigen und ihre Synagoge endlich doch zu errichten. Und die Frau des abgetauchten Baudezernenten, die Richterin ist, hätten die Potsdamer garantiert auf Händen getragen. Denn was braucht ein streitsüchtiges Völkchen am meisten? Weise Richtersprüche!

Unsere Autorin ist langjährige Redakteurin und jetzt freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Potsdam

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