Von Heike Kampe: Bücher machen Schule
Immer mehr Schulen richten sich eigene Bibliotheken in ihrem Haus ein. Schwierigkeiten bei der Umsetzung liegen häufig in der Finanzierung und Personalbesetzung
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Es begann in einem winzigen Raum unter dem Dach. Zwei Bücherregale mit etwa 100 Büchern bildeten den Grundstein der Schulbibliothek in der Montessori- Oberschule Potsdam. Die Bücher hatten Eltern gespendet. Den Weg in die kleine Bibliothek fanden hauptsächlich Leseratten, die es sich in den alten Sesseln mit einem Buch gemütlich machten.
Zehn Jahre später ist von dem anheimelnden Charakter des einstigen Dachstübchens kaum mehr etwas zu spüren. Geräumig, lichtdurchflutet, multimedial – so präsentiert sich die heutige Schulbibliothek, die im Jahr 2008 neue Räumlichkeiten bezogen hat. Ob Technik, Architektur, Philosophie oder Belletristik – jedes Themengebiet hat in den zahlreichen, farblich gekennzeichneten Regalen seinen eigenen Platz. An zwei großen Holztischen finden die Schüler Platz zum Arbeiten. Zusätzlich gibt es zwölf Computerarbeitsplätze und ein Stehpult mit sechs Laptops. Im Eingangsbereich werden neu erschienene Bücher in einem Aufsteller präsentiert, sogar eine Comic-Kiste ist vorhanden. „Weil wir eine Schule sind, die ohne Schulbücher lernt, die Kinder aber Nachschlagewerke und Bücher zum Entdecken benötigen, ist unsere Bibliothek entstanden“, erzählt Lehrerin Eva Poppe-Rossberg, die die Verantwortung für das Bücherreich trägt, das von Schülern und Lehrern auch „Studierzimmer“ genannt wird.
Die eigene Bibliothek ist nicht nur für reformpädagogisch orientierte Schulen eine erstrebenswerte Bereicherung des Schulalltags. Mittlerweile gibt es nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft für Schulbibliotheken in Berlin und Brandenburg (AGSBB) 17 Schulen in Potsdam, die über eine eigene Bibliothek verfügen. Weitere Schulen haben die Absicht, eine solche einzurichten. „Wir wollen eine Schulbibliothek aufbauen“, sagt etwa die Schulleiterin der Eisenhartschule, Andrea Wagner. „Die Leseförderung ist ein großes Thema, insbesondere nach den Ergebnissen, die diverse Vergleichstest zwischen den Ländern ergeben haben“, so Wagner. Leseförderung müsse spätestens in der Grundschule erfolgen, wenn sie bis dahin nicht schon im Elternhaus begonnen habe. „In unseren Lesebüchern haben wir oft Ausschnitte aus Kinderbüchern. Da wäre es für die Kinder natürlich schön, wenn sie nebenan in die Bibliothek gehen und gucken könnten, ob sie das Buch finden“, ergänzt Grundschullehrerin Daniela Tustanowski. Die Bibliothek in der Schule – das Wundermittel gegen Lesemuffel?
„Das Studierzimmer ist der Lieblingsort in den Pausen“, berichtet Eva Poppe- Rossberg. Mit den hellen Sitzkissen machen es sich die Schüler an den Heizkörpern bequem, ein Buch in der Hand. „Und dann wird gelesen“, schmunzelt die Lehrerin. Durch die Schulbibliothek ist der Griff zum Buch selbstverständlich geworden. „Jeden Tag kommen etwa 150 Schüler ins Studierzimmer“, so Poppe- Rossberg. Grimm’s Märchen, das Reptilien-Bestimmungsbuch, der Weltatlas oder Harry Potter – in den Bücherreihen werden die Schüler fündig. Ob sie nun nach Informationen für ein Referat oder einfach nach einem guten Buch für die Wochenendlektüre suchen. An den beiden großen Holztischen lässt es sich in aller Ruhe arbeiten, allein oder in Gruppen. An den zwei „Computerinseln“ lesen die Schüler ihre E-Mails und recherchieren im Internet für Schulprojekte. Durch die Arbeit in der Bibliothek lernen die Schüler nicht nur, Bücher und Internet als Informationsquelle zu nutzen. Auch der Wert eines Buches, das jeder nutzen kann, wird ihnen bewusst. „Wenn einmal ein Buch wegkommt, tut es den Kindern unheimlich leid. Dann fragen sie, wie sie das wieder gut machen können“, erzählt Eva Poppe-Rossberg.
Aus der kleinen Bibliothek der Montessori-Oberschule ist ein viel und gern genutztes Studierzimmer geworden. „Der Raum wurde im Laufe der Zeit unglaublich funktional“, erklärt Eva Poppe-Rossberg. Doch bevor es soweit war, brauchte es „sehr viel Zeit und sehr viele Partner, die es unterstützten“. Etwa drei bis vier Jahre habe es gedauert, bis sich die Bibliothek eingearbeitet hatte. Und auch nach zehn Jahren verändert sich das Studierzimmer immer noch. So erhielten im letzten Jahr die Bücherregale Rollen, an die Decke wurde ein Beamer angebracht. Mit wenig Aufwand wird so aus der Bibliothek ein Veranstaltungsraum, in dem Diavorträge oder Lehrerkonferenzen stattfinden. „Jedes Jahr entdeckt man wieder Dinge, die man verändern, besser strukturieren muss“, so Lehrerin Poppe- Rossberg.
Der Förderverein der Schule, der sich durch Beiträge der Eltern und Spenden finanziert, stellt jedes Jahr etwa 300 Euro für die Schulbibliothek zur Verfügung. Von dem Geld werden neue Bücher angeschafft, Zeitschriftenabonnements bezahlt, zerlesene Bücher durch neue ersetzt. Neben der finanziellen Zuwendung ist die Schulbücherei auch auf die personelle Unterstützung der Eltern angewiesen. Ausleihe, Archivierung, Beratung der Kinder – einen Großteil dieser Aufgaben erledigen die Eltern der Schüler. Täglich ermöglichen sie mit ihrer Anwesenheit, dass das Studierzimmer ihren Kindern zur Verfügung steht. Denn für die Betreuung einer Schulbibliothek stellt das Schulamt kein Personal zur Verfügung.
Dieses Dilemmas sind sich auch Andrea Wagner und Daniela Tustanowski von der Eisenhartschule bewusst, die gerade in den Anfangsplanungen ihrer Schulbibliothek stecken. Neben der Suche nach geeigneten Räumlichkeiten und dem Kauf einer Software zur Verwaltung der Bibliotheksbücher sei die Personalfrage „die größte Schwierigkeit“, so Andrea Wagner. „Wir sind auf jemanden angewiesen, der Spaß an der Betreuung einer Schulbibliothek hat und sich gern ehrenamtlich engagieren möchte“, sagt Daniela Tustanowski. Und auch an der Eisenhartschule wird es nicht ohne den Förderverein gehen: „Er unterstützt das Vorhaben und sammelt bereits Gelder dafür“, so Andrea Wagner. Denn auf der Bücherwunschliste stehen schon viele Namen.
Heike Kampe
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