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ABC der reduzierten Gefühle: Das Einstein Forum beleuchtete in einem Workshop das Phänomen der Coolness Die Gefühle herunter regeln, damit man mit der Welt klar kommt
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Mit dem Coolsein ist es so eine Sache. Auf einer wissenschaftlichen Tagung zum Phänomen der Coolness in letzter Minute aufzutauchen, verschwitzt die Garderobe zu suchen, mit dem schnell noch gegriffenen Kaffee die Hose vollzukleckern und dann auch noch hektisch den Schreibblock zu suchen – das ist alles andere als cool. Wesentlich cooler dann schon Rüdiger Zill vom Potsdamer Einstein Forum, das sich unlängst zusammen mit dem Berliner Museum für Film und Fernsehen auf die Suche nach den Hintergründen von Besonnenheit und Coolness machte. Jackett, dunkler Rollkragenpulli, mit betontem Understatement und kaum aus der Ruhe zu bringen führte Rüdiger Zill ziemlich cool in das Thema ein.
Klar, dass wir dabei Clint Eastwood, Alain Delon und Humphrey Bogart begegnen, Filmstars des 20. Jahrhunderts, die ihre Gefühle im Zaum zu halten wussten. Zill spannte den Bogen noch wesentlich weiter. War doch die Besonnenheit, die feste Lenkung der Affekte durch die Vernunft in der Antike das Ideal der Stoiker. Was seine Bewandtnis hatte, schützte man sich doch in der Krise der antiken Polis vor Frustration und Schmerz, wenn man Güter als gleichgültig betrachtete. Den Zorn wiederum machte man für Aufruhr und Bürgerkrieg verantwortlich. Die Selbstbeherrschung war das Ideal.
Auch heute noch ist Coolness nicht nur bei jungen Rappern Pflicht. Emotionale Kälte ist bei Wissenschaftlern, Aristokraten aber auch bei Militärs gern bediente Attitüde. „Die Coolness wird sozusagen als Affektmanagement eingesetzt, um Gefühle zu verbergen“, so Zill. Doch eigentlich ist diese Art von aufgesetzter Gleichgültigkeit gerade in den letzten Jahren stark aus der Mode gekommen. Gefühle, lange Zeit als Störfaktoren betrachtet, haben an Bedeutung gewonnen. „Das Böse erscheint heute geradezu als eine Folge eine Unfähigkeit zu fühlen“, so Zill. Man denke nur an die aktuelle Debatte um gesellschaftliche Gleichgültigkeit und ihre Folgen. So findet man heute dann auch kaum noch einen Filmstar, der durch Coolness besticht. Abgesehen vielleicht von Takeshi Kitano, dessen Coolsein allerdings in der japanischen Samurai-Kultur verwurzelt ist, und gerade auch in seinem Film „Hana Bi“ (1997) eher die Folie für eine stark anrührende Emotionalität abgibt.
Die Medizin betrachtet das Phänomen auch als ein pathologisches Problem. So kennt man etwa den Asperger Autismus, unter dem gerade sehr intelligente und hochbegabte Menschen wie Glenn Gould oder Bill Gates litten und leiden. Der Neurobiologe Michael Huber (Mainz) erklärte, dass in diesen Fällen eine Beeinträchtigungen des Sozialverhaltens und der Gefühlswelt durch kognitive Fähigkeiten kompensiert werde. Die Gefühlsblindheit wiederum bezeichnen die Experten als Alexithymie – die Unfähigkeit, Gefühle hinreichend wahrnehmen und beschreiben zu können. So betrachtet der Neurobiologe Huber coole Verhaltensweisen nicht unbedingt als Maske: „Sie entstehen aus der Notwendigkeit, nicht anders sein zu können.“
Hintergrund der Forschung sind hier in jüngster Zeit die so genannten Spiegelneurone. Ganz verkürzt gesagt, handelt es sich dabei um Gefühlsregungen, die durch Gefühle des Gegenübers oder auch Bilder von Gefühlsregungen ausgelöst werden. Spiegelneuronen sind Nervenzellen, die im Gehirn während der Betrachtung eines Vorgangs die gleichen Potenziale auslösen, wie sie entstünden, wenn dieser Vorgang nicht bloß (passiv) betrachtet, sondern (aktiv) gestaltet würde. Bekanntester Effekt ist vielleicht das „ansteckende“ Gähnen.
Zurück geht dieses Phänomen, das im Sprachzentrum des Gehirns lokalisiert ist, und in der Wissenschaft heute auch mit der Entstehung der Sprache in Verbindung gebracht wird, auf die frühkindliche Prägungen. Kleinkinder entwickeln diese Gefühlsmuster, die dann später immer wieder aktiviert werden, indem sie die Außenwelt mittels der Gefühlsregung der Eltern interpretieren. Wenn die Kleinen aber niemanden haben, der ihnen die Welt interpretiert wir es problematisch. „Dann sind wir eventuell bei solchen emotionslosen Killertypen wie sie Alain Delon oft verkörpert hat“, erklärt Neurobiologe Huber. Das Herunterregeln von Gefühlen werde als eine Möglichkeit genutzt, damit umzugehen, dass man nicht weiß woran man ist. Immerhin sei das Problem in gewissem Maße therapierbar, so Huber.
Ob die Attitüde des Coolseins allerdings therapierbar ist, dürfte dahin gestellt sein. Für den japanischen Regisseur und Schauspieler Takeshi Kitano etwa wurde die extreme Affektkontrolle und überlegene Gelassenheit gepaart mit urplötzlichen Gewaltexzessen mittlerweile zum Markenzeichen. Interessant vielleicht, nach den Ursachen zu fragen. Aus armen Verhältnissen stammend hatte Kitano sich in Japan zum beliebten Komiker und Showmaster hochgearbeitet. Dann habe er aber zehn Jahre damit zugebracht, seinem Publikum zu beweisen, dass er nicht nur lustig sein kann, erklärte die Japanologin Judit Àrokay (Uni Heidelberg). Mit Erfolg, vor allem im europäischen Kino. Mag sein, dass viel an Kitanos Haltung nur Selbstinszenierung ist. Letztlich aber ist er einfach nur ein cooler Typ.
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