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Landeshauptstadt: „Da studieren, wo andere Urlaub machen“

Am Hochschulinformationstag schnupperten auch fünf Schüler aus Brandenburg (Havel) erste Uni-Luft

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Am Hochschulinformationstag schnupperten auch fünf Schüler aus Brandenburg (Havel) erste Uni-Luft Um zehn Uhr morgens scheint noch alles ganz übersichtlich zu sein. Die fünf Abiturienten aus der Stadt Brandenburg an der Havel stehen am Eingang des Auditorium Maximum der Universität Potsdam dicht beieinander. Alle halten sie das weiße Heft zum Hochschulinformationstag in der Hand, blättern vor und zurück, sprechen sich untereinander ab, wo man gemeinsam hingeht und wann man sich später wieder trifft. Das breit gefächerte Angebot aus Vorträgen, Infoständen, Führungen und Vorstellungen aller studentischen Einrichtungen scheint die ehemaligen Schüler des Bertolt-Brecht-Gymnasiums nicht zu beeindrucken. Zunächst stellt sich die Frage, wo die zentrale Eröffnungsveranstaltung statt findet. „Einfach der Masse hinterher“, schlägt die 19-jährige Janine Rudolph vor. Die gleichaltrigen Schulfreunde Juliane, Sebastian, Thomas und Adam folgen ihr schweigend. Biologie und Mathematik auf Lehramt will Janine studieren: „Bio, weil ich das als Leistungskurs hatte und Mathe macht mir einfach Spaß.“ Informiert über Studienbedingungen und Zulassungsbeschränkungen ist sie bereits: Durchs Arbeitsamt, den „Studienführer 2003“ und über das Internet. Aber die 19-Jährige hat es mit dem Studium noch nicht so eilig. „Wahrscheinlich arbeite ich erst mal für ein Jahr in Spanien“, erzählt sie. Zusammen mit ihrem Freund, Adam, wollten sie eigentlich nach England, um die Fremdsprachenkenntnisse zu intensivieren. Leider konnte die Vermittlungsagentur für „Sprach-Jobs“ dort nichts mehr anbieten, aber bei einer englischsprachigen Hotelkette im sonnigen Spanien könnte sie als Kellnerin arbeiten. „Nein, ich spreche kein Wort Spanisch“, sagt Janine, „Ich wollte ja eigentlich nach England.“ Eine erste Erfahrung, dass berufliche Ziele nur sehr schwer direkt zu verfolgen sind. Nur langsam, Schritt für Schritt, geht es den Treppenaufgang zum Auditorium hinauf. Auf der Geländerseite trippeln die zukünftigen Studenten nach oben und bekommen einen ersten Eindruck davon, was sie später in überfüllten Hörsälen und Seminarräumen erwarten könnte. An der Wandseite drängen sich die ersten wieder hinunter – sind die schon entmutigt? Im großen Vorlesungssaal des historischen Gebäudes sind fast alle rot gepolsterten Sitze besetzt und selbst an den Wänden haben sich die jungen Leute, stehend, aufgereiht. Nur die erste Sitz-Reihe bleibt zunächst frei – erst als die Brandenburger Brecht-Schüler dort Platz nehmen, rücken die anderen nach. Eine gewisse Ehrfurcht vor der Universität scheint vorhanden zu sein. Mit dünner Stimme und von einem Zettel ablesend trägt eine Professorin ihre Begrüßung vor. Dem Werbeslogan für Potsdamer Universitäten, „Da Studieren, wo andere Urlaub machen“, will sie nicht ganz zustimmen. Aber die brandenburgische Landeshauptstadt habe schon Vorteile: Sie biete viele Möglichkeiten, um „im Grünen zu lernen“ und „die Busverbindungen sind gut“, so dass die weit auseinander liegenden Institute schnell erreicht werden könnten. Potsdam wäre als Studienstandort schon ihr Favorit, meint Janine, die sich auch in Magdeburg und Hannover bewerben will. Die Kriterien der Schülerin sind allerdings andere als die der Professorin. Für Potsdam spricht in erster Linie, dass Adam hier studieren will, aber auch die Nähe zu Berlin und vor allem, welche Möglichkeiten es gibt, sich mit Jobs den Unterhalt zu verdienen. „Dass Potsdam ein schönes Umfeld bietet, ist ein guter Nebeneffekt“, sagt Janine später. Der Hochschulinformationstag soll den jungen Besuchern „ein realistisches Bild vom Studium geben“, kündigt die Professorin an, bevor sie konkreter wird: „Für das Wintersemester 2004/2005 bestehen in allen Fächern Zulassungsbeschränkungen.“ Die Professorin erklärt auch, warum der so genannte „Numerus Clausus“ (NC) notwendig ist: „Es nutzt keinem Studenten etwas, in überfüllten Seminaren auf dem Fußboden zu sitzen oder Vorlesungen nur vom Flur aus verfolgen zu können.“ Entmutigen aber will die Frau in dem braunen Kostüm die zukünftigen Studenten nicht: „Haben Sie keine Scheu vor einer Bewerbung“, appelliert sie – bis zum 15. Juli ist noch Zeit. Im Haus 9 erfährt Janine, dass der „Numerus Clausus“ für ihre Pläne eventuell zu einem Problem werden könnte. Die Holzbänke des Vorlesungssaales 1.05., in dem das Lehramtstudium an der Universität Potsdam vorgestellt wird, sind alle schon besetzt, die Längsseiten des Raumes ebenfalls. Die Brandenburger finden nur noch auf dem Fußboden des Mittelgangs Platz. Schüler, die an der Tür stehen, müssen auf eine spätere Veranstaltung mit dem selben Thema verwiesen werden. Ob die alten Gebäude auch auf eine veraltete Ausstattung schließen lassen, fragt sich Adam, der ebenfalls Lehrer werden will. Die Vortragende der Universität stellt die neuen Studiengänge vor. Allerdings ist noch nicht geklärt, welche Berufe man mit dem Bachelor eigentlich ergreifen könne und wie die Zugangsvoraussetzungen für den Masterabschluss aussehen könnten. Einen Wert für den NC kann sie auch nicht nennen, weil der sich daraus ergebe, wie viel Interessierte sich auf wie viele Studienplätze bewerben. Dass sich für das Fach Biologie ein Vielfaches an Bewerbern interessiert, wirkt auf Janine beunruhigend. „Vielleicht sollte ich doch eher Chemie nehmen“, rätselt die 19-Jährige, die nun auch überlegt, sich auf Grundschulpädagogik mit der Fächerkombination Mathematik, Physik und Sachkunde zu beschränken. Aber von dem Berufsziel, Lehrerin zu werden, will sie nicht abrücken. „Dass man Menschen verändern und prägen kann reizt mich“, sagt Janine, die von Freunden bestätigt bekam, sie könne gut erklären. Adam hat bereits mit Kindern im Kirchenkreis gearbeitet. Das schlechte Image der Lehrer sei „unberechtigt“, meint er. Ihre Ziele werden beide weiter verfolgen, sagen die Brandenburger, bevor sie zu den Informationsständen gehen. Die hier versammelte Menge an zukünftigen Studenten ist jetzt längst nicht mehr übersichtlich.

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