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Wer sind die Stars? Egal. Sie kommen, weil Christoph Fisser und Carl Woebcken (Mi. li. und re.) sowie die Kulissenbauer Dierk Grahlow und Michael Düwel (li. u.) ihnen die besten Bedingungen in Babelsberg verschaffen. Der Lohn für die harte Arbeit im Filmgeschäft sind Preise wie der Oscar für Stefan Ruzowitzky (Mitte) und neue Aufträge für die Babelsberger Filmstraße.

© Manfred Thomas

Von Sabine Schicketanz: Das Babelsberger Geheimnis

Die früheren UFA-Studios waren mausetot. Heute wird hier ein Oscar-Film nach dem anderen gedreht

Stand:

Wer eine Traumfabrik betreibt, ist wundersame Wünsche gewohnt. Dieser Mann wollte eine Straße haben. Genauer gesagt: Eine Straße auf dem Babelsberger Filmgelände sollte nach ihm benannt werden. Die Chefs überlegten. Noch vor wenigen Jahren hätte sich im Studio Babelsberg niemand getraut, einem Regisseur wie Quentin Tarantino einen Wunsch abzuschlagen. Schon gar nicht einen solchen, der ja einer Ehrerbietung gleicht. Doch die Zeiten sind andere: Tarantino, seit „Pulp Fiction“ Oscar-Preisträger und umworbener Hollywood-Filmemacher, ist jetzt in Babelsberg einer von vielen. Gerade dreht dort Roman Polanski, ebenfalls Oscar-Gewinner, vor ihm war Tom Cruise da, und natürlich Kate Winslet. Die Britin wurde jüngst für ihre Darstellung einer ehemaligen KZ-Wächterin in der herausragenden Babelsberg-Produktion „Der Vorleser“ mit dem Oscar ausgezeichnet.

So ergatterte Tarantino schließlich nur ein Babelsberger Straßenschild – das der „Georg-W.-Pabst-Straße“. Der seinerzeit umstrittene Regisseur Pabst, von Tarantino heiß verehrt, hatte 1927 in Babelsberg „Die Liebe der Jeanne Ney“ inszeniert. Seine Straße führt quer über das Studiogelände: Eine Erinnerung an den Ruhm vergangener Zeiten, an den Mythos von Babelsberg.

Der war alles, was geblieben war. Mausetot schien das älteste Filmstudio Europas, gegründet vor 96 Jahren, das erst die UFA, dann zu DDR-Zeiten die Defa beherbergte. Der französische Medienriese Vivendi, der Babelsberg 1992 von der Treuhand übernommen hatte, stellte am Ende das Filmemachen ein. Es war ein Verlustgeschäft, das sich die Franzosen nicht mehr leisten wollten oder konnten. So dämmerte in Potsdam ein Gelände, groß wie die Vatikanstadt, vor sich hin. Obwohl Vivendi 500 Millionen Euro investiert hatte, war das Studio fast nur Fernseh-Dienstleister, selten wurde noch ein Film gedreht – Seifenoper statt Spielfilm.

Dass ausgerechnet diese zwei rätselhaften Münchner, die bei ihrer ersten Pressekonferenz wie Konfirmanden im schwarzen Anzug vor die Journalisten traten, das Blatt wenden würden – das hatten die wenigsten geglaubt. Niemand eigentlich. Vor fünf Jahren haben Carl Woebcken und Christoph Fisser das Studio gekauft, genauer: genommen, für einen Euro. Um 14 brotlose Jahre zu beenden, zahlten die Franzosen den Käufern sogar noch 18 Millionen Euro. Gegen Woebcken und Fisser regte sich vehementer Widerstand. Der Babelsberger Betriebsrat protestierte bei Bundeskanzler Gerhard Schröder. Die zwei Münchner, so die fast einhellige Befürchtung, seien „allein an der Immobilie interessiert“. Damit werde die Filmgeschichte begraben. Und die noch 220 Arbeitsplätze, die von 2300 aus DDR-Zeiten geblieben waren, gleich mit.

Es kam anders. Babelsberg ist heute der Filmstandort Deutschlands. Hier ist die Oscar-Schmiede, hierher kommt Hollywood, nicht nach München, nicht nach Hamburg. Nirgendwo werden so viele internationale Spielfilme produziert, stehen so viele Weltstars vor der Kamera. Gerade verfilmte Tarantino seine „Inglourious Basterds“ mit Brad Pitt in Babelsberg, Polanski arbeitet beim Thriller „The Ghost“ mit Pierce Brosnan, Tom Tykwer engagierte für „The International“ Clive Owen und Naomi Watts, Dennis Quaid spielte in „Pandorum“ und Tom Cruise im umstrittenen Stauffenberg-Film „Valkyrie“ („Operation Walküre“). Im vergangenen Jahr gewann die Studio-Koproduktion „Die Fälscher“ des Österreichers Stefan Ruzowitzky den Oscar für den besten ausländischen Film.

Gold, Glanz und Glamour ermöglichen wirtschaftliche Höhenflüge: 2007 machte Studio Babelsberg sechs Millionen Euro Gewinn, erlebte das erfolgreichste Jahr seit dem Mauerfall. Im vergangenen Jahr waren es immerhin 3,6 Millionen Euro Gewinn, bei einem Umsatz von 65 Millionen Euro. Das Studio beschäftigt heute 90 fest angestellte Mitarbeiter, nur 90, um flexibel zu bleiben, aber regelmäßig werden bis zu 2000 Freiberufler für die Produktionen eingestellt. Mit Steuerkarte. Die weltweite Finanzkrise brachte nur einen kurzen Dämpfer. Die Aktie der mittlerweile börsennotierten Studio Babelsberg AG fiel, erholte sich wieder. Und mit Polanskis neuem Thriller „The Ghost“ wurde jetzt erstmals sogar den ganzen Winter durchgearbeitet – und verdient.

Münchner Zauberei? Nein, das Babelsberger Geheimnis ist eher eine Verbindung aus kluger, risikobewusster Unternehmensführung, höchsten Qualitätsansprüchen und einer maßgeschneiderten Förderpolitik. Bereits ein halbes Jahr nach ihrem Amtsantritt hatten Woebcken und Fisser das Studio an die Börse gebracht, sie verkauften den teuren Bereich der Postproduktion (Film-Nachbearbeitung), bauten 36 Arbeitsplätze bei den Kulissenbauern ab, stärkten aber die Unternehmenstochter „Studio Babelsberg Motion Pictures“, dessen Chef Henning Molfenter über beste Drähte nach Hollywood verfügt. In der US-Filmmetropole punktet Babelsberg seitdem mit seinem guten Ruf und dem 2007 vom Bund neu aufgelegten und bereits verlängerten Deutschen Filmförderfonds (DFFF). Es sind auch dessen Rabatte auf in Deutschland ausgegebene Produktions-Millionen, die Babelsberg so wettbewerbsfähig machen, gegenüber London, Prag, Sofia, Bukarest.

Davon profitieren das Studio, das Land Brandenburg und die Stadt Berlin. 60 bis 80 Millionen Euro bringt ein Hollywood- Film in die Region, sagt Studiochef Fisser. Ob Restaurants oder Handwerksbetriebe, von dem Geld bekommen viele etwas ab. Allein im Jahr 2007 habe das Studio 70 000 Hotelübernachtungen für die Filmcrews gebucht. Und der Staat bekommt über Babelsberger Steuern das Vielfache seiner Förderung zurück.

Der Erfolg lässt auch die Medienstadt in Potsdam wachsen. Der Rundfunk Berlin- Brandenburg (rbb), die Ufa, das ZDF und die Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) haben sich bereits vor Jahren rund um das Studio angesiedelt, nun kommen immer mehr Film-Unternehmen dazu. 150 mit rund 3500 Mitarbeitern sind es bereits. In diesen Tagen wird ein neues Medienzentrum mit 105 Büros für Gründer eröffnet, das Studio rettete außerdem die insolvente „German Film School“, holte sie aus dem brandenburgischen Elstal nach Potsdam. Jetzt werden die Animations-Profis gleich neben der Marlene-Dietrich-Halle ausgebildet. Da ahnt man, was aus Berlins stillgelegtem Flughafen Tempelhof hätte werden können: Die Babelsberger wollten Tempelhof als „Filmhafen“ entwickeln, wollten dort Hollywood-Filme drehen und weitere Medienfirmen ansiedeln. Warum der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) ohne Ausschreibung der weniger lukrativen Modemesse „Bread and Butter“ den Vorzug gab? Dass sie so nicht einmal die Möglichkeit bekamen, ein Angebot einzureichen, werden Woebcken und Fisser wohl nie verstehen.

Dabei waren in Hollywood die Drehs für Tempelhof quasi schon im Kasten: Die Babelsberg-Chefs haben 2008 zehn Millionen Dollar in eine „strategische Allianz“ mit dem renommierten Hollywood- Produzenten Joel Silver („Matrix“) investiert. Damit ist das Studio nicht nur bei insgesamt 15 Silver-Filmen Koproduzent, es streicht auch einen Teil der Einspiel-Gewinne ein – wie beispielsweise derzeit bei „RocknRolla“ von Madonnas Ex-Ehemann Guy Ritchie. Wichtiger noch: Innerhalb von fünf Jahren müssen Silver-Filme – das Millionenbudget ist geheim – in Babelsberg produziert werden. Damit habe man eine Garantie für die Auslastung des Studios und hole Geld in die Region, erklärt Fisser. Eine oder zwei weitere internationale Allianzen will Babelsberg schließen, parallel werden eigene Drehbücher entwickelt.

Wohin das führt? Jede Hollywood-Produktion macht das Kinofilmstudio Deutschlands noch besser, seine Kulissenbauer, Beleuchter, Ausstatter, Techniker professioneller. Selbst in den vermeintlich kleinen Dingen, die große Filme ausmachen. Da ist es wieder, das Babelsberger Geheimnis.

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