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Landeshauptstadt: Das Geheimnis der Herreshoffs

Amerikanische Yachtbauerdynastie auf den Spuren ihres Potsdamer Stammvaters

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Schon 1968 waren die US-Amerikaner Halsey und Nat Herreshoff III in der damaligen DDR unterwegs, um nach Spuren ihrer Vorfahren zu suchen. Sie hatten im Familienarchiv herausgefunden, dass Carl Friedrich Herreshoff 1783 aus Potsdam in die Neue Welt eingewandert war. In Bristol (US-Bundesstaat Rhode Island) gründete er eine Yachtwerft, die zur berühmtesten der Welt aufstieg. Vor allem Nathanael Greene Herreshoff (1848 -1938), „Zauberer von Bristol“ genannt, erntete mit seinen in Konstruktion und Design neuartigen Booten hohen Ruhm. Sechsmal gewannen sie zwischen 1893 und 1920 mit Nat als Skipper den legendären America`s Cup, 1930 und 1934 kamen weitere Siege hinzu. Zur Legende wurde die 1903 gebaute „Reliance“. Darüber kann sich der Segelenthusiast Herreshoff Marine Museum informieren.

Durch ihre bis 1996 fortgesetzten Deutschlandreisen konnten die Familienforscher einige ihrer Fragen klären, andere blieben bis heute unbeantwortet. Fest steht, dass Carl Friedrich Herreshoff sen. als hochgewachsener Mann in der Leibgarde Friedrichs des Großen diente. Er heiratete im westfälischen Minden, das seit 1648 zu Brandenburg-Preußen gehörte, die Bürgerstochter Agnes Mühler, die ihm am 27.Dezember 1763 einen Sohn, Carl Friedrich jun., schenkte. Schon drei Jahre später starb seine Ehefrau. Dies warf Herreshoff sen. aus der Bahn. Er wanderte nach Italien, wo er bald starb. Seinen Sohn hatte er zuvor einem Freund anvertraut, der laut Familienchronik als „author and professor off notes“ in unmittelbarer Nähe von Potsdam lebte. Dieser Professor hatte Kontakt zu König Friedrich II., der sich auch nach dem jungen Herreshoff erkundigt haben soll. Der Professor, dessen Namen die Familienchronik nicht überliefert, ließ ihn später im „Philantropinum“ erziehen, einer von Fürst Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau 1774 gegründeten Eliteschule. Als knapp 20-jähriger wanderte Carl Friedrich dann nach Amerika aus.

In den letzten Jahren haben die Herreshoffs Unterstützung durch Claus Reichardt erhalten. Der Vorsitzende des Potsdamer Yacht- und Schifffahrtsvereins „Royal Louise“ hatte die Familie bei einer Segeltörn in die USA kennengelernt und steht mit ihr im Briefwechsel. Doch auch Reichardt musste bei seinen umfangreichen Recherchen erkennen, dass die Spurensuche schwierig ist. Weder in den Archiven der Geburtsstadt Minden noch im Bundesarchiv Koblenz oder dem Stadtarchiv Potsdam taucht der Name Herreshoff auf. Ebenso ergebnislos blieben die Bemühungen privater Forschungsinstitute. Das Militärgeschichtliche Forschungsamt Potsdam teilte im Jahr 2000 mit, dass „der ältere Herreshoff durchaus bei den Langen Kerls des Alten Fritz gedient haben“ könne, deren Namen jedoch „ganz überwiegend nirgendwo verzeichnet“ seien. Nur über Offiziere gebe es Ranglisten. Diese Auskunft enthält zwei Unschärfen. Zum einen hatte König Friedrich II. bei seinem Regierungsantritt 1740 die kostspielige Truppe der Langen Kerls (Königsregiment Nr. 6) aufgelöst und einen Teil der Soldaten in die neu geschaffene Grenadier-Garde Nr. 6 eingegliedert. Zum anderen sind im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem inzwischen sechs in Abschriften erhaltene Rangierrollen des kompletten Königsregiments aus den Jahren 1726, 1734 und 1739 erschlossen und in einer Datenbank gespeichert worden. Diese Rollen wurden von Archivdirektor Prof. Jürgen Kloosterhuis für seinen Band „Legendäre Lange Kerls 1713 -1740“ ausgewertet, der Name Herreshoff taucht jedoch nicht auf.

Die dürftige Quellenlage lässt Raum für Spekulationen. Der Kapitän der „Royal Louise“ Lothar Voß, der sich ebenfalls auf Spurensuche begeben hat, fand im Nachlass des bereits 1793 wieder aufgelösten Philantropinums ein Schriftstück, das den Besuch Carl Friedrich Herreshoffs in der Dessauer Eliteschule belegt. Zudem weist er darauf hin, dass der Name in der Schreibweise Hershoff in Westfalen relativ häufig war. Andere Forscher leiten aus der Endung -off eine mögliche Herkunft von jenen Langen Kerls her, die Zar Peter der Große ab 1718 dem Soldatenkönig geschickt hatte. Dann könnte Herreshoff, anfänglich Herrschoff geschrieben, auf den in Russland verbreiteten Namen Jerschoff zurückgeführt werden.

Claus Reichardt geht es bei seinen Forschungen auch um ein Projekt, dass der Potsdamer Yacht- und Schifffahrtsverein in einem der erhaltenen Gebäude der Königlichen Matrosenstation „Kongsnaes“ verwirklichen möchte. Dort soll ein kleines Museum über das deutsche Sportsegeln entstehen, das in Potsdam und Berlin eine seiner Wurzeln hat. Dass die weltberühmte Yachtbauerdynastie der Herreshoffs hier ihren familiären Ursprung besitzt, wäre nicht zuletzt im Hinblick auf den Tourismus aus den USA eine besondere Attraktion der geplanten Ausstellung. Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein

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