Homepage: „Das ist eine Mogelpackung“
Der wissenschaftspolitische Sprecher der Brandenburger PDS-Fraktion, Peer Jürgens, über mehr Demokratie an den Hochschulen
Stand:
Herr Jürgens, Sie sind unzufrieden mit der Idee, den Brandenburger Hochschulen mehr Autonomie zu geben?
Was momentan unter stärkerer Autonomie der Hochschulen vom Wissenschaftsministerium verkauft wird, ist eine Mogelpackung. Zurzeit bedeutet mehr Autonomie der Hochschulen mehr Macht der Rektorate. Die PDS fordert aber mehr Autonomie bei gleichzeitiger Demokratisierung. Für uns gehören Demokratie und Autonomie eng zusammen. Ein Ziel wäre, die Senate der Hochschulen demokratischer zu gestalten. Eine paritätische Besetzung dieses Gremiums wäre wünschenswert. Zumal die Studierenden als größte Interessengruppe der Uni im Verhältnis unterrepräsentiert sind.
Wie könnte das aussehen?
Zurzeit sind an der Uni Potsdam beispielsweise bei elf Mitgliedern sechs Hochschulprofessoren, zwei Studierende, zwei akademische Mitarbeiter und eine Person aus der Verwaltung im Senat. Das heißt, dass die Professoren, wenn sie geschlossen einer Meinung sind, immer die absolute Mehrheit haben. Das sollte sich ändern, wir schlagen einen 12-er Senat vor, in dem jede Gruppe mit jeweils drei Stimmen vertreten ist. Dann könnten sich bei Entscheidungen zum Haushalt, einem Entwicklungsplan oder etwa bei der Rektorwahl Mehrheiten aus verschiedenen Konstellationen ergeben. Das Bundesverfassungsgericht schreibt nur für Entscheidungen die Forschung und Lehre direkt betreffen eine absolute Mehrheit der Professoren vor.
Gibt es für einen solchen Senat Vorbilder?
In Deutschland noch nicht, allerdings sind in einigen Bundesländern die Konzile von Hochschulen, die die Verfassung der Unis bestimmen, paritätisch besetzt. Gefordert wird ein paritätischer Senat unter anderem auch vom AStA der Uni Potsdam und der Hochschulgruppe der Jusos.
Damit wäre es getan?
Nein. Wir fordern auch, dass im Rektorat beziehungsweise Präsidium ein Studierender zwingend Mitglied ist. Die Fachhochschule Eberswalde hat mit ihrer studentischen Vizepräsidentin gute Erfahrungen gesammelt.
Was wären dabei die Aufgaben?
Derjenige sollte sich vor allem um Lehre und Studium kümmern, sollte ein Verbindungsglied zwischen der Studierendenschaft und dem Rektorat sein. Zurzeit gibt es nur sporadische Treffen zwischen AStA und Rektorat. Ein fester Vertreter der Studierenden würde einen anderen Blick in die Spitze der Uni bringen. Die Probleme der Studierenden sind nun einmal andere, als die der Professoren. Der paritätische Senat und der studentische Prorektor sind zwei Maßnahmen, die die Hochschule demokratischer machen würden.
Ihre Kritik an der Landesregierung?
Was die Regierung sagt – Autonomie der Hochschulen – passt nicht zu dem, was sie macht. Wir beobachten, dass das Wissenschaftsministerium ganz erheblich in die Arbeit der Hochschulen eingreift.
Zum Beispiel?
Laut Haushaltsentwurf für 2007 muss das Wissenschaftsministerium 83 Stellen in der Verwaltung einsparen. Nun gibt das Ministerium an die Uni Potsdam die Direktive, 46 Stellen zu streichen, bei der BTU Cottbus sollen es 37 Stellen sein. Andere Hochschulen sind dabei nicht betroffen. Bei einer solchen Direktive kann man nicht von Autonomie sprechen. Oder etwa die Idee der Uni Potsdam, der Gleichstellungsbeauftragten eine funktionsbezogene Sonderzahlung zu gewähren: wurde vom Ministerium abgelehnt. Da kommt ein Vorschlag aus der Uni heraus und wird einfach verboten. Oder der Globalhaushalt: Es heißt die Hochschulen bekommen ihr Geld und können darüber nach eigenen Bedarf verfügen. Dennoch müssen die Hochschulen alle drei Monate einen Bericht ans Ministerium abliefern, was sie mit dem Geld machen. Wenn sie Sachmittel in Personalmittel umwidmen möchten, muss dies beim Ministerium extra beantragt werden. Hier werden die Hochschulen doch hinterrücks an der kurzen Leine gehalten.
Wieso spricht man dann überhaupt von Autonomie?
Das ist in der Wissenschaftspolitik Deutschlands momentan einfach in Mode. Alle Bundesländer setzen auf mehr Autonomie der Unis. Wenn es aber so läuft wie in Brandenburg, wird es schlimmer als vorher. Die Gängelung geschieht nun verdeckt zwischen den Referatsleitern und den Hochschulen, die Abgeordneten zum Beispiel haben keinen Einblick mehr, was läuft.
Sie versuchen auch zu verhindern, dass die Hochschulen wie geplant 2008 in den Brandenburgischen Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen (BLB) überführt werden. Warum?
Die Hochschulen müssten dann als Mieter für alle Verrichtungen und Umbauten beim BLB anfragen. Im Extremfall würde der Landesbetrieb beispielsweise darüber entscheiden, ob eine Vorlesung oder die Hauptversammlung von BMW in den Räumen einer Hochschule stattfindet. Das wäre eine absolute Katastrophe, solche Entscheidungen müssen bei den Hochschulen selbst bleiben. Der BLB ist auch nicht darauf ausgerichtet, technisch so hochsensible Einrichtung wie etwa Hochschullabors zu verwalten. Dafür haben die Hochschulen eigenes, speziell geschultes Personal. Wissenschaftsministerin Johanna Wanka hat sich gegen die Aufnahme der Hochschulen in den BLB ausgesprochen, bislang konnte sie sich aber nicht durchsetzen.
Was halten Sie von dem Eklat um die Wahl des Präsidenten der Brandenburgisch Technischen Universität Cottbus (BTU)?
Das war ein massiver Eingriff in die Autonomie einer Hochschule. Die BTU hatte sich für den Potsdamer Physiker Prof. Jürgen Kurths entschieden. Dass in den folgenden Verhandlungen das Wissenschaftsministerium so mit dem erfolgreichen Kandidaten umgegangen ist, ist nicht haltbar.
Schon im Vorfeld war eine Wahl daran gescheitert, dass der Landeshochschulrat nur einen Kandidaten vorgeschlagen hatte, den die BTU nicht wollte.
Die Rolle des Landeshochschulrates ist in diesem Punkt sehr heikel. Das Gremium ist an sich eine sinnvolle Institution. Doch, dass der Rat, dessen Mitglieder von der Ministerin berufen wurden, die Kandidaten für die Rektorwahlen der Hochschulen vorschlagen, liegt einfach nicht in seinem Ermessen. Das Gremium sollte eher eine beratende Funktion haben. Zudem müsste seine politische Verankerung gestärkt werden. Das fordert auch der Vorsitzende des Landeshochschulrates selbst. Besetzt werden müsste der Rat durch den Landtag, nicht durch die Ministerin. Sonst können hier Abhängigkeiten entstehen.
Das Gespräch führte Jan Kixmüller
Peer Jürgens (26) ist hochschul-, und wissenschaftspolitischer Sprecher der Landtagsfraktion der PDS. Er studiert Politikwissenschaft und Jüdische Studien an der Universität Potsdam.
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