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Werkeln, bauen, spielen können die Kinder im Hort Sonnenland mit ihrem Erzieher Thomas Kellner. In der Werkstatt fertigen Grundschüler unter seiner Aufsicht gerade Holzhocker. Auf dem Hof hat Kellner mit den Kindern eine Hütte aus Baumstämmen gebaut. Männer, sagen die Kolleginnen von Kellner, erziehen anders als Frauen.

© Manfred Thomas

Von Erik Wenk: Das ist Männersache

Erzieher sind immer noch in der Minderheit – doch es geht auch anders, wie Thomas Kellner zeigt

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Noch ist es relativ ruhig im Potsdamer Hort „Sonnenland“: Rund 150 Kinder der Schulklassen 1 bis 6 werden hier täglich betreut, die meisten kommen aber erst um 12 Uhr zum Mittagessen. Erzieher Thomas Kellner geht gut gelaunt durch den hellen, orange gestrichenen Flur der Einrichtung und zeigt die „Funktionsräume“, in denen sich die Kinder nach dem Mittag aufhalten können: „Hier im Erdgeschoss ist die Werkstatt, ein Tischtennis- und Billardraum und ein Bauraum mit Lego und ähnlichem.“ Oben gebe es noch einen Turnraum, einen Spielraum, einen Tanz- und Theaterraum und Hausaufgabenräume, einer auch mit Computerkabinett.

Auf dem Hof hat Kellner vor einiger Zeit zusammen mit den Kindern eine kleine Hütte aus Baumstämmen gebaut, momentan arbeiten einige der Grundschüler unter seiner Betreuung in der Werkstatt an Holzhockern. Nicht nur Kinder dürften sich hier wohl fühlen, auch dem 48-jährigen Erzieher mit dem kurzen Bart merkt man an, dass ihm sein Arbeitsplatz gefällt.

Als Mann in einem Hort, einer Kindertagesstätte ist er jedoch nach wie vor in der Minderheit: Nur 2,4 Prozent der Erzieher in Brandenburg sind männlich, der Bundesdurchschnitt liegt bei 3,4 Prozent. „Als ich vor fünf Jahren in diesem Hort angefangen habe, war ich tatsächlich der einzige Mann hier“, erinnert sich Kellner. Das ist heute anders: Fünf der zehn Mitarbeiter im Hort sind männlich. Damit dürfte die Einrichtung jedoch eher die löbliche Ausnahme sein, denn nach wie vor fehlt es in Kitas und Horten nicht nur generell an Personal, sondern auch an einem ausgewogeneren Geschlechterverhältnis.

Die vom brandenburgischen Jugendministerium initiierte „Tätigkeitsbegleitende Qualifizierung zum Erzieher für den Bereich der Kindertagesbetreuung im Land Brandenburg“ will hier gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die 2009 begonnene Maßnahme ermöglicht es Seiteneinsteigern, leichter in den Erzieherberuf zu kommen. Dies ist vor allem für Männer interessant, die eigentlich aus einem handwerklichen Beruf kommen, dort aber schwer Arbeit finden: Am 1. September überreichte Brandenburgs Jugendminister Holger Rupprecht (SPD) 19 Männern, die unter anderem gelernte Dachdecker, Fliesenleger, Köche, Gerüstbauer oder Elektriker waren, ihre Zertifikate als Kita-Erzieher. In einer zweijährigen Qualifizierung mit 1200 Unterrichtsstunden und 2100 Stunden praktischer Tätigkeit wurden die Teilnehmer zu Erziehern für die Kindertagesbetreuung qualifiziert.

Die 31-jährige Annett Michaelis, ebenfalls Erzieherin im Hort „Sonnenland“, kennt das Problem des Männer-Mangels zur Genüge: „Es gibt viele Kinder, die allein von ihrer Mutter erzogen werden, dann werden sie in den Kitas vor allem von Frauen betreut, und in den Grundschulen ist es das Gleiche.“ Dabei bräuchten Kinder in der Erziehung unbedingt auch eine männliche Bezugsperson. Thomas Kellner, der selbst zwei Töchter hat, kann diesen Eindruck bestätigen: „Für viele, die ihren Vater selten oder nie sehen, ist es schon was besonderes, hier im Hort auch mal einen Mann zu haben, der ganz anders mit ihnen umgeht und der auch von der Stimme her ganz anders ist.“

Auch für Rupprecht sind männliche Erzieher definitiv ein Gewinn für die Kinder: „Männliche Erzieher sind für die Entwicklung und Identitätsbildung von Mädchen und Jungen ebenso wichtig wie Erzieherinnen.“ Darüber hinaus seien männliche Fachkräfte wichtig, weil im Kitaalltag jungentypische Interessen und Bedürfnisse wie die Begeisterung für Technik oder auch das Austesten körperlicher Grenzen manchmal zu kurz kämen. Es sei einfach etwas anderes, wenn ein Mann mit Jungen in der Werkstatt arbeitet oder Fußball spielt, als wenn eine Frau das machen würde, meint auch Michaelis. Männer würden Probleme meist etwas direkter angehen, während Frauen eher ruhiger und mit emotionalerer Sprache arbeiten würden. „Ich finde gut, dass es hier so gemischt ist. Dadurch haben die Kinder auch selbst mehr Auswahl“, meint Michaelis.

Auch Kellner, der früher unter anderem Tischler gelernt, dann aber die normale Erzieher-Ausbildung gemacht hat, kann die Seiteneinsteiger-Maßnahme nur begrüßen: „Es ist immer besser, wenn man etwas Praxis- und Lebenserfahrung mitbringt. Das kommt den Kindern auch zugute. Ein Erzieher, der direkt von der Schule kommt, dem fehlt einfach etwas. Aber ganz wichtig ist, dass die Einstellung für den Beruf da ist.“ Nur aus der Not heraus Erzieher zu werden, weil gerade keine Arbeit da ist, kann Kellner nicht empfehlen, sofern man sich nicht wirklich auf den Beruf einlässt.

Dazu gehört auch der Lärmpegel, der von Männern wie Frauen gleich empfunden wird: „Wenn ich nach Hause komme, brauche ich erst mal eine Stunde absolute Ruhe. Man muss auch im Hort immer wieder innerlich runterfahren, wenn man pro Tag mit hundert Fragen überschüttet wird“, sagt Kellner. Dennoch sieht man ihm an, wie sehr ihn seine Arbeit erfüllt, und der Zuspruch ist auf jeden Fall da: „Vorbehalte von Eltern oder Mitarbeitern gegen mich als Mann gab es überhaupt nicht, im Gegenteil, das Feedback war immer sehr positiv“, sagt Kellner. Vielleicht wird es in Zukunft mehr Männer geben, die diesen ebenso herausfordernden wie spannenden Beruf für sich entdecken – und zwar deutschlandweit: Das Bundesfamilienministerium hält die Seiteneinsteiger-Maßnahme auch auf andere Bundesländer für übertragbar und lobte Brandenburg als beispielgebendes Modell.

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