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Landeshauptstadt: „Das Paradies liegt vor der Tür“

Heinz Buri: Für Berlin-Touristen sollte Besuch in Sanssouci selbstverständlich werden

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Herr Buri, als Marketing-Direktor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten stehen Sie vor dem Problem, dass sich die Besucherzahlen nach dem Rückgang von 2,35 Millionen im Jahr 2001 auf 2,1 Millionen nur langsam erholen. Wie wollen Sie dieses Problem angehen?

Mit den Schlössern und Gärten des Welterbes bieten wir ein außerordentlich schönes Produkt an. Nach dem ersten halben Jahr meiner spannenden neuen Tätigkeit mit einem engagierten Team sehe ich einige Potenziale, die Besucherzahlen zu steigern. So sollte für jeden Berlin- Touristen ein Besuch in Sanssouci zum Standard gehören. Wer Sanssouci nicht gesehen hat, der hat Berlin nicht gesehen. Unter dem Motto ’Das Paradies liegt vor der Tür’ als Arbeitstitel wollen wir in der Hauptstadt als wichtigstem touristischen Quellmarkt eine Imagekampagne für die Stiftung in Angriff nehmen. Dort soll man über unsere Angebote regelrecht stolpern. Wir sind einerseits Wettbewerber für Berlin, gleichzeitig aber auch Partner, da wir gemeinsam die Nachfrage nach oben bringen.

Also sieht der Berlin-Tourist jetzt überall Plakate, die auf Sanssouci hinweisen.

In Berlin hat die Plakatwerbung bereits den Overkill erreicht, dazu müssen wir nicht beitragen. Wir wollen uns auf mobile Werbeträger konzentrieren, so etwa Linien- und Stadtrundfahrtbusse.

Wie Sie selbst sagen, kann der angestrebte Besucherzuwachs nicht allein aus der Region Berlin-Brandenburg gesichert werden, dafür spielt der Gruppentourismus von weiter her und aus dem Ausland eine entscheidende Rolle. Gerade er geht aber zurück; diese Tendenz dürfte sich mit der Finanzkrise verstärken.

Da bin ich vorsichtig. Wir haben gerade im ersten Quartal im Gruppentourismus sogar einen leichten Anstieg. Folgen der Finanzkrise werden sich zeitverzögert bemerkbar machen. Aus Spanien haben wir sogar einen erheblichen Zuwachs, da günstigere Flugverbindungen eingerichtet worden sind. Um den Gruppentourismus auf einem guten Niveau zu halten, wirken wir in einem Netzwerk mit der Reiseindustrie, der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT), dem Berliner und dem Brandenburger Tourismus-Marketing, dem Verein der 33 deutschen Unesco-Welterbestätten zusammen. Allein die DZT verbreitet auch unsere Angebote weltweit in 20 Sprachen. Wir selbst haben vor wenigen Tagen unsere neuen Erlebnisführungen durch Gestalten der preußischen Geschichte vorgestellt. Wir haben unser neues Premiumprodukt ’Ein Tag in Sanssouci’ präsentiert, bei dem Gruppen den ganzen Tag über von solch einer historischen Figur rundum betreut und mit allen Leistungen versorgt werden.

Ist denn der Gruppentourismus mit im Voraus festgezurrtem Programm überhaupt noch gefragt?

Der domestizierte Tourismus, wie es im Marketingdeutsch etwas respektlos heißt, behält seinen Platz. Andererseits wächst die Zahl der vagabundierenden Touristen, auch Easyjet-Kunden genannt. Diese kurzfristig entschlossenen Direktbucher nehmen nicht die Angebote von Reisevermittlern in Anspruch, sondern stellen sich mit Ausnahme des Flugs und allenfalls noch der Übernachtung ihr Programm erst am Zielort selbst zusammen. Darauf müssen wir uns einstellen. So planen wir für 2010 die Einführung eines Internet-Ticketings, wo der Tourist bereits am Ausgangsort oder auch bei der Ankunft kulturelle Angebote, Öffnungszeiten, Eintrittspreise aufrufen und Leistungen buchen kann. Dazu zählen sogenannte Zeitfenster-Tickets, für die er noch freie Termine, beispielsweise für das stark frequentierte Schloss Sanssouci, reservieren oder auf andere Schlösser ausweichen kann. Dafür sollen entsprechende Möglichkeiten auch in Touristinformationen, auf dem Berliner Hauptbahnhof, auf Flughäfen geschaffen werden. Insgesamt hoffen wir, bis 2012 auf jährlich 2,8 Millionen Besucher zu kommen. Das bedeutet noch viel Arbeit, und die Rahmenbedingungen dürfen sich nicht verschlechtern.

Allein damit werden Sie aber die Eigeneinnahmen, die 2008 bei 14 Millionen Euro lagen, nicht wie vorgesehen jährlich um eine Million Euro aufstocken können. Ist deshalb eine weitere Erhöhung der Eintrittspreise vorgesehen?

Aktuell nicht. Wir möchten mehr aus dem freiwilligen Parkeintritt einnehmen, indem wir ihn durch einen Parkplan und Beratung als Dienstleistung und nicht so sehr als Spende präsentieren. Die vor allem für Potsdamer gedachte Jahreskarte gewährt nun auch freien Eintritt für die fünf Aussichtstürme der Stiftung. Einige Verschiebungen gibt es bei besonders hochwertigen Angeboten. So kostet die Familienkarte für die Schlösser ohne Sanssouci 19 Euro, mit Sanssouci 49 Euro.

Kinderfreundlich hört sich das nicht an.

Sie könnten sich die Frage stellen, ob zur Einführung von Kindern in die Welt der Potsdamer Schlösser und Gärten Sanssouci der richtige Ort ist. Außerdem ist das nach wie vor, zum Beispiel verglichen mit dem Eintritt für ein Fußballspiel von Hertha BSC, ein Niedrigpreisangebot.

Welche Rolle spielt bei den Angeboten der Stiftung inzwischen die Marktforschung?

Aufbauend auf Befragungen in den Vorjahren, intensivieren wir diese Forschung. Der Köder soll ja nicht dem Angler schmecken, sondern dem Fisch. Wir beteiligen uns an dem Ende 2008 in Berlin gestarteten dreijährigen Monitoringprojekt Kulmon. Dabei werden alle zwei Monate jeweils 400 Besucher Berliner Kulturstätten, darunter Schloss Charlottenburg, umfassend befragt. Wichtige Kriterien sind die Herkunft der Gäste, Informations- und Vertriebswege, aber auch die Kundenzufriedenheit. Die Daten werden umgehend auf einen Zentralrechner übertragen und bilden Entwicklungstendenzen und Trends im Kulturtourismus zeitnah ab. Auch ein Vergleich der einzelnen Anbieter wird dadurch möglich.

Welche Steigerung der Einnahmen ist durch Vermietungen von Schlossräumen und Freiflächen an Großunternehmen möglich? Im Vorjahr hat ja das Firmenfest von Rewe-Tourismus auf der Mopke am Neuen Palais Kritik ausgelöst.

Von Casino im Schlosspark Glienicke bis zum Orangerieschloss in Sanssouci bietet die Stiftung, auch im Internet, schon seit Jahren Räumlichkeiten für solche Zwecke an. Die Einnahmen, so ein knapp sechsstelliger Betrag bei dem Rewe-Termin, können beträchtlich sein. Wir brauchen sie – nicht um reich zu werden, sondern um Mittel für den Auftrag der Stiftung zu gewinnen, der in der Erhaltung und Vermittlung der Welterbestätten besteht. Außerdem hat Rewe als einer der größten Touristikkonzerne auf der Mopke kein Firmenfest veranstaltet, sondern Reisebüros und Reisebüroketten aus ganz Europa den Saisonkatalog vorgestellt. Damit hatten wir über 3000 Multiplikatoren aus der Reiseindustrie kostenfrei vor der Haustür. Dafür bezahlen andere Millionen. Im Bereich der Vermietungen gibt es in den Stiftungsanlagen noch viele Potenziale. Deshalb werden wir auf diesem Gebiet vom bloßen passiven Angebot zu einer offensiven Werbung und Akquisition übergehen.

Wird damit auch die Einrichtung von Ferienwohnungen in Sanssouci wieder aktuell?

Nein, das ist zu kleinteilig, das rechnet sich nicht. Von den denkmalpflegerischen Auflagen über die Herrichtung und den logistischen Betrieb der Wohnungen bis hin zur Haftpflicht und anderen rechtlichen Fragen wäre der Aufwand viel zu hoch.

Wie wir hören, will die Stiftung die Zahl der kleineren Veranstaltungen reduzieren.

Das trifft zu. Wenn bei manchen wenig nachgefragten Veranstaltungen ein Verlust von 50 Euro je Besucher verbucht werden muss, dann haben wir etwas falsch gemacht. Die Marketingabteilung hat einen wirtschaftlichen Auftrag und muss Aufwand und Ertrag auf den Prüfstand stellen. In unseren Monatsflyern werden wir künftig etwas ausführlicher auf wichtige Veranstaltungen eingehen und ansonsten auf das im Internet abrufbare Gesamtprogramm verweisen.

Obwohl in Potsdam die Besucherzahlen rückläufig sind, werden die größeren Veranstaltungen, so die Hauptausstellungen, zunehmend auf Berlin konzentriert.

Berlin besitzt die besseren räumlichen Möglichkeiten, das größere Besucherpotenzial und damit die besseren Chancen zur Refinanzierung durch Erlöse. Zudem entwickelt eine große Ausstellung in Berlin einen höheren Werbeeffekt auch für die Schlösser in Potsdam, als wenn sie dort gezeigt würde. Ich darf allerdings darauf hinweisen, dass eines der größten, wenn nicht das größte Ausstellungsprojekt der Stiftung zum 300. Geburtstag Friedrichs des Großen 2012 im und am Neuen Palais stattfinden wird.

Bis 2012 entstehen an der Historischen Mühle und am Neuen Palais neue Besucherzentren, die bis hin zu computerbestückten Vortragsräumen hochmodern eingerichtet werden sollen.

Diese Zentren müssen aus meiner Sicht eine Portalfunktion haben und die Touristen mit hoher Qualität auf den Besuch der Welterbestätten einstimmen. Dazu gehören die Information über die Angebote, die Ticketbuchung für alle Schlösser, Museumsshop, Espressobar, auch eine Leseecke. PC-bestückte Vortragsräume zähle ich nicht dazu. Wir wollen die Besucher, die beruflich und in der Freizeit täglich stundenlang vor der Kiste, sprich Computer sitzen, ja nicht wieder vor die Kiste setzen, sondern sie die Schönheit der Schlösser und Gärten erleben lassen.

Die Fragen stellte Erhart Hohenstein

Dr. Heinz Buri (54) ist seit August 2008 Marketing-Direktor der Schlösserstiftung. Der Schweizer war zuvor mehr als 14 Jahre Kulturbeauftragter der Berlin Tourismus Marketing GmbH.

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