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Etwas HELLA: Das schont die trägen Seelen

Ja, mach nur einen Plan, sei nur ein großes Licht, und mach dann noch ’nen zweiten Plan, geh’n tun sie beide nicht. Zu DDR-Zeiten haben wir bei all den Zwei-, Fünf- und was weiß ich noch für Jahresplänen gern Brecht zitiert.

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Ja, mach nur einen Plan, sei nur ein großes Licht, und mach dann noch ’nen zweiten Plan, geh’n tun sie beide nicht. Zu DDR-Zeiten haben wir bei all den Zwei-, Fünf- und was weiß ich noch für Jahresplänen gern Brecht zitiert. Dem konnte keiner was und recht hatte er alle mal. Wie es aber meist bei Klassikern so ist, ihre „Rechthaberei“ trifft nicht nur für die eigene Zeit zu, auch unsere heutigen Planer und -innen lassen ihr großes Licht hell leuchten. Die Stadtbibliothek wird zum Beispiel erheblich später fertig, weil sich Stadt und Land nicht über die Abrisskosten des Verbinders einigen können. Das Potsdam-Museum sollte eröffnet werden, um es dann nach der ersten großen Friedrich-Ausstellung gleich wieder zu schließen. Von all den geplanten Plänen, die in ganz weite Ferne rücken wie der Ausbau des Stadtkanals ganz zu schweigen.

Verteidigen muss ich allerdings, dass sich der Ausbau der Schnellverbindungen via Schiene zum Großflughafen Berlin-Schönefeld verspätet. Wie konnten Deutsche Bahn oder die Landesregierung auch nur ahnen, dass es außer den Leuten, die von Zuhause mit dem Privatjet zum Flughafen düsen und dort nur von ihrem Flieger in den nächsten umsteigen, und den mit dem Auto Anreisenden auch noch Außenseiter und Unbelehrbare gibt, die unbedingt öffentliche Verkehrsmittel benutzen wollen? Schließlich wurden Straßen ausgebaut und großzügig fast kostenfreie Parkplätze angelegt, sodass selbst bei einer mehrwöchigen Urlaubsreise das Parken nicht teurer wird als der Urlaub selbst. Bei Letzterem könnte mir allerdings auch ein Irrtum unterlaufen sein.

Wer also mit der S-Bahn zum Airport kommt, hat trotzdem keinen Grund sich zu beschweren. Immer gute Weile mit der Eile, sagt die Bahn. Jeder Psychologe weiß, dass mehrmaliges Umsteigen und Halt an jedem Kleckerbahnhof hilft, die träge Seele dem Körper auch bei den heutigen Geschwindigkeiten hinterhereilen zu lassen. Wer im Stundentakt im Flieger Zeitzonen überspringt, Länder und Landschaften nur errät, muss einfach die Chance haben, in aller Ruhe zu eben diesem Flieger hinzukommen. Sollte man sich immer noch gejagt fühlen, wenn man vom Hauptbahnhof Potsdam in mehr als einer Stunde Schönefeld erreicht, dann ist Rettung in Form von Zugverspätungen, -ausfällen, kaputten Triebwagen und kranken Zugführern in Sicht. Ich sehe da viele Möglichkeiten.

Für die Schnellverbindung ab Griebnitzsee-Schönefeld gibt es erst mal aber nur eine: Sie wird verspätet fertig, frühestens 2014. Es fehlt – wer konnte das voraussehen – ein zweiter Bahnsteig. Und dass der Bahnhof Pirschheide für eine Schnellverbindung via Flughafen gebraucht würde, war überhaupt nicht abzusehen. Erst eine ausgerechnet auch noch vom Land in Auftrag gegebene Studie legte die verwirrende Meinung dar, dass die halbe Landbevölkerung südwestlich von Potsdam diesen Bahnhof nutzen würde, um nach Berlin und nach Schönefeld zu kommen. Deshalb hat die Landesregierung für die Wiederbelebung des Bahnhofes Pirschheide nicht nur keinen Plan, sondern auch kein Geld. Die gestressten Seelen der Reisenden, die mit dem modernen Tempo nicht mitkommen, werden es ihr danken.

An dieser Stelle schreibt alle zwei Wochen Hella Dittfeld über Dinge, die sie erfreuten oder ärgerten und hofft, dass dadurch Potsdam etwas heller wird.

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