HEYES Woche: DDR – was ist das?
Uwe-Karsten Heye fordert zur Auseinandersetzung auf
Stand:
Das Wissen über 45 Jahre deutsche Teilung tendiert bei 80 Prozent der Potsdamer Schüler gegen Null. Das gleiche gilt für die Wirklichkeit des Staates hinter der großen Mauer. Sie paart sich mit wachsender Demokratiemüdigkeit, die sich an der Wahlabstinenz vieler Bürger in Ostdeutschland ablesen lässt. 750 Schüler aus Frankfurt/Oder, Neuruppin und Potsdam wurden in einer Studie der Freien Universität Berlin befragt. Sie haben ein Bild von der DDR, das nicht erkennen lässt, warum das Regime vor fast 20 Jahren mit dieser Leidenschaft abgeschüttelt wurde. Ganz offenkundig können Schüler im Unterricht über die Wirklichkeit im Arbeiter- und Bauernstaat nichts lernen. Es ist nicht ohne Komik, wenn ein Drittel der Schüler Brandenburgs vermuten, Konrad Adenauer habe die DDR regiert. Und die, die mit dem Namen Egon Krenz etwas anfangen können, machen ihn gern schon mal zum Bundeskanzler der BRD. Dass 67 Prozent der Potsdamer Schüler nicht wissen, wann die Mauer gebaut wurde, kann man ihnen nachsehen – doch sollten sie wenigstens wissen, dass noch vor gar nicht langer Zeit das Land von einer Mauer geteilt wurde, die im Arbeiter- und Bauernstaat als „antifaschistischer Schutzwall“ verherrlicht wurde. Angesichts eines aggressiven Rechtsextremismus auch in Brandenburg scheint der Schutzwall allerdings löchrig wie ein Schweizer Käse gewesen zu sein. Denn neue oder alte Nazis gab es aus der Sicht der SED ohnehin nur in der BRD. Was lässt sich sonst ablesen am Ergebnis der Studie, außer dass die Schüler in Frankfurt oder in Neuruppin offenbar mit weniger Unkenntnis gesegnet sind? Es scheint in Teilen der Potsdamer Lehrerschaft ein nicht geringes Maß an Unlust zu geben, sich in die gesellschaftliche Gegenwart der vereinten Bundesrepublik einzufinden. Und: Ist es Zufall, dass die Schüler ein besonders nostalgisches DDR-Bild pflegen, die nach eigenen Angaben der NPD oder der Linken nahe stehen? Man kann über die Gespräche am Abendbrottisch in deren Elternhäusern nur spekulieren, wenn es zum Beispiel um die Stasi-Wirklichkeit der DDR geht. Das Leben der anderen, die bespitzelt und verfolgt wurden, lässt sich im Kino trefflich nacherleben. Sagen, was ist und kein Blatt vor den Mund nehmen müssen, welch ein demokratischer Fortschritt – wenn man denn will.
Uwe-Karsten Heye schreibt an dieser Stelle regelmäßig für die PNN. Unser Autor war Redenschreiber bei Willy Brandt und Regierungssprecher von Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder. Heute lebt Heye mit seiner Familie in Babelsberg und arbeitet dort als Autor und Publizist.
Uwe-Karsten Heye
- Brandenburg
- DDR
- Freie Universität Berlin
- Friedrich Merz
- Hochschulen
- Kino
- Schule
- Schule und Kita in Potsdam
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: