Sport: Dem Spott zum Trotz
Arsenal trifft mitten in einer Minikrise auf die Bayern. So schnell sollte man das Team aber nicht abschreiben
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Letztes Jahr hat sich Arsenal in der Münchner Arena die Saison gerettet. Vor dem 2:0-Sieg gegen den FC Bayern war Arsenal Fünfter in der Premier League und hatte gerade gegen den Rivalen aus Tottenham verloren. Trotz des Siegs im Achtelfinal-Rückspiel schied Arsenal aus, doch nach dem Bayern-Spiel stürmte die Mannschaft von Arsene Wenger zu acht Siegen in den letzten zehn Ligaspielen. Am letzten Spieltag schaffte sie es knapp, sich zum 16. Mal in Folge für die Champions League zu qualifizieren. Noch vor Erzfeind Tottenham.
Dieses Jahr hoffen die „Gunners“, dass die zwei Champions-League-Begegnungen gegen die Bayern (Hinspiel 20.45 Uhr live im ZDF), abgesehen vom endgültigen Ergebnis, mal wieder eine Trotzreaktion hervorbringen.
Diese Saison ist zwar viel besser gelaufen als die Letzte – und dazu viel besser, als Arsenals Kritiker zugeben wollen – aber seit kurzem sind die alten Sorgen wieder da. An 18 der bisherigen 26 Premier-League-Spieltage war Arsenal Tabellenführer. Immer wieder hat die Mannschaft mehr erreicht, als man ihr zutraute. Wenn sie aber doch einmal verlor, taten die Niederlagen zumeist sehr weh: 3:6 gegen Manchester City, 1:5 gegen Liverpool. Zudem gab es nur einen Punkt aus zwei Spielen gegen den alten Rivalen Manchester United.
Die Mini-Krise der letzten Spiele und der Verlust der Tabellenführung haben unter denen, die Arsenal schon vor Monaten abschreiben wollten, eine kaum zu verbergende Freude ausgelöst. José Mourinho war letzte Woche der schnellste und schärfste Kritiker, als er Arsene Wenger als „Spezialist im Versagen“ beschrieb, und spottete über die fast neun titellosen Jahre der Nordlondoner. „Wenn ich bei Chelsea so lange keinen Titel gewinnen könnte, würde ich den Klub verlassen“, sagte der Portugiese.
Wenger beurteilte die Aussage als „peinlich nur für Chelsea“, und der schlaue, alte Franzose wird wohl wissen, dass solche Beschimpfungen als Komplimente zu nehmen sind. Mourinho spottet nur, wenn er einen Gegner ernst nimmt. Arsenals Titellosigkeit ist gerade deswegen immer wieder ein Thema, weil sie seit dem letzten Titel 2005 immer oben mitgespielt haben. Liverpool hingegen hat auch nur einen Ligapokal seit 2005 gewonnen. Deren temporäres Verschwinden in die Bedeutungslosigkeit macht sie wohl aber uninteressanter als Arsenal.
Trotz allen Mythen, Übertreibungen und Beschimpfungen darf man aber nicht leugnen, dass Arsenal noch psychologische Probleme hat. Die Hilflosigkeit in den großen Spielen ist der Grund dafür, dass niemand in England der Mannschaft auch nur die kleinste Chance gegen Bayern einräumt. Das liegt auch an Mesut Özil. Der hatte in der Liga zuerst einen großen Einfluss auf das Selbstvertrauen der Mannschaft. Nach einigen schwachen Auftritten gilt er mittlerweile aber als Versager in Topspielen. Dann stehen Özil und seine Mitspieler immer unter Druck. In diesem Sinne kommt die Partie gegen Bayern genau zum richtigen Zeitpunkt. Eigentlich geht es gegen den Deutschen Meister nicht um das blanke Ergebnis wie gegen Chelsea oder Manchester City. Hält Arsenal gegen Bayern gut mit, könnte das der Mannschaft psychologisch schon helfen. So war es vor zwölf Monaten gegen Bayern, als die Gunners bis auf das Rückspiel chancenlos waren. So war es auch vor 24 Monaten, als sie im Achtelfinalhinspiel mit 0:4 vom AC Mailand gedemütigt wurden, und trotzdem mit 3:0 im Rückspiel gewannen. Auch damals inspirierte dieses Fast-Comeback einen Aufschwung in der Liga.
Falls es sich dieses Jahr ähnlich zuträgt, wäre Arsenal viel besser platziert als in den letzten Jahren. Auch nach dem 1:5 in Liverpool und dem 0:0 gegen Manchester United steht das Team auf dem zweiten Platz, mit nur einem Punkt Rückstand auf Chelsea.
Arsenal wird im Rückspiel am 11. März wohl ausscheiden. Die Schlagzeile am Tag danach wird wohl wie immer von einem verpassten Titel sprechen. Aber während der zwei Spiele könnte es sein, dass die Londoner mit den Bayern mithalten können. Im heutigen Spiel kann Alex Oxlade-Chamberlain Bayerns geschwächten linke Flügel dominieren, wenn Arsenal clever kontert. Stürmer Olivier Giroud hat dazu vor einem Jahr gezeigt, dass er die Lücken in der Innenverteidigung der Münchner finden kann.
Kurz gesagt: Wenn Arsenal wie in den letzten zwei Achtelfinals der Champions League mindestens das Gesicht wahren kann, kann auch eine Niederlage mal wieder die Saison auf den richtigen Weg bringen. Und dann hätte Wenger schon die Chance, den ersten Titel seit neun Jahren zu gewinnen. Und seine Kritiker endlich zum Schweigen zu bringen.
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