
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Den Rahmen abgesteckt
Der neue Uni-Präsident Oliver Günther hielt eine Neujahrsansprache von erheblicher Tragweite
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Babelsberg – Es war ein reiches Jahr, und trotzdem auch ein ganz armes. Was hat die Universität Potsdam im vergangenen Jahr nicht alles eingespielt, neben einer Humboldt-Professur mal eben noch 3500 neue Studierende, 3035 Absolventen (!), 272 Doktoranden, über 40 Millionen Euro Drittmittel und 772 neue akademische Arbeitsplätze. „Das ist unser Beitrag zur Beschäftigungspolitik des Landes Brandenburg“, sagte zum Neujahrsempfang am Mittwoch Thomas Grünewald, der 2011 die Amtsgeschäfte von Brandenburg größter Uni übergangsweise führte. Doch arm war dieses gute Jahr doch auch – schließlich begannen 2011 die Kürzungen des Landes bei den Hochschulen, Kürzungen die Studienplätze und Forschungserfolge kosten werden dürften.
Da blieb Wissenschaftsministerin Sabine Kunst nur noch, sich zu wünschen, wie weiland Friedrich II. ihr eigener Finanzminister sein zu können. Und zu beteuern, dass die Hochschule, die sie selbst bis Anfang 2011 geführt hatte, das unverzichtbare Herzstück in Brandenburgs Hochschullandschaft ist und bleibt. Es werde ein schwieriger Weg. „Aber wir sitzen in einem Boot“, sagte sie den Mitgliedern ihrer ehemaligen Wirkungsstätte nicht ohne Rührung. „Ich vermisse sie wirklich“, brach es aus ihr heraus.
Für die Universität war dieser Neujahrsempfang nach dem Weggang von Kunst vor einem Jahr nun ein Aufbruch zu neuen Ufern. Dass der riesige Hörsaal im Neubau am Campus Griebnitzsee bis auf den letzten Platz gefüllt war, lag weniger daran, dass die beiden vormaligen Präsidenten 2011 noch einmal Revue passieren ließen, als vielmehr daran, dass der im September gewählte Berliner Wirtschaftsinformatiker Oliver Günther in sein Amt als neuer Uni-Präsident eingeführt wurde.
Die Amtskette auf der Brust legte er sich dann auch gleich für seine neue Aufgabe ins Zeug. Mit lauter, gefasster Stimme hielt er eine Rede, die man durchaus als Grundsatzrede verstehen konnte, geschickt aufgebaut mit viel Inhalt und Gehalt. Günther steckte den Rahmen ab, in dem sich die Uni in den nächsten Jahren bewegen wird. Ein Bekenntnis zu Humboldt schickte er vorweg: Forschung und Lehre zum Wohle der Gesellschaft, allerdings mit der Einschränkung, dies als modifizierte Interpretation vor verändertem Hintergrund zu meinen. Gesellschaftliche Verantwortung hörte man öfter aus seinen Worten – und das scheint ihm auch ernst. Keine ökonomischen Zugangsschwellen für das Studium forderte er: „Richtig konditioniert tragen Hochschulen nicht zur weiteren Spreizung zwischen Arm und Reich bei, ganz im Gegenteil.“ Kaum eine Einrichtung erlaube es Menschen aus sozial benachteiligten Hintergründen so schnell, den Sprung nach oben zu schaffen wie die Hochschulen. Und, das weiß er als Wirtschaftswissenschaftler, die Studierenden würden sich später als Arbeitskräfte in Steuermitteln für das Land auszahlen.
Umso unverständlicher für ihn die Landeskürzungen bei den Hochschulen. Doch bei der Landesregierung sei man seinen Einwürfen mit Skepsis begegnet. Und da Günther die Zukunft Brandenburgs nicht als Schlösserlandschaft mit Wölfen und Bären sieht, kündigte er gleich fürs neu angebrochene Jahr an, aus „innerer Überzeugung“ weiter Opposition gegen die Kürzungen zu machen. Was ihm den prompten Beifall des vollen Hauses einbrachte. Er habe immer Glück im Leben gehabt, sagt er zum Abschluss. Und so hoffe er auch in Bezug auf die Uni weiterhin auf Fortune.
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