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Blick in die Zukunft. Vinton Cerf hat vor über 30 Jahren zusammen mit Robert Kahn den Grundstein für das Internet gelegt. Heute weiß der 67-jährige Plattner-Fellow bereits, was das Netz morgen schon können wird.

© Andreas Klaer

Homepage: „Den Stummen eine Stimme geben“

Internet-Erfinder Vinton G. Cerf erzählt, wie das Web anfing, was daraus wurde und was morgen kommt

Stand:

Herr Cerf, Sie haben in den 70er Jahren zusammen mit Robert Kahn das TCP/IP-Protokoll entwickelt. Haben Sie es jemals bereut, damit den Grundstein für das Internet gelegt zu haben?

Nein, niemals. Etwas, das so großen Erfolg hat, kann man schwer bereuen. Es gibt ein paar Dinge, die ich mir anders gewünscht hätte, etwa von Anfang an mehr Sicherheitsschranken einzubauen. Ich würde mir auch wünschen, dass das Netzwerk nicht missbraucht würde, es wird betrogen, es wird Spam verschickt und Server werden attackiert. Trotz all dieser Dinge hat das Netz aber so vielen Menschen mittlerweile genützt, es hat denen eine Stimme gegeben, die sonst stumm geblieben wäre, es hat Szenen sichtbar gemacht, die sonst nicht zu sehen waren. Und schließlich sammelt das WorldWideWeb eine enorme Menge an Informationen.

Macht das Internet die Kommunikation der Menschen nicht oberflächlicher?

Ihre Frage erinnert mich an eine Anmerkung von Henry Kissinger. Er hat mir vor einiger Zeit bei einem Abendessen gesagt, dass er unglücklich darüber sei, dass viele Menschen mit ein, zwei Textabsätzen zufrieden sind, wenn sie etwas recherchieren. Kissinger schreibt sehr dicke Bücher und er möchte, dass sie gelesen werden, in aller Tiefe. Ich würde hingegen sagen, dass die Menschen ohne Internet erst gar nicht nach bestimmten Informationen gesucht hätten. Schließlich wird dadurch erst ein Anfang gemacht. Und wir können die Menschen dann zu tiefgreifenderen Quellen führen.

Die Sprache verändert sich aber im Internet, es gibt mehr Verkürzungen.

Twitter, Facebook oder andere Soziale Netzwerke könnten so etwas wie eine leichtgewichtige Kommunikation bedingen. Ich sehe das aber nicht so kritisch. Denn das Netzwerk beschränkt uns nicht auf eine oberflächliche Kommunikation. Es kann auch ein Werkzeug für sehr viel tieferen Austausch sein. Wenn man etwas schreiben will, kann man das im Internet, wenn man etwas in einem Film zum Ausdruck bringen will, dann kann man auch das machen. Ich stimme Ihnen aber zu, dass wir die Menschen dazu ermuntern sollten, so vollständig wie möglich zu kommunizieren.

Hatten Sie in den Kindertagen des Netzes erwartet, das es eine so enorme Entwicklung nehmen würde?

Nein, wir waren davon ausgegangen, dass vier Milliarden Internetadressen ausreichen würden. Die sind in diesem Jahr aber aufgebraucht worden. In den 1970er Jahren dachten wir, das alles sei ein Experiment. Dafür hätten die vier Milliarden Adressen reichen müssen. Das Problem war dann aber, dass das Experiment kein Ende mehr nahm.

Wie fühlt es sich an, etwas geschaffen zu haben, das die Welt verändert hat?

Nach gut 40 Jahren weiß ich, dass dies alles nur durch die Millionen Menschen möglich wurde, die dahinter stehen. Bei Google trage ich den Titel „Chief Internet Evangelist“ (zu deutsch Prediger, d. Red.), es geht um die Popularisierung des Internets. Dabei ist uns klar geworden, dass man diese Sache nicht größer machen kann, wenn dies nicht viele, viele Menschen wollen würden. Es ist nicht die Arbeit von zwei, drei Menschen, sondern von Millionen. Wenn wir uns als „Väter“ des Internets etwas anrechnen könnten, dann dass Robert Kahn und ich damals die Idee für viele Menschen so attraktiv gemacht haben, dass diese darauf das Ganze in Bewegung brachten.

Was war Ihre größte Überraschung im Zusammenhang mit dem Internet?

Das war, als Mitte der 1990er Jahre die WorldWideWeb-Applikation gestartet wurde. Da gab es plötzlich eine riesige Informationslawine, die von einzelnen Menschen eingebracht wurde, die einfach nur ihre Informationen mit anderen teilen wollten. Sie wollten dafür auch nicht bezahlt werden. Es gab ihnen eine Befriedigung, dass etwas, das sie wussten, für jemand anderen nützlich sein konnte. Diese Informationsflut wiederum machte dann die Suchmaschinen nötig. Und so zeigte sich, wie viel die Menschheit miteinander teilen will. Das Internet hat erwiesen, dass Kreativität nicht in irgendwelchen Ecken versteckt ist, sondern über die ganze Welt verteilt ist.

Wie sehen Sie die Zukunft des Internets?

Die Zukunft ist immer schwer vorauszusagen. Aber wir können einige Trends erkennen. Zum einen sind das das mobile Internet und Sensor-Netzwerke, über die beispielsweise der Zustand einer Wohnung von außen überprüft werden kann. Das dritte ist das „Internet der Dinge“, also die Verknüpfung von physischen Objekten mit einer virtuellen Repräsentation im Internet. Die Zahl der internetfähigen Geräte wird demnächst in die Millionen gehen. Eine große Überraschung war für mich beispielsweise auch die Glühbirne mit IP-Adresse.

Eine Glühbirne?

Wenn etwas eine Internetadresse hat, kann man es auch über das Netz ansteuern, und sei es eine simple Glühlampe, die man per Handy ein- oder ausschalten kann. Das eröffnet Möglichkeiten für Dritte, die Serviceleistungen anbieten, Systeme für Sicherheit im Haushalt oder Umwelt-Monitoring beispielsweise. Das ergibt mehr Möglichkeiten für Erfindungen, für Produkte und Service. Das ist eine gute Sache.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

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