SCHÖNBOHM meint: Der 2. Oktober vor 20 Jahren

Am 2. Oktober vor 20 Jahren flog ich von Marxwalde – heute Neuhardenberg – mit einem NVA-Hubschrauber nach Strausberg, um am 3. Oktober die NVA der – von der Bevölkerung abgeschafften DDR – zu übernehmen. Unmittelbar danach kam ich zum ersten Mal nach Potsdam, das – obwohl Bezirkshauptstadt – auf mich einen grauen, farblosen Eindruck machte. Heute ist Potsdam wieder Landeshauptstadt des Landes Brandenburg. 41 Jahre lang war das Land in Bezirke aufgeteilt gewesen und zentralistisch regiert worden. Dadurch wurden regionale Identitäten zerstört. Auch die Brandenburg-Hymne wurde nicht mehr gesungen. Heute ist sie in Melodie und Text fester Bestandteil jeder festlichen Veranstaltung.

Eine andere Atmosphäre durchzieht Potsdam und das Land Brandenburg. Das Zentrum der Stadt, das Holländische Viertel, die Parks und Alleen mit ihren klassischen und denkmalsgerecht wiederhergestellten Villen erfreuen unsere Sinne. Die Bürger haben ihre Stadt wieder in Besitz genommen. Touristen bewundern die Geschichte ebenso wie die Ansicht des Ortes und lauschen interessiert den Erläuterungen der Reiseführer. Potsdam hatte eine Vergangenheit schon VOR der DDR-Zeit, die jetzt wieder sichtbar geworden ist und zu der man sich bekennt. Nicht mehr das vormalige Sperrgebiet, der Mauerstreifen in Babelsberg oder am Cecilienhof interessieren, auch nicht der Streit um den seit 20 Jahren funktionslosen Mauerweg, der unter dem Vorwand des Bestandsrechts erhalten bleiben soll.

Potsdam strahlt etwas aus, das Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zusammen fasst und zuversichtlich stimmt: Leben.

Unser Autor Jörg Schönbohm ist ehemaliger Innenminister des Landes Brandenburg, Senator in Berlin, General a.D. der Bundeswehr und Ehrenvorsitzender der CDU Brandenburg. Er lebt in Kleinmachnow.