Paddeln in Potsdam: Der Balance-Akt kommt in Mode
Paddeln auf einem Surfbrett ist bislang ein Szenetrend. Jetzt wollen es auch Kanuvereine anbieten.
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Potsdam - Der Trend ist nicht neu, und er erreicht zunehmend ein breiteres Publikum: Beim Stand up paddling, kurz SUP, steht man auf einem aufblasbaren Surfbrett und paddelt. Auf Flüssen, auf Seen, bei Wettkämpfen. Fast gleichzeitig setzen der Kanuverband Brandenburg, Kanu- und Surfvereine sowie kommerzielle Anbieter auf das Paddeln im Stehen. „Im Kanu sind die Deutschen zwar erfolgreich, aber es interessiert keinen mehr“, sagt Thomas Ganse provokant. Ganse ist Vizepräsident beim Landes-Kanuverband Brandenburg und kennt sich aus. „Wir haben seit Längerem mit fehlendem Interesse an den Kanu-Wettbewerben zu kämpfen.“
Jetzt wollen Kanu-Vereine in Deutschland das Stand up paddling in ihr Portfolio aufnehmen. In den USA zählt SUP bereits seit 2008 zu den am stärksten expandierenden Wassersportarten. Auch in Europa zeigt sich seit einiger Zeit ein wachsender Boom dieser neuen Freizeitbeschäftigung. Dabei nehmen besonders Österreich und Ungarn eine Vorreiterrolle ein.
„Deutschland schläft diesbezüglich noch ein bisschen“, sagt Tilo Grahl vom Surf & Sailshop in Werder. „Wir liegen circa zwei Jahre hinterher.“ Grahl hat die aufblasbaren Bretter bereits seit drei Jahren in seinem Sortiment und ist selbst begeisterter Paddler. Für diesen Sommer erwartet der 53-Jährige den großen Durchbruch des Stand Up Paddlings auf den Potsdamer Gewässern. In Werder werden Kurse angeboten und Bretter vermietet. Ein Komplettset mit Board, Paddel, Pumpe und Packsack gibt es bereits ab 600 Euro zu kaufen.
„Gerade die jungen Leute stehen doch auf Trendsportarten“, meint auch Kanuspezialist Ganse. Mit Stand Up Paddling könne man ein cooles Lebensgefühl vermitteln, Spaß haben und immer wieder neue Dinge ausprobieren. „Auch bei uns in den stillen Gewässern kann man damit spannende Wettkämpfe entwickeln“, sagt Ganse, der ein echter SUP-Fan ist. Er und seine beiden Söhne sind seit vergangenem Jahr auf dem Zwei-Meter-Brett unterwegs. „Da heißt es dann nicht nur geradeauszufahren, wie beim Kanurennsport. Man kann auf dem Brett richtig Spaß haben.“ Eine Wettkampfstrecke über 400 Meter mit spitzen Kurven wäre denkbar. Oder auch ein Massenstartrennen über einen Dreieckskurs. „In den Kurven kommt es zu Rempeleien, vielleicht fliegt auch mal einer ins Wasser, muss wieder aufs Brett steigen und den anderen hinterher paddeln.“
Noch steht Stand Up Paddeln in Deutschland am Anfang seiner Entwicklung. Doch eine kleine Szene hat sich bereits herausgebildet. So wurden im vergangenen Sommer in Köln und Düsseldorf die ersten SUP-Cups veranstaltet. In diesem Jahr könnte auch in Potsdam ein nationaler Wettbewerb stattfinden. „In der Havelbucht wäre solch ein Event denkbar“, sagt Ganse. Die umliegenden Strandbars würden den perfekten Rahmen dafür bilden. „Beim SUP zählt schließlich nicht nur der sportliche Wettbewerb. Drumherum bildet sich meist ein großes Event mit Musik und chilliger Atmosphäre“, berichtet Ganse, der im vergangenen Sommer mit seinem 17 Jahre alten Sohn Paul beim Düsseldorf-Cup war und die lockere Stimmung miterleben konnte.
Ebenso könne Ganse sich SUP-Einlagen bei Kanuregatten vorstellen, „um die Leute wieder ans Wasser zu locken“. Ein erster Versuch wurde bereits im vergangenen Jahr beim Potsdamer Kanalsprint gestartet. SUP kann dabei auch ein Auffangbecken für die Sportler sein, für die sich im klassischen, seit 1936 olympischen Kanusport nicht die großen Erfolge einstellen. „Wir wollen dem Kanurennsport nicht den Nachwuchs wegnehmen - im Gegenteil. An einem bestimmten Punkt merken die jungen Sportler, ob sie im Kajak oder Canadier erfolgreich sein können oder nicht. Wer dann nicht weiterkommt, hört meistens auf“, erklärt Ganse. „Und genau diesen Jugendlichen wollen wir mit Stand Up Paddling eine weitere Perspektive in den Vereinen bieten.“ Bei den Wassersportfreunden Pirschheide, wo Ganse Mitglied ist, wurde SUP inzwischen in die Trainingseinheiten integriert. Beim offiziellen Anpaddeln des Kanu-Landesverbandes am 6. April in Potsdam soll SUP Teil des Programms sein.
Beim Kanuclub Potsdam sieht man eine Nachfrage nach SUP derzeit nicht. Geschäftsführer Sven Lehnert verweist darauf, dass sich der KC Potsdam dem Leistungssport verschrieben habe. Er selbst hat es noch nicht ausprobiert. „Es soll sehr anstrengend sein. Ein extremer Balanceakt.“ Neben den Kanuten haben auch die Windsurfer den Sport für sich entdeckt. Beim Windsurfverein Werder wurden bereits im vergangenen Jahr SUP-Wettbewerbe veranstaltet. 20 Paddler gingen dort an den Start. Als offizielles Angebot hat der Verein den Trendsport zwar nicht im Programm. Aber auf der letzten Mitgliederversammlung wurde bereits darüber diskutiert.
Nicht nur bei Wettbewerben lässt sich die gestiegene Popularität messen, auch auf Fachmessen nehme die Zahl der Stände zu, sagt Steven Bredow. Bredow, ehemals Kanute, bietet als Inhaber der Potsdamer Firma Arkadier Events auch Kurse im SUP an. Er habe erst im vergangenen Jahr damit angefangen – und habe da bereits 100 Buchungen verzeichnet. Auch Bredow will in dem Bereich expandieren und einen kleinen Shop eröffnen.
Doch nicht nur für junge Leute oder als trendige Wettkampfdisziplin ist Stand Up Paddling eine Möglichkeit, sich sportlich zu betätigen. Als gesundes Ganzkörpertraining ist SUP für jedermann geeignet. Vom intensiven Training der gesamten Körpermuskulatur, der Schulung des Gleichgewichtsinns bis hin zur Entspannung bei Genusstouren in der Natur bietet das Sportgerät eine große Vielfalt.
Luisa Müller, Ingmar Höfgen
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