Von Sabine Schicketanz: Der Geist in Gstaad
„The Ghost Writer“ hat heute Premiere im Berlinale-Wettbewerb – ohne Regisseur Polanski
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Babelsberg / Berlin - Roman Polanskis letzter Auftritt in Babelsberg gleicht einer Filmszene. Der Morgen dämmert langsam über den Studios, drinnen arbeitet die Crew die Nacht durch. Vor der Kamera Schauspieler Ewan McGregor, ein langer Take, dann spricht Roman Polanski: „I think, that’s it“ – Ich denke, das war’s. Das Team applaudiert dem Chef, spontan. Dann gehen die Türen auf, Polanski tritt ins fahle Morgenlicht und entschwindet in einer schwarzen Limousine.
Dass der Regisseur nicht zurückkehren würde, nicht einmal jetzt zur Berlinale, hat Henning Molfenter in diesen Stunden im vergangenen Frühsommer nicht geahnt. Viele Wochen hatte der Geschäftsführer von Studio Babelsberg Motion Pictures während des Drehs zu „The Ghost Writer“ als Ausführender Produzent mit Polanski verbracht. „Er ist der beste Regisseur, mit dem ich je gearbeitet habe“, sagt Molfenter.
Heute wird „The Ghost Writer“, gedreht in den Babelsberger Studios, in Berlin, auf Sylt und Usedom und in Dänemark, zum ersten Mal der Weltöffentlichkeit gezeigt. Der Politthriller hat Premiere beim Internationalen Filmfestival in Berlin, läuft dort als erste Babelsberg-Produktion seit langem im Wettbewerb um den Goldenen Bären.
Regisseur Polanski wird heute bei der Vorführung nicht dabei sein. Am 26. September ist er auf dem Flughafen Zürich verhaftet worden, auf dem Weg zu einem Filmfestival. Grundlage war ein 30 Jahre alter Haftbefehl. Polanski soll 1977 eine 13-Jährige mit Drogen gefügig gemacht und dann Sex mit ihr gehabt haben. Einen Tag vor der Urteilsverkündung 1978 reiste der Regisseur nach Europa aus. Mehr als zwei Monate verbrachte Polanski im vergangenen Herbst in einem Schweizer Gefängnis. Seit dem 4. Dezember 2009 steht er – gegen Kaution – in seinem Chalet im schweizerischen Gstaad unter Hausarrest. Die Schweiz will ihn in die USA ausliefern, wo ihn ein Prozess erwartet.
Nie hätte man während des Dreh von „The Ghost Writer“ an ein solches Szenario gedacht, sagt Henning Molfenter. Wenn auch der Thriller nach dem Bestseller von Robert Harris erstaunliche Parallelen zu Polanskis eigener Situation aufweist. Es geht um einen ehemaligen britischen Premierminister, gespielt von Ex-Bond-Darsteller Pierce Brosnan, der seine Memoiren an einen Verlag verkauft hat. Ein Ghostwriter (Ewan McGregor) wird beauftragt, reist zum Feriendomizil des Ex-Premiers auf die US-Insel Martha’s Vineyard. Der Politiker gerät wegen seiner Vergangenheit ins Visier des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, kann die USA nicht verlassen.
So verschränkten sich Drehbuch und Realität zu einer Aufgabe für Filmproduzent Molfenter und sein Babelsberger Team: Für den 40 Millionen Euro teuren Film „The Ghost Writer“, der vor allem in den USA und Großbritannien spielt, wurden Schauplätze in Deutschland gebraucht. Ein „langwieriger, aber spannender Prozess“ sei die Suche, eben „die Kunst des Produzierens“, sagt Molfenter. Mit den Ansprüchen des Regisseurs kennt er sich aus – vor zehn Jahren arbeitet Molfenter in Babelsberg mit Roman Polanski am oscarprämierten Holocaust-Drama „Der Pianist“.
Für „The Ghost Writer“ drehte die Crew im vergangenen Frühjahr vor allem auf Sylt. Kulissenbauer stellten auf kilometerlangen Strecken dutzendweise typisch amerikanische Telegrafenmasten auf, die Fähre ins dänische Römö war Drehort, auf Usedom wurde das Feriendomizil des Ex-Premiers errichtet. Allein das Wetter spielte nicht mit. Das Drehbuch verlangte Regen, über Sylt schien tagelang die Sonne. Statt der Crew frei zu geben, erinnert sich Molfenter, habe man spontan ein Flugzeug gechartert und sei nach Römö geflogen. Dort stimmte das Wetter. „Wir hatten eine wunderbare Regennacht.“
Wird die Crew heute, zur Premiere des Films, eine Botschaft nach Gstaad senden? Es gebe „nichts Kollektives“, sagt Molfenter. Viele aus dem Filmteam stünden mit dem Regisseur in Kontakt. Er selbst schreibe E-Mails in die Schweiz, pflege ein „freundschaftliches, sehr gutes Verhältnis“ zu Polanski. Nach der Verhaftung hatte Molfenter seine Teilnahme am Züricher Filmfestival aus Protest abgesagt. „Das Verfahren der Schweiz hat mich schockiert“, sagt er. „Alles andere kann ich nicht beurteilen, das müssen Gerichte bewerten.“
Polanski, schrieb der „Spiegel“, arbeite in Gstaad an einem neuen Film. Er adaptiere das Theaterdrama „Der Gott des Gemetzels“. Henning Molfenter weiß von dem neuen Film. „Ich hoffe, er macht ihn bald bei uns in Babelsberg“, sagt er.
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