Homepage: Der Haushalt bleibt liegen
Die studentischen Uni-Politiker streiten sich seit Wochen über die Köpfe ihrer wenigen Wähler hinweg um die Macht
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Die Frustration bei Björn Ruberg ist hörbar. „Heute gibt es keinen neuen AStA“, murrt der bisherige und wohl auch kommende AStA-Referent für Ökologie und Verkehr und setzt sich missmutig auf eine Treppenstufe in die Nähe seiner Fraktionskollegen der Grün-Alternativen Liste (GAL). Es ist Dienstag, kurz vor 22 Uhr im Uni-Gebäude am Neuen Palais, ein trister Hörsaal, Sondersitzung des Studentenparlaments (StuPa). Gerade hat sich Hannes Ortmann von den Jungsozialisten (Jusos) als kommender AStA-Referent für Kommunikation und Vernetzung den Studenten vorgestellt – und muss nun dutzende Fragen der links im Hörsaal sitzenden Offenen Linken Liste (OLL) und der Grün-Überparteilichen Liste (GÜL) beantworten, wie er sein künftiges Amt im AStA ausfüllen möchte. Die Zeit vergeht.
Die studentische Selbstverwaltung der Universität Potsdam steckt in der Krise: Seit rund drei Wochen kann sich das im Sommer von den Uni-Studenten (Wahlbeteiligung 7,8 Prozent) gewählte 27-köpfige StuPa – sozusagen der Bundestag der Studenten – nicht darauf verständigen, einen neuen Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) zu wählen: das Exekutiv-Gremium, das die Interessen der 17 000 Studis gegenüber Stadt, Land und Uni vertreten soll.
Die Schuld für den Dauerstreit schieben sich im StuPa zwei Lager gegenseitig zu. Denn vor knapp einem Monat kündigten die sechs GAL-Grünen den neun OLL-Linken die Koalition. Mit OLL und GÜL sei keine gemeinsame Politik mehr möglich gewesen, sagen die GAL-Vertreter; die insgesamt elf Angegriffenen sprechen dagegen von gezielten Absprachen, um sie zu entmachten. Beweise für ihre Versionen hat bislang keine der Parteien vorgelegt. Die GAL-Leute scharten die meisten anderen Fraktionen hinter sich. Allerdings scheiterte bei der ersten StuPa-Sondersitzung vor einer Woche ein konstruktives Misstrauensvotum für den amtierenden AStA an einer Stimme, die vergessen wurde abzugeben. Nun sollen nächsten Dienstag auf der nunmehr dritten StuPa-Sondersitzung alle neuen Referenten für den AStA im Block in ihre Ämter gewählt werden (PNN berichteten).
Doch die voraussichtliche Neuwahl wird das Klima gegenseitigen Misstrauens unter den Studenten-Politikern wohl nicht beseitigen. Szenen: Gegen 22.20 Uhr muss sich der bisherige Verkehrsreferent Ruberg wie alle künftigen AStA-Referenten dem StuPa vorstellen. Nur die OLL- und GÜL-Vertreter stellen Fragen. „Wie stellst du dir deine Arbeit vor?“ Ruberg antwortet: Die Verhandlungen mit den Berliner Verkehrsbetrieben über den Preis des nächsten Semestertickets seien ein wichtiges Thema der nächsten Zeit, ebenso die freie Fahrt für Fahrradfahrer durch den Park Sanssouci. Das reicht OLL und GÜL nicht, sie möchten auch zu Rubergs Bereich Ökologie ein Konzept. „Was willst du inhaltlich erreichen, welche eigenen Impulse setzt du?“, fragt Lina Weiß für die GÜL mehrmals. Ruberg verliert die Geduld und sagt, dass er schon geantwortet habe. Die Zeit vergeht. Als die Sitzung gegen 23 Uhr ohne Ergebnis abgebrochen wird, stellen die streitenden Blöcke wieder die Schuldfrage. Erregung. „Stellt nicht immer die gleichen Fragen“, herrscht ein Juso-Vertreter die OLL an. Ein Ruf aus dem OLL-Lager zurück: „Wir würden dies nicht tun, wenn ihr auf unsere Fragen konkret antworteten könntet und euch vorbereitet hättet.“ Und so weiter.
Einer der sich an dem Abend eher zurückhält ist Tobias Dornisch (GAL). Er soll den künftigen AStA als Referent für Hochschulpolitik führen, auch im amtierenden AStA bekleidete er das Amt. Glücklich scheint er nicht: „Es bleibt viel Arbeit liegen.“ Wenn der neue AStA gewählt ist, möchte er zunächst das Vertrauen bei den Studierenden zurück gewinnen: So sollen wieder regelmäßige Bürozeiten für die Beratung von Studenten gelten und liegen gebliebene Anträge für die Sozialtickets bearbeitet werden.
Doch der Streit zwischen dem Block der OLL und der GAL dürfte auch nach der AStA-Neuwahl weiter schwelen. Heftige Vorwürfe richten sich gegen den Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS), ein Koalitionspartner der GAL. „Wenn Clas Hasslinger vom RCDS fordert, dass ausländische Studenten,die in ihrem Heimatland Studiengebühren zahlen, in Deutschland auch zahlen sollen, sich aber in der Koalition gegen Gebühren für Deutsche ausspricht, ist das eine klare Benachteiligung aufgrund der Herkunft – auch Rassismus genannt“, sagt Tamás Blénessy von der OLL. Dornisch hält dagegen. „Ich werde nicht hinnehmen, dass Mitglieder des kommenden AStAs so beschimpft werden.“
So sind sich die beiden Blöcke nur in einer Frage einig: Der 370 000 Euro-Haushalt für die inhaltliche Arbeit des AStAs muss in den nächsten beiden Wochen im StuPa beschlossen werden – sonst droht der Eingriff durch die Uni-Leitung. „Deswegen müssen wir diesen Beschluss schnellstens hinbekommen“, sagt Blénessy. Und Dornisch: „Kein Haushalt wäre eine politische Katastrophe für die studentische Selbstverwaltung – da würden wir nutzlos erscheinen.“
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