zum Hauptinhalt
Bald nur noch im Verein tätig. Inselgärtner Jörg Näthe geht im April in den Vorruhestand und hinterlässt seinem Nachfolger einen aufgeräumten Arbeitsplatz.

© Manfred Thomas

Porträt des Inselgärtners: Der Kümmerer packt ein

Inselgärtner Jörg Näthe pflanzt noch schnell Tausende Frühblüher, bevor er in den Ruhestand geht.

Stand:

Diplomingenieur für Gartenbau – so wollte sich Jörg Näthe nie genannt oder verstanden wissen. „Ich bin von Beruf Gärtner, Inselgärtner, so hieß ich zwar nie offiziell, aber ich denke, die Bezeichnung gefällt auch dem lieben Gott ganz gut“.

Es braucht nicht viel mehr Worte, um diesen Mann in seinem Grundwesen zu beschreiben. Jörg Näthe, 59 Jahre alt, verheiratet, zwei Söhne, ein mit sich zufriedener Mensch, sitzt in seinem Büro und versucht sich im Abschiednehmen. „Ich weiß gar nicht, wohin mit all den Bildern, Skulpturen und Geschenken, zu Hause ist schon alles voll“, sagt Näthe. Nach mehr als 30 Jahren auf der Freundschaftsinsel, einem, wie er sagt, europaweit einzigartigen Flächen- und Gartenbaudenkmal, verabschiedet sich der Inselgärtner Mitte April in den Vorruhestand. Das war schon lange geplant, er werde nun seine Kraft und sein Wissen dem Verein der Freunde der Freundschaftsinsel zur Verfügung stellen. Diese Trennung zwischen Amt und Vereinstätigkeit sei vielleicht ganz gut, kritische Dinge könne er dann besser äußern. Als gelernter DDR-Bürger, schiebt Näthe nach, habe er sich den Respekt vor der Obrigkeit ja längst abgewöhnt. Einmal hat er sogar Stasibonzen in ihrem fetten Wolga auf das Fahrverbot auf der Insel hingewiesen, dass es denen glatt die Sprache verschlug. Alte Geschichten.

Jörg Näthe wird in einem Häuschen mitten im flämingschen Kiefernwald groß, mit sechs Geschwistern, Mutter und Vater, der Tischler ist. Er spürt schon damals, „dass man die Welt nicht so ertragen muss, wie sie ist: Mit etwas Erde und Blumen vor dem Fenster wird sie schöner“. Aufgrund dieser Erdung entscheidet er sich für den politisch unverfänglichen Beruf des Gärtners und gehört in Potsdam zum zweiten Ausbildungsjahrgang des wieder eingeführten Berufs des Landschaftsgärtners.

Da habe er „das Edle“, das Weltverbessertum in dieser Tätigkeit entdeckt. Manches, manch Wichtiges freilich, verdankt er Zufällen. 1972 kommt er auf die Freundschaftsinsel, damals eine riesige Baustelle, die für die Weltfestspiele umgestaltet wird. Dort lernt er eine Landschaftsarchitektin kennen, die ihm Marianne und Eva Foerster vorstellt. „Eigentlich sollte ich dort im Foerstergarten nur einen Komposthaufen umsetzen“, sagt Näthe. Die Begegnung ist die Eintrittskarte in einen elitären Künstlerkreis, der in der Foerstervilla ein aus aus geht. Karl Foerster, damals vor zwei Jahren verstorben, schien Haus und Garten gerade erst verlassen zu haben, beschreibt Näthe das Gefühl. Er lernt dort seinen späteren Vorgänger, Peter Altmann, kennen, die Keramikerin Hedwig Bollhagen, Künstler aus Ost und West, eine ganz andere Welt mitten in der DDR. Und hier beginnt seine prägende Begeisterung für das Erbe des Staudenzüchters und Gärtners Karl Foerster.

Als 1980 der damalige Inselgärtner Altmann in den Ruhestand geht, wird die Stelle nicht wieder besetzt, ein Fehler, wie man bald merkt. Die Insel braucht einen Kümmerer. Dann lässt man, nach seinem Gartenbaustudium, Jörg Näthe ran, der von Anfang an sagt, dass er sein Büro nicht irgendwo in der Stadt, sondern direkt auf der Insel haben will.

Dass der in den 1930er Jahren von Foerster angelegte Staudengarten auf der Freundschaftsinsel wieder so ist, wie er ist und vor allem nach der Bundesgartenschau von 2001 die Qualität der Anlage gehalten werden konnte, ist sein Verdienst. Hilfreich war, dass er immer auf genügend und vor allem motivierte Arbeitskräfte zurückgreifen konnte. Alles ist hier noch Handarbeit, in den Staudenbeeten kann man nicht mit Maschinen wühlen. Etwas schwieriger ist es, Pflanzen mit alten Sorten und Züchtungen zu ersetzen. Das betrifft nicht nur Stauden, auch größere Gewächse der Insel. Jetzt im Winter ist ihm ein Rotblättriger Zierapfel kaputtgegangen, sagt Näthe und blickt aus dem Fenster in das Schneetreiben, als könnte er dem flüchtigen Baum hinterherschauen. Es gibt unzählige Neuzüchtungen, aber Näthe will genau den, den er hatte.

Das Besondere an der Insel sei allerdings, dass sie ein schützenswertes Denkmal mit der Funktion einer Grünanlage is, und manchmal, zu seinem Leidwesen, auch Durchgangsverkehr ertragen muss. „Das birgt Konfliktpotenzial“, so der Inselchef, der ohnehin findet, dass das Grün drumherum, beispielsweise die Wiese vor dem Bahnhof, nicht verschwinden dürfte. Fast wäre auch die Insel als Landschaftsdenkmal verschwunden.

In den 1970ern wurde die sensible Insel mit Großveranstaltungen für FDJler überfrachtet, nach 1989 wurde sie vernachlässigt, das gastronomische Angebot kippte weg, und das zur Insel-Disko verkommene Café wäre fast von einem Pächter aus dem Denkmal herausgelöst worden. Eine Katastrophe wäre das geworden, sagt Näthe. So kam es aber nicht. Der Stadt gelang es, einen passenden Pächter für das Café zu finden und die Russische Teestube im Torhaus, die sich der einstige Betreiber aus DDR-Zeiten, das Hotel Mercure, einverleiben wollte, zurückzubekommen. Selbst die Abgeschlossenheit als Insel schien das Landschaftsdenkmal damals nicht vor Raubbau zu schützen. Näthe, der Inselzusammenhalter.

Kurz nach der Wende überlegte er, sich im Holländerviertel mit einem Blumenladen selbstständig zu machen. Doch er kam nicht weg von der Insel. Die Insel brauchte ihn. Er war dabei, als neue Konzepte mit der Stadt ausgehandelt wurden, als die neue Brücke kam und der Eingangsbereich zur Insel umgestaltet wurde. Es spürt, dass die verschiedenen Baustile der Inselarchitektur bei den Besuchern jetzt langsam Akzeptanz finden. „Es gibt hier 30er, 40er und 70er Jahre, das ist eben so“, sagt Näthe. Als vor Jahren über einen Parkeintritt für seine Insel nachgedacht wurde, war Näthe zwar erst dafür: „Heute bin ich aber froh, dass wir das nicht gemacht haben“, sagt er, die Insel sollte für alle da sein.

Und sie kommen. Mit den Jugendlichen hat man sich arrangiert, sie fühlen sich vorn auf der Sonnenwiese wohl, und Näthe weiß, viele von denen kommen später wieder – mit ihren Kindern. Der Spielplatz auf der Insel ist einer der schönsten in der Stadt. Der Verein organisiert in diese Jahr zum sechsten Mal das Asiatische Kulturfestival, Ausstellungen, Staudenbazar, Arbeitseinsätze, im Sommer gibt es Open-Air-Kino. Momentan ist Näthe dabei, den Frühling vorzubereiten. Im Winter war der Gehölzschnitt dran, jetzt werden Blumenzwiebeln und einjährige Blühpflanzen bestellt, zu Tausenden. Das schätze er an seinem Beruf: Das unmittelbar sichtbare Ergebnis und die Resonanz, die es auslöst, erleben zu dürfen – unabhängig vom jeweiligen politischen System. „Das ist ein großes Glück.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })