Potsdam: Der Mann in der ersten Reihe
Peter-Michael Bauers fotografiert Potsdam zu allen Anlässen, sein Archiv ist riesig. Sein Antrieb? Dabei sein!
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Potsdam - Der Berliner Medizinstudent Peter-Michael Bauers ist 23 Jahre alt, als Louis Armstrong 1965 das erste und einzige Mal für eine Tournee in die DDR kommt. Am 20. April tritt er im Friedrichstadtpalast auf, und Bauers hat nur einen Platz hinter einer Säule. Ohne Sicht. Dabei wollte er doch fotografieren. „Aufnahmen jeder Art waren natürlich verboten“, sagt Bauers heute. „Aber das hat mich damals extra gereizt.“ Er klettert am Bühnenrand auf eine Treppe und kann von dort tolle Bilder von dem Jazztrompeter machen, die er später auf 40 mal 50 Zentimeter vergrößert. Die Apparate seiner Dunkelkammer stellt er dazu auf Stuhl und Tisch, das Papier liegt auf dem Boden. Es werden tolle Fotos, später nutzt ein Freund, der bei der Defa arbeitet, die Bilder für einen Doku-Film.
Überall in Potsdam dabei
Bauers lernt: Wenn man etwas will, dann schafft man es. Absperrungen, Verbote, schlechte Sicht – nichts hält ihn ab, wenn er etwas fotografieren will. Im Gegenteil. Wenn er nur selbstbewusst genug mit seiner Kameraausrüstung am Einlass auftaucht, kommt er manchmal auch ohne Ticket rein und dicht heran an die Bühne. Das klappt bei Juliette Gréco, bei Ella Fitzgerald, bei Gilbert Bécaud. Mit den Bildern kann er sich während des Studiums ein kleines Taschengeld dazu verdienen. Seit 1968 lebt Bauers in Potsdam, er arbeite hier zunächst im Bergmann-Klinikum, später in der Poliklinik und im Ärztezentrum und ist seit 2007 im Ruhestand. Er fotografiert mehr denn je – in Potsdam ist er bei allen öffentlichen und wichtigen Terminen dabei, bei Grundsteinlegungen und Eröffnungen, bei hohem Besuch, bei prominenten Gästen. Längst ist er im Presseverteiler der Stadt, seitdem er sich mal beklagt hat, dass eine Uhrzeit falsch war und er zu spät kam. Pressefotografen kennen ihn und schimpfen manchmal ein bisschen. Immer ist da dieser Typ in der ersten Reihe, der manchmal auch im Weg steht.
Bauers ficht so etwas nicht an. Er muss einfach in der ersten Reihe stehen, sagt er, am besten mit mehreren Stativen, eins für die Videokamera und zwei für Kameras mit verschiedenen Objektiven. Damit er nicht wechseln muss. Er ist Perfektionist, alles muss klappen.
Schlösser, Amtsgericht, Landtag, Barberini
Die Zeiten, da er Musikstars fotografierte, sind allerdings vorbei. Mehr und mehr sind es Gebäude oder Bauvorhaben, die ihn faszinieren. Er war in Schlössern unterwegs, vor, während und nach der Sanierung besonderer Räume. Er fotografierte den Sitzungssaal im historischen Amtsgericht. Fotografierte solange, bis das Licht stimmte und der Raum so authentisch wie möglich aussah. Vom Stadthaus machte er HDR-Aufnahmen: ein menschenleeres, optimal ausgeleuchtetes Treppenhaus, während auch durch die Fenster Tageslicht scheint – eine architektonische Perle, kein Verwaltungsgebäude. Er fotografierte von der 16. Etage des Mercure-Hotels die Landtagsbaustelle. 2500 Bilder bis zur Fertigstellung. Erst kürzlich machte er von der Treppe der Nikolaikirche ein wunderbares Panorama des Alten Markts mit dem neuen Museum Barberini. „Im Halbdunkel, in der blauen Stunde, 27 Aufnahmen für ein HDR-Bild“, schwärmt Bauers. Im Museum Barberini fotografierte er auch, ganz offiziell für ein Potsdamer Magazin. Als er ein paar Tage später noch mal da war, stellte er fest, dass bereits ein Bild umgehängt worden war. Ihm fällt so etwas auf.
Seine Fotos hat er dem Museum angeboten, aber es gab kein Interesse. Und so verschwinden die allermeisten Bilder in seinem privaten Archiv. Mindestens 26 000 sind es bis heute. Warum fotografiert er dann? „Es reizt mich einfach“, sagt er. Er müsse eben dabei sein, wenn etwas in Potsdam passiert. Dass er irgendwo mal nicht reinkommt, ist nicht vorgesehen. „Ich stelle mich einfach zu den anderen Fotografen dazu, das fällt nicht auf“, sagt er. So lief er 1985 im TV-Tross von Helmut Schmidt einfach in die Nikolaikirche hinein und konnte den Ex-Bundeskanzler fotografieren.
Ein Dankeschön von der Queen
Die Taktik funktionierte auch, als die britische Queen 1992 nach Potsdam kam und Sanssouci besuchte. Zunächst musste er über den Zaun beim Affengang klettern, weil der ganze Park gesperrt war. Dann schloss er sich einfach dem Presse-Pulk an. Später hat er die Bilder der Queen zugeschickt und von der Presseabteilung sogar ein Dankschreiben bekommen. Er hat es gut aufgehoben.
Königlich war auch die Hochzeit von Georg Friedrich Prinz von Preußen mit seiner Sophie, 2011 in der Friedenskirche. Tagelang schlich er dort herum, suchte die perfekten Standorte. Am Tag der Hochzeit stand er schließlich auf einer Bank und fotografierte das Paar in der Kutsche von schräg oben. Er schickte eine DVD mit seinen Bildern an das Paar und bekam wieder einen Dankesbrief. So etwas freut ihn. Natürlich auch, wenn eine Zeitung, die Schlösserstiftung oder die Stadt ein Bild von ihm veröffentlichen und sein Name darunter steht. Er ist Mitglied im Potsdamer Fotoclub und zeigt dort und im Bürgerhaus manchmal seine Bilder. Eine eigene Homepage hat er nicht. Noch nicht.
Die Fotografie war immer ein Hobby - und blieb es
Es ist ein Hobby, immer geblieben. Es beginnt, als er etwa zehn Jahre alt ist. Seine erste eigene Kamera ist eine „Werra“, ein Weihnachtsgeschenk, nun muss er nicht mehr den Apparat vom Vater nehmen. Der fotografiert auch, ebenfalls sein späterer Schwiegervater, ebenfalls Arzt, der sogar eine Dunkelkammer im Haus hat. Zu DDR-Zeiten hatte das oft praktische Gründe – man kopierte auf diese Weise auch wissenschaftliche Arbeiten. Und so gern er als Junge auch fotografierte – immer war ihm klar, er würde wie sein Vater ein Chirurg werden. Er erinnert sich, dass er in der Kleinstadt Dahme, wo sein Vater Krankenhauschef war, einmal bei einer Blinddarm-OP zuschauen durfte. Nachts. „Wir wohnten gleich nebenan und mein Vater nahm mich einfach mit“, sagt er. Und einmal schlich er sich sogar auf die Entbindungsstation und zeigte seiner Mutter ein Neugeborenes – so etwas wollte er auch haben, ein Geschwisterkind. Er ging immer einfach da hin, wo er hin wollte. Und fragte am besten vorher nicht. Immer ging es gut.
Seine Frau findet das Hobby gut, sie kennt es ja vom eigenen Vater, und assistiert ihrem Mann gern. Natürlich hat er auch die Familie fotografiert, hin und wieder auch die Natur. Bauers geht gern Eissurfen. Am Zernsee hat er vor ein paar Tagen schöne Winterbilder gemacht. Schilf und Gräser vor eisgrauem Hintergrund. Natürlich aus der ersten Reihe.
Vernissage im Potsdamer Fotoclub, unter anderem mit Fotos von Peter-Michael Bauers, am 19. Februar um 15 Uhr im Bürgerhaus am Schlaatz
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Sebastian Wells ist das Deutsche Sportfoto des Jahres 2016 gelungen. Der 20-Jährige aus Königs Wusterhausen traf den jamaikanischen Sprintstar Usain Bolt bei Olympia in Rio wie kein anderer. Auch das Potsdamer Sportleben hält Wells häufig fest.
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