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Reformorientiert. Das Potsdamer Abraham-Geiger-Kolleg bildet Rabbiner aus – hier bei der Ordination 2010 – kommt in der Frage der gleichberechtigten theologischen Ausbildung an deutschen Hochschulen eine Schlüsselrolle zu.

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Von Brandenburg könnte die Gleichberechtigung der jüdischen Theologie in Deutschland ausgehen

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Das Tauziehen um die Jüdischen Studien an der Universität Potsdam geht weiter. Nachdem sich die Hochschule mit den beteiligten Instituten auf eine gemeinsame Linie für das neue „Berlin-Brandenburgische Zentrum für Jüdische Studien“ geeinigt hat (PNN berichteten), steht eine grundlegende Forderung weiter im Raum. Es geht um die Gleichstellung der jüdischen Theologie mit den islamischen Zentren und den christlichen Theologien, wie sie der Wissenschaftsrat bereits Anfang 2010 angemahnt hatte. Seit nunmehr anderthalb Jahren verhandelt der Direktor des Potsdamer Abraham-Geiger-Kollegs, Walter Homolka, in dieser Sache.
Das Geiger-Kolleg ist die erste akademische Ausbildungsstätte für jüdische Geistliche in Deutschland seit der Schließung der jüdischen Hochschule durch die Nazis 1942. Das Kolleg bildet Rabbiner und Kantoren für das Reformjudentum aus. In Potsdam ausgebildete Rabbiner üben heute ihr Amt in ganz Europa, in Amerika, Afrika und Israel aus. Mit dem Ordinationsjahrgang 2011 stellen Absolventen aus Potsdam bereits die Hälfte der Allgemeinen Rabbinerkonferenz.
In diesen Tagen nun soll es Gespräche zwischen dem Geiger-Kolleg und dem brandenburgischen Wissenschaftsministerium geben. Es geht um die Frage, wie das Land Brandenburg sicherstellen kann, dass die Rabbinerausbildung die gleichen Rahmenbedingungen erhält wie die anderen konfessionellen Ausbildungen. Die Gleichbehandlung war im Juni auch von der Allgemeinen Rabbinerkonferenz des Zentralrates der Juden in Deutschland gefordert worden. Auch beim Bund, der das geplante Zentrum für Jüdische Studien zu einem erheblichen Teil finanziert, hat die akademische Rabbinerausbildung hohe Priorität. Nun liegt es am Land Brandenburg, die Rahmenbedingungen für konfessionelle Berufungen zu schaffen.
„Der Bund wird durch die Anschubfinanzierung des Jüdischen Zentrums Berlin-Brandenburg wesentliche Lücken schließen helfen, die sich bei der Abdeckung der Kernfächer ergeben“, heißt es in einem Schreiben der Rabbinerkonferenz an Wissenschaftsministerin Sabine Kunst, das den PNN vorliegt. „Doch die strukturellen Anpassungen muss das Land Brandenburg beisteuern“. Ziel sei es, die jüdische Theologie in die Philosophische Fakultät zu integrieren. So könne in Brandenburg das vollendet werden, was seit 1836 gefordert worden ist: die Rabbinerausbildung als Teil der deutschen Universität. Letztlich würde es um die Errichtung einer eigenen Jüdisch-Theologischen Fakultät gehen, wie es sie bis heute an einer deutschen Universität nie gegeben hat.

„Es gibt im säkularen Brandenburg keine theologischen Fakultäten an den Landesuniversitäten. Wir sind jetzt der Testfall, ob es in Deutschland gleiche Bedingungen für Juden, Christen und Muslime geben wird“, sagte Geiger-Direktor Walter Homolka der „Jüdischen Allgemeinen“. Bereits Anfang 2010 habe er das Land Brandenburg aufgefordert, den Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Theologenausbildung zu folgen. Zusammen mit Kollegen vom Institut für Jüdische Studien habe er einen Maßnahmenkatalog für das Wissenschaftsministerium erarbeitet. „Ich habe aber mittlerweile den Eindruck, als würde man in der Landesregierung die Brisanz der Frage nicht erkennen“, sagte der Rabbiner.
Rückendeckung erhält Homolka vor allem auch von der Bundesebene. So plädierte der Generalsekretär der Kultusministerkonferenz, Erich Thies, für eine Gleichberechtigung der jüdischen Theologie. „Es sollte dafür Sorge getragen werden, dass es zu einer wissenschaftlichen Rabbiner-Ausbildung mit entsprechender Ausstattung an der Universität Potsdam kommt“, hatte Thies Anfang Juli gesagt. Er halte es für „uneingeschränkt richtig“, dass das Abraham-Geiger-Kolleg, Deutschlands derzeit einzige akademische Stätte zur Rabbiner-Ausbildung, diesen Anspruch erhebe.
Auch aus der brandenburgischen Landesregierung wächst der Druck auf das Wissenschaftsministerium.

So hat sich der wissenschaftspolitische Sprecher der Linken, Peer Jürgens, mit einem Schreiben an Wissenschaftsministerin Kunst gewandt. Auch er drängt darin auf den Ausbau der „Jüdischen Studien“ an der Universität Potsdam zur Gleichstellung der jüdischen Rabbinerausbildung. Das bestehende Konstrukt – ein „An-Institut“, das der Philosophischen Fakultät der Universität Potsdam angegliedert ist, aber kein Promotions- und Habilitationsrecht besitzt – sei von Struktur und Ausstattung her weit vom Gleichbehandlungsgrundsatz entfernt.
Derzeit verhandelt die Universität mit dem Abraham-Geiger-Kolleg einen neuen Kooperationsvertrag zum Ausbau der „Jüdischen Studien“. Dabei geht es unter anderem um zusätzliche Lehrstühle, um die Abdeckung der Kernfächer sicherzustellen. Jürgens appelliert in dem Brief an Kunst: „Dies kann nicht der Universität Potsdam überlassen bleiben, sondern ist Landesaufgabe“. Er wolle sich daher „sehr dafür einsetzen, dass die Ausbildung von Rabbinerinnen und Rabbinern in Potsdam mit der nötigen Qualität und in der nötigen staatskirchenrechtlichen Einordnung gegeben ist“, so Jürgens.
Von den Beteiligten wird der bisherige Verhandlungsstand zum Zentrum für Jüdische Studien dann auch eher als „Zwischenlösung“ betrachtet. Homolka will die strukturelle Integration des Abraham-Geiger-Kollegs in die Universität Potsdam, um in den Gremien mitwirken sowie Promotionen und Habilitationen abnehmen zu können. Die Verhandlungen mit der Universität hatte er als „zäh“ bezeichnet. Er schätzt, dass ohne das Wissenschaftsministerium keine befriedigende Lösung zu finden sei. Allerdings gibt es innerhalb der Jüdischen Studien auch starke Vorbehalte gegen eine Umwidmung zur Ausbildungsstätte für Rabbiner. Kritiker sagen, dass sich so der Schwerpunkt des Instituts, das in Differenz zu Judaistischen Instituten programmatisch unter dem Titel „Jüdische Studien“ gegründet worden war, verschieben würde – von einer breiten wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Judentum hin zu einer theologischen Ausbildung. Am Institut wird auch befürchtet, dass so die besondere Berücksichtigung der Geschichte, Kultur und Tradition auch des säkularen Judentums, die bislang die Potsdamer Ausbildung auszeichnete, verloren gehen könnte.
Von Wissenschaftsministerin Sabine Kunst kam indes nur Applaus für die bisherigen Pläne zum „Zentrum für Jüdische Studien“. „Das Zentrum soll künftig die deutschlandweit wichtigste Adresse für die Forschung zum Judentum werden“, sagte die parteilose Ministerin am Mittwoch in Potsdam.

Sie sieht die Verantwortung offensichtlich eher beim Bund als beim Land. Sie sei zuversichtlich, dass der Bund das Vorhaben fördern werde, so ihr Kommentar. (mit KNA)

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