Homepage: Der verdrängte Genozid an den Armeniern Schoeps verlangt klare Position Deutschlands
Klare Worte hat der Gründungsdirektor des Potsdam Moses Mendelssohn Zentrums (MMZ), Julius H. Schoeps, anlässlich des Gendenkjahres zum Genozid an den Armeniern im Osmanischen Reich gefunden.
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Klare Worte hat der Gründungsdirektor des Potsdam Moses Mendelssohn Zentrums (MMZ), Julius H. Schoeps, anlässlich des Gendenkjahres zum Genozid an den Armeniern im Osmanischen Reich gefunden. In einer Rede vor dem Berliner Abgeordnetenhaus sagte der Historiker nun, dass es an der Zeit sei, dass sich Deutschland dem Geschehen angemessen stelle. Schoeps, der zusammen mit dem Potsdamer Lepsiushaus Forschungsprojekte zu den Massakern an dem ältesten christlichen Volk initiiert hatte, bezieht sich auf die zurückhaltende Haltung des Auswärtigen Amtes gegenüber dem ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts. Zahlreiche mahnende Stimmen seien nicht erhört worden. Das Deutsche Reich habe versucht, die Rolle Deutschlands bei den Massakern herunterzuspielen. „Mehr noch: Die kaiserliche deutsche Regierung hätte den Völkermord an den Armeniern verhindern können, wenn sie das gewollt hätte“, so Schoeps.
Während des Ersten Weltkrieges war es unter Verantwortung der jungtürkischen Regierung des Osmanischen Reichs zum ersten systematischen Genozid des 20. Jahrhunderts an den Armeniern gekommen. Bei Massakern und Todesmärschen, vor allem in den Jahren 1915 und 1916, starben je nach Schätzung zwischen 300 000 und mehr als 1,5 Millionen Menschen. Anfang dieser Woche veranstaltet das Potsdamer Lepsiushaus unter Leitung von Rolf Hosfeld zusammen mit dem Deutschen Historischen Museum eine große internationale Konferenz zum Deutschen Reich und dem Völkermord an den Armeniern, der vor 100 Jahren seinen Ausgang nahm. Auch hier war eine zentrale Frage, warum der Widerspruch aus Deutschland so gering bleib.
Schoeps sieht hier in erster Linie die Bündnisinteressen des Deutschen Reiches als Ursache für „die Verwicklungen des Deutschen Reiches in die seinerzeit jungtürkische Vernichtungspolitik“. Der Historiker, der lange Zeit an der Universität Potsdam lehrte, verweist darauf, dass das Osmanische Reich der wichtigste Bündnispartner der Deutschen gegen die Russen war. „Und Tatsache ist auch, dass Hunderte deutscher Offiziere im Dienst der Türkei gestanden und mit angesehen haben, was mit den Armeniern geschah.“ Zur Verfolgung de Armenier schrieb der damalige deutsche Botschafter im Osmanischen Reich: „Was sie (die Türken) leisten, ist unser Werk, sind unsere Offiziere, unsere Geschütze, unser Geld. Ohne unsere Hilfe fällt der geblähte Frosch in sich selbst zusammen.“ Der kritische Bericht des Botschafters wurde auch in der Reichsregierung gelesen. Wobei Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg eine recht entlarvende Notiz an den Rand des Manuskriptes machte: „Unser einziges Ziel ist, die Türkei bis zum Ende des Krieges an unserer Seite zu halten, gleichgültig ab darüber Armenier zu Grunde gehen oder nicht...“
Ob deutsche Militärs unmittelbar an der Planung und Durchführung der Deportationen teilgenommen hatten, ist bis heute strittig. Rolf Hosfeld spricht in seinem gerade erschienenen Buch „Tod in der Wüste“ von einer „extremen Gleichgültigkeit und einem grundsätzlichen Mangel an entscheidenden Maßnahmen gegen das Verbrechen“ auf deutscher Seite. Während sich die Türkei seit vielen Jahren schon weigert, Verantwortung für den Genozid an den Armeniern zu übernehmen, erwartet Schoeps nun von der Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches eine klare Positionierung. Er zeigte sich erstaunt, dass seitens der Bundesregierung aktuell weder der Begriff Genozid noch Völkermord zu den damaligen Geschehen benutzt werden. Eine eigene Gedenkveranstaltung der Bundesregierung sei bislang sei nicht geplant. Ungeachtet aller bisher vorgebrachten Bedenken erwartet er nun, dass die Bundestagsabgeordneten eine Resolution auf den Weg bringen, in der die Mitverantwortung des Deutschen Reiches am Genozid an den Armeniern anerkannt wird. Jan Kixmüller
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