Landeshauptstadt: Der vertauschte Geburtstag
Grube verschiebt sein Ortsjubiläum um drei Jahre. Ein Fehler, finden Historiker
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Diplomatisch klingt es nicht: „Gäbe es einen Nobelpreis für Schildbürgerstreiche, so hätte der Ortsbeirat von Grube große Chancen!“ Das sagt Lutz Partenheimer, Historiker an der Uni Potsdam. Der Grund für die Aufregung: Grube will das anstehende 750-Jahres-Jubiläum verschieben. Die für 2014 geplante Feier soll nun erst 2017 stattfinden, wie Rolf Sterzel vom Ortsbeirat auf PNN-Anfrage bestätigte. Den Sinneswandel begründet er mit neuen Untersuchungen des Ortschronisten. Grube, so glauben die Gruber nun, hieß im Mittelalter noch gar nicht Grube – sondern Glyneke. Deshalb stimme die alte Datierung nicht. „Wir haben den ursprünglichen Beschluss aufgehoben und die Ersterwähnung mit 1267 bestätigt“, erklärt Sterzel.
Nach Ansicht von Mittelalter- und Brandenburg-Experte Partenheimer gibt es dafür jedoch keinerlei Veranlassung. Denn stichhaltige Belege für die Namenswechsel-These fehlen. Grube sei nun drauf und dran, anstelle des eigenen Ortsjubiläums das von Groß Glienicke zu feiern. „Das ist der größte Koks, den es gibt!“, schimpft Partenheimer.
Die bisherige Datierung der Ersterwähnung auf das Jahr 1264 leitet sich von einer Urkunde Markgraf Ottos III. von Brandenburg ab. In dem Schriftstück, das heute im Geheimen Staatsarchiv der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem lagert, schenkt Otto Land an das Kloster zu Spandau. Es handelt sich um eine indirekte Erwähnung, erklärt Partenheimer: Denn in der Urkunde ist nicht von Grube selbst die Rede, sondern von einem Ritter namens Albert de Grobe, der damals Vogt von Spandau gewesen ist. Der Mann habe zur Burgmannschaft von Spandau gehört, sei auch aus anderen Urkunden der Zeit bekannt, so der Historiker. Und: Er tritt oft gemeinsam mit einem zweiten Ritter auf – Dietrich von Bornem, der ebenfalls zeitweise Vogt von Spandau war. Grobe und Bornem – für den Historiker ist klar: Es handelt sich um die benachbarten Siedlungen Grube und Bornim. Beide Ritter, so die These, sind dort für ihre Dienste in Spandau mit Land belehnt worden. Dafür spricht auch, dass das Kloster Spandau laut Erbregister von 1590 das Patronat über die Dorfkirchen von Bornim mit ihren Filialen in Golm und Grube sowie über die Dorfkirche Groß Glienicke besaß, wie der Historiker Joachim Pohl in seiner Dissertation über das Kloster erarbeitete.
Selbst wenn man sich mit dieser indirekten Ersterwähnung nicht zufrieden geben sollte, so existiere 1323 die erste direkte Erwähnung von Grube, betont Partenheimer. Die Rede ist zwar von „Grabe“ – aber die Schreibungen von Ortsnamen waren im Mittelalter noch nicht so fest wie heute. Und Grabe werde wiederum gemeinsam mit Nachbardörfern wie Bornim und Golm erwähnt.
Der Ortsbeirat indes hat mittlerweile eine völlig andere Version: Demnach benannte sich der besagte Ritter nach einem Ort in Franken, während das märkische Grube zur fraglichen Zeit noch gar nicht Grube hieß. Der Ortsname tauche – nach den eben besprochenen Ersterwähnungen – erst um 1600 wieder auf, erklärt Rolf Sterzel die Argumentation. Also, so die Schlussfolgerung, muss er vorher anders geheißen haben – der Ortschronist glaubt an den Namen „Glyneke“, der vom slawischen glina für Lehm oder gliny für Lehmgrube stammen soll. Das sei später in Grube eingedeutscht worden. Wenn in einer Urkunde aus dem Jahr 1267 also von Glyneke die Rede ist, sei das heutige Grube gemeint.
Lutz Partenheimer hält das schlicht für falsch: „Dieser Beleg bezieht sich eindeutig auf Groß Glienicke.“ Es sei zudem „völlig unwahrscheinlich“, dass im 16. und 17. Jahrhundert im Raum Potsdam noch Dörfer umbenannt wurden. Den einzig bekannten Versuch in der Region gab es in Plötzin, das nach 1179 in Reinhardsdorf umbenannt wurde – ohne nachhaltigen Erfolg. Noch vor 1197 hieß der Ort wieder Plötzin – bekanntlich bis heute.
Auch, dass sich Ritter Albert nach einem fränkischen Grube genannt habe, sei unwahrscheinlich. Denn dort hätten die Markgrafen von Brandenburg damals keine Besitzungen gehabt. Außerdem nennen sich die anderen in den Urkunden erscheinenden Ritter nach Dörfern im Umkreis von Potsdam und Spandau.
Es gebe immer Ungereimtheiten, räumt Rolf Sterzel vom Ortsbeirat ein: „Aber uns überzeugt die neue Version mehr als die erste.“ Laut Partenheimer ist Grube damit auf dem Holzweg: „Zum ersten Male bricht hier ein Ort die Feiern für sein korrektes Jubiläum ab, um später die Ersterwähnung eines anderen Ortes zu feiern!“
Es wäre aber nicht das erste Mal, dass eine Gemeinde ihr Jubiläum verpasst. So feierte etwa das mittelmärkische Phöben in diesem Jahr 700. Geburtstag – laut Partenheimer acht Jahre zu spät. Immerhin: Marquardt hat im Sommer zu Recht 700 Jahre Ersterwähnung gefeiert. Partenheimer verweist für die Planung von Ortsjubiläen auf das Nachschlagewerk „Brandenburgische Namenkunde“. Im Zweifel könnten Verantwortliche auch beim Landeshauptarchiv oder bei Partenheimer selbst nachfragen.
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