Landeshauptstadt: Der Weg nach Perugia
Kapriolen einer Städtepartnerschaft, die nicht 1990, sondern schon 1973 begründet wurde
Stand:
Auf den Namen „Perugia“ tauften Ende Januar der Bürgermeister der Regionalhauptstadt Umbriens, Wladimiro Boccali, und Oberbürgermeister Jann Jakobs eine Potsdamer Straßenbahn. Damit gaben sie den Auftakt für die Veranstaltungen zum 20-jährigen Bestehen ihrer Städtepartnerschaft. Der Vertrag war im Dezember 1990 in Perugia unterzeichnet worden. Dafür hatte sich besonders Il Ponte eingesetzt, die von Maria-Luise Döring geleitete Brandenburgische Gesellschaft der Freunde Italiens e.V. Auch sie feiert in diesem Jahr 20-jähriges Bestehen und unterstützt mit einem vielseitigen Programm das Jubiläum, so Ende März mit der bereits 15. Bürgerreise nach Perugia.
Nach offiziellen Angaben der Stadt bestehen andere Potsdamer Städtepartnerschaften bereits länger, beispielsweise mit Bobigny (Frankreich) seit 1974 und zu Jyväskylä (Finnland) seit 1985. Aber die Verbindungen zu Perugia reichen viel weiter zurück als zwei Jahrzehnte. Schon am 25. Oktober 1973 meldeten die „Brandenburgischen Neuesten Nachrichten“ unter dem Titel „Perugia neue Partnerstadt“, dass dazu zwischen beiden Kommunen durch den stellvertretenden Bürgermeister Umberto Pagliacci und Oberbürgermeisterin Brunhilde Hanke ein Freundschaftvertrag geschlossen wurde. Aus Anlass des 24. Jahrestages der DDR weilten seinerzeit auch Delegationen vom Partnerkomitee in Rouen (Frankreich), aus Gent (Belgien) und Modena (Italien) in Potsdam. Die damals kommunistisch regierte Renaissancestadt Modena, Geburtsort unter anderem des Tenors Luciano Pavarotti und des Rennstallbegründers Enzo Ferrari, bejahte die Forderung der DDR nach diplomatischer Anerkennung. Dazu hatte die SED-Führung in den 1960er Jahren ein Netzwerk von Unterstützern auf regionaler und lokaler Ebene aufgebaut. Für Modena wurde Potsdam als Partner ausgewählt.
Als Modenas Ratsmitglied Zurini 1973 in der Havelstadt eintraf, hatte die DDR-Führung ihre internationale Anerkennung auch in der westlichen Welt durchgesetzt. Sie brauchte die Unterstützung der italienischen Provinzstadt nicht mehr. Mit der Anerkennung wurden die Partnerschaftsbeziehungen zu westlichen Kommunen für die gesamte DDR neu geregelt. Der Bezirk Potsdam bekam die Region Umbrien zugeteilt, die Bezirksstadt dementsprechend deren Hauptstadt Perugia. Zurini wurde auf die Harzstadt Wernigerode verwiesen, die seit 1964 eine Partnerschaft mit Carpi, einer Stadt in der Provinz Modena, besaß. Sie besteht übrigens noch heute. Brunhilde Hanke bekam die, wie sie selbst sagt, undankbare Aufgabe, in die bisherige italienische Partnerstadt zu reisen und den „befreundeten Genossen“ die Umorientierung zu erläutern. Die neue Beziehung mit Perugia entwickelte sich dann komplizierter als erwartet. Bürgermeister Stello Zaganelli, ein Sozialist, forderte Reisefreiheit für Potsdamer, die die italienische Partnerstadt besuchen wollten, berichtet die damals in dieser Frage machtlose Oberbürgermeisterin. Ansonsten sei er nicht bereit, einen offiziellen Partnerschaftsvertrag zu schließen. Insofern erscheine es schon sinnvoll, dass der Vertrag nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 wie übrigens in fast allen Städten neu gefasst wurde, sagt Hanke. Erhart Hohenstein
Erhart Hohenstein
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: