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Ehrgeizig. Farah El Sayed (l.) findet, Deutsch ist eine einfache Sprache.

© A. Klaer

Landeshauptstadt: „Deutsch ist eine einfache Sprache“

Auch die Volkshochschule bietet Deutschkurse für Flüchtlinge an. Die Voraussetzungen der Teilnehmer sind aber höchst verschieden

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Ich möchte, du möchtest, er möchte. Um die Konjugation von deutschen Verben geht es an diesem Vormittag im Raum 12 der Potsdamer Volkshochschule (VHS) – und um praktische Lebenshilfe im Alltag. Lehrerin Eleonora Josifovska übt mit rund 20 Flüchtlingen im Rollenspiel, wie sie in Geschäften nach bestimmten Waren fragen können. Gerade wird die Wendung „Ich möchte ein Kilo Kartoffeln“ erklärt.

Die Volkshochschule im Bildungsforum in der Straße Am Kanal ist einer der Plätze in Potsdam, an denen sich täglich sehen lässt, dass die Stadt in diesem Jahr bereits rund 2000 Flüchtlinge aufgenommen hat. Denn hier finden die meisten der von der Stadt finanzierten Deutschkurse statt. Anders als in anderen Kommunen bietet Potsdam für jeden Flüchtling einen kostenlosen Deutschkurs an, damit diese in 200 Stunden zumindest die Grundlagen der Sprache lernen. Hinzu kommen wiederum vom Europäischen Sozialfonds finanzierte Integrationskurse für anerkannte Flüchtlinge, die dann in weiteren 600 Stunden neben allgemeiner Landeskunde unter anderem erklärt bekommen, wie sie eine Bewerbung schreiben oder Formulare ausfüllen.

Einer der Teilnehmer im Aufbaukurs von Raum 12 ist Abdu Salam Al Amin. Der 18-Jährige stammt aus Eritrea, floh über Sudan, Lybien und Italien, allein. Seit sieben Monaten lebt er in Potsdam, ist bei einer Familie am Brauhausberg untergekommen, wie er inzwischen auf Deutsch erzählen kann. „Anfangs konnte ich kein Deutsch.“ So ging es fast allen – auch Ywan Antalat. Der 23-Jährige ist mit seiner Familie vor dem Krieg in Syrien geflohen, vor drei Monaten kamen sie in Potsdam an und leben nun im Flüchtlingsheim in der Dortustraße. Der Bauingenieur sagt, er lerne schnell. Dazu mache der Kurs viel Spaß. „Hier lernt man viele neue Freunde kennen.“

Die Volkshochschule stellt die vielen neuen Lernwilligen vor eine Herausforderung. 16 zusätzliche Grundkurse á 20 Teilnehmer habe man allein in diesem Halbjahr angeboten, sagte Koordinatorin Anja Hendel. Dazu kommen etliche Folgekurse. Dafür müsse genügend Personal gefunden werden – das sei bisher gelungen. Etwas erleichtert habe die Suche ein Beschluss der Stadtverordneten vom vergangenen Jahr. Damals hatte eine knappe Mehrheit eine schrittweise Anhebung des Brutto-Stundenhonorars für die Dozenten von 22,50 auf 30 Euro ab dem Jahr 2017 beschlossen. Bereits seit dem 1. Januar ist der Stundensatz auf 25 Euro gestiegen – gerade in Konkurrenz mit Berlin, wo noch mehr für Dozenten gezahlt wird, sei das wichtig, sagt Hendels Kollegin Katrin Wartenberg, die das Grundbildungszentrum in der VHS leitet.

Für die außerplanmäßigen Kurse greifen zudem weitere Fördermittel, etwa aus der Arbeitsagentur. Und neben der VHS bieten auch weitere Einrichtungen Deutschkurse an, etwa die Urania oder die Berlin-Brandenburgische Auslandsgesellschaft (BBAG). Um den Bedarf abzudecken, arbeite die VHS inzwischen in einem Drei-Schicht-System: Am Vor- und Nachmittag sowie abends. Allein für dieses Jahr plant die Stadt für die VHS ein Budget von rund 600 000 Euro. Insgesamt geht die Stadt für die Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen von rund sechs Millionen Euro Kosten aus, ein Prozent der Potsdamer Ausgaben. Ob ein Nachtragshaushalt aufgestellt werden muss, steht noch nicht fest.

Viele Flüchtlinge „wollen schnell lernen“, sagt Koordinatorin Hendel. In den Grundkursen gehe es um einfache Dinge: „Sich vorstellen, einkaufen, zählen, sich über einfache Dinge verständigen.“ In den Folgekursen würden dann etwa Bewerbungen geübt oder Landeskunde vermittelt. Jedoch seien die Voraussetzungen bei den Flüchtlingen unterschiedlich – rund 10 Prozent der Flüchtlinge in den Kursen müssten zunächst grundlegend mit dem Alphabet vertraut gemacht werden. Andere seien hochqualifiziert, würden bereits mehrere Sprachen beherrschen.

Zum Beispiel Farah El Sayed. Die 24-jährige Libanesin lebt seit mehr als einem Monat in einer Wohnung in der Zeppelinstraße, ihre Familie floh schon vorher, sie kam mit dem Flugzeug nach. Ihr Beruf: Anwältin, sie spricht unter anderem Französisch und Englisch. Sie sagt: „Deutsch ist eine einfache Sprache.“ Henri Kramer

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