zum Hauptinhalt
Stargast. Der DJ Paul van Dyk diskutierte mit FH-Wissenschaftlern über „Leere und Fülle“ in Brandenburg.

© Manfred Thomas

Landeshauptstadt: Die Chance nutzen

Mit Symposium und Festakt: Die Fachhochschule Potsdam beging am Freitag ihr 20-jähriges Bestehen

Stand:

Man kann ein 20. Jubiläum mit einem rauschenden Fest feiern. Was die Potsdamer Fachhochschule am Freitagabend auch tat. Man kann dem Jubeltag aber auch einen inhaltlichen Drall geben. Was die Potsdamer FH ebenfalls tat. Vor dem rauschenden Fest nahm man sich tagsüber in einem Symposium der Zukunft des Landes Brandenburg an. Die FH war 1991 mit ihrem Sozialwesen, den Architekten, Ingenieuren, Informationsprofis und Designern angetreten, dieses Land mitzugestalten. Was ihr offensichtlich auch heute noch ein wichtiges Anliegen ist.

Nach „Leere und Fülle“ fragten die Wissenschaftler, Studierende und Gäste im Schaufenster der FH am Alten Markt – einem riesigen, leeren Raum, den die FH mit Ideen und Kreativität füllt. Und der mit dem nahenden Abriss des Gebäudes einer neuen Leere weichen wird – die sich dann wieder füllen soll. So gesehen muss „Leere“ nicht per se etwas Negatives sein. In der FH-Debatte erkannte man die Leere dann auch eher als eine Chance, Herausforderung – und auch als einen Granat für Entschleunigung. Angesichts der sich leerenden ländlichen Räume wurde die Leere dabei auch zum zum Synonym für Brandenburg.

Die FH hatte unter anderem den prominenten Star-DJ Paul van Dyk gewonnen, der immerhin seine ersten Lebensjahre im brandenburgischen Eisenhüttenstadt verbracht hatte, bevor er ins große Berlin gezogen war. Zwischen einem Auftritt in Südamerika und einem DJ-Gig am gleichen Abend in Mailand wechselte van Dyk in Berlin die Flugzeuge und fand noch genug Zeit, an der FH vorbei zuschauen – sichtlich entspannt. So viel zum Thema Entschleunigung. Eingeladen wurde er eher als Vertreter für die „Fülle“ (globaler Jet-Set-Star), der aus der „Leere“ (Brandenburg) gekommen war. Etwas sehr konstruiert, aber van Dyk ging bei der Sache gerne mit.

In der Peripherie müssten die Rahmenbedingungen geschaffen werden, um kulturelles und wirtschaftliches Wachstum zu ermöglichen, sagte der Cosmopolit van Dyk. Den Schülern müssten Perspektiven zum Bleiben gegeben werden, den Zuzüglern die nötige Infrastruktur, vom Arzt bis zum Kindergarten. Hier sei nicht nur die Politik, sondern auch Hochschulen mit ihren Ideen gefragt.

Auch die FH-Dozenten sehen die Landespolitik in der Pflicht. Das Land schreite einer signifikanten Perspektivlosigkeit entgegen, wenn man auf die entstehende Leere nicht mit ökologischen und ökonomischen Ideen reagiere, so der Bauingenieur Professor Jürgen-Michael Poelke. Der ein oder andere Dozent gab zwar auch zu bedenken, dass die Leere ein schönes Rückzugsgebiet für Stadtbewohner sei. Doch der Tenor war eher, dass man die Belange der Bewohner vor Ort stärker miteinbeziehen müsse, dass es um Mitgestaltung gehe: Also Bürgerbeteiligung statt entvölkerte Wildreservate. Und in Boom-Regionen wie Potsdam sollte man die Chance nutzen, „endlich wieder Stadt zu machen“, so Architektur-Professor Markus Löffler. In Potsdam würden 8000 Wohnungen fehlen.

Irgendwann bekam man zwar den Eindruck, dass sich die Diskussion im Kreis zu drehen begann. Doch eine Dozentin der FH erinnerte daran, dass Tänzer, die sich sehr schnell im Kreis drehen, den Eindruck haben, selbst zu ruhen, während die Welt um sie herum wirbelt. Beschleunigung zur Entschleunigung sozusagen. Der digitalen Welt als Entwicklungsfaktor für ländliche Räume erteilte man schließlich eine nahezu komplette Absage, Facebook, Google und Co. würden nur von den wesentlichen Dingen ablenken – sogar Paul van Dyk war der Meinung, dass in den sogenannten Sozialen Medien „nichts Substanzielles“ geschieht.

Substanzielles erwartet nun allerdings die Fachhochschule in ihrem 20. Jahr von der Landespolitik. Es fehlt noch ein Gebäude am Campus Pappelallee, damit alle Fachbereiche auch den Standort am Alten Markt verlassen können. FH-Rektor Johannes Vielhaber wollte es zum offiziellen Festakt gestern Abend nicht überbetonen. Doch die Stimmen aus der Hochschule sprachen eine deutliche Sprache. Brandenburgs Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (parteilos) wollte nicht viel dazu sagen. Zumindest aber sieht sie die FH noch am Anfang ihrer positiven Entwicklung. Was in Zeiten gekürzter Hochschulmittel schon viel ist.

Wie es in der Region weiter gehen wird, weiß niemand genau. Interessant vielleicht der Blick der jungen Generation. FH-Student Sören Knöll hatte am Morgen seine ironisch-düstere „Brandeburger Utopie“ präsentiert: Nach dem Zusammenbruch des Internet-Booms 2030 zieht es ganz Berlin raus nach Brandenburg. „Eigentlich eine positive Utopie“, sagte der Student.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })