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Schlechte Ökobilanz. Ein Kilo Rindfleisch entspricht dem CO2-Ausstoß von 250 Kilometern Autofahrt.

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Das 16. Leibniz-Kolleg der Universität Potsdam fragt nach Wegen einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft

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Die Meldung ging erst einmal unter. Der Club of Rome warnt in seinem neuen Bericht, dass die Menschheit in 40 Jahren am Abgrund steht. Sie habe die Ressourcen der Erde ausgereizt. Der Mensch ist ein Meister der Verdrängung. Solange ihm das Wasser nicht bis zum Hals steht, wird er – trotz aller Warnungen – weitermachen wie gehabt. Doch die Wissenschaft hat schon lange erkannt, dass der beständig wachsenden Menschheit nur noch der Weg der Nachhaltigkeit weiterhelfen kann. Heißt: So mit den Ressourcen der Erde umgehen, dass die kommenden Generationen eine Chance auf eine menschenwürdige Existenz haben.

„Wir müssen nicht in der Dunkelheit sitzen und frieren“, sagte die Ökologie-Professorin Ursula Gaedke zur Eröffnung des diesjährigen Leibniz-Kollegs am Mittwoch an der Uni Potsdam. „Schließlich ist der Mensch ja schlau.“ Allein durch Isolierung, geschickte Be- und Entlüftung und Sonnenenergie würden sich beispielsweise die meisten Gebäude CO2-neutral heizen lassen, inklusive Strom und Heißwasser. Grundsätzlich sei es wichtig, dass die Menschen den Weg zu einer ökologisch geschlossenen Kreislaufwirtschaft finden, sagte die Ökologin der Uni Potsdam auf dem Kolleg, das in diesem Jahr zum Thema Nachhaltigkeit stattfand.

Ihre Kollegin, die Doktorandin Alice Boit, ist Expertin für ökologische Kreisläufe. Wie sieht beispielsweise die Ökobilanz von Mehrwegflaschen aus? Miserabel, vor allem bei Plastikflaschen, so das Ergebnis der Forscherin. Glasflaschen wiederum sollten aus der Region stammen, nicht hunderte Kilometer Transportwege hinter sich haben. Eigentlich empfiehlt Boit Leitungswasser, das sei meist sogar weniger mit Keimen belastet als Trinkwasser aus Flaschen. Das Problem sei nur, dass die Mehrheit der Bevölkerung Softdrinks oder Wasser aus PET-Flaschen zu sich nehme. 100 Milliarden Plastikflaschen gehen jährlich nach China, um dort zu minderwertigem Kunststoff – etwa für Fleecejacken – verarbeitet zu werden – Downcycling nennen Experten dieses Verfahren.

Oder Tomaten im Winter: Ihr Anbau im Gewächshaus benötigt laut Boit 100 Prozent mehr klimaschädliches CO2 als der konventionelle Anbau zur Saison. Der Ratschlag der Wissenschaftlerin: Den Speiseplan an die Saison anpassen – Tomaten und Erdbeeren im Sommer, Äpfel im Herbst, Kohl und Feldsalat im Winter. Auch die Ökobilanz von Bekleidung lasse meist zu wünschen übrig. Baumwollbekleidung sei oft durch Pestizide verunreinigt, so die Doktorandin. Schätzungen gehen von bis zu 30 000 Menschen aus, die jährlich durch Pestizidvergiftungen im Baumwollanbau sterben.

Auch die Entsorgung der Kleider sei nicht unproblematisch: 600 000 Tonnen würden jährlich allein in Deutschland verbrannt, wobei hochgiftige Substanzen freigesetzt werden. Boit empfiehlt, Kleidung länger zu tragen und auch nicht zu oft zu waschen. Für die Zukunft zeigt sie Bilder von einem T-Shirt, das auf dem Komposthaufen ohne Rückstände verrotten kann, wenn man es nicht mehr braucht. „Ökoeffizienz“ lautet der Schlüsselbegriff: „Wir müssen die Dinge richtig tun“.

Daran schloss Jürgen Kern vom Leibniz-Institut für Agrartechnik in Potsdam-Bornim (ATB) nahtlos an. Er hat mit Kollegen ein Verfahren entwickelt, mit dem das zur Pflanzendüngung unabkömmliche Phosphat aus Klärschlamm zurückgewonnen werden kann. Zehn Prozent des erforderlichen Phosphats seien dadurch ersetzbar – da die Phosphatvorräte weltweit nur noch 115 Jahre ausreichen, ein zukunftsträchtiges Verfahren.

Und was sollte auf den Tisch kommen? Beim Thema nachhaltige Ernährung wurde es noch komplizierter. Während der Ernährungswissenschaftler Gerhard Püschel davon abrät, völlig vegan zu leben, wäre das aus Sicht der Ökologen für die Umwelt am besten. Laut Püschel ist es für den menschlichen Organismus am gesündesten, wenn man so lebt wie ein Vegetarier, der Eier und Milch zu sich nimmt und hin und wieder Mal ein Stück Fleisch – als lässliche Sünde sozusagen.

„In Maßen“ ist hier das Stichwort, das die Ökologin Gaedke aufgreift. Denn die industrielle Fleischproduktion treibe die Futtermittelproduktion in die Höhe, zerstöre die Kreislaufwirtschaft und das weltweite Bevölkerungswachstum verstärke diese Probleme noch. Für ein Kilo Fleisch sind sieben bis 16 Kilogramm Getreide oder Soja als Futter nötig. Würden sich die Menschen nur pflanzlich ernähren, wären Nahrungsmittel für rund zwölf Milliarden Menschen vorhanden. Allerdings könnte das Krankheiten wie Hirnschäden bei Neugebornene durch Vitamin B12-Mangel hervorrufen. 20 Prozent der Treibhausgase werden durch die Tierproduktion verursacht. Ein Kilo Rindfleisch entspricht dem CO2-Ausstoß von 250 Kilometern Autofahrt. Produkte aus ökologischer Landwirtschaft schneiden laut Gaedke im Vergleich noch am besten ab. Beim Thema Ernährung muss wohl ein Mittelweg gefunden werden.

Dass die Landwirtschaft nicht unbedingt die Umwelt belastet, erklärte schließlich Arthur Geßler vom ATB. Unter Umständen ließen sich durch Landbau Teile der CO2-Emission sogar absorbieren. Für Brandenburg sei vor allem wichtig, trockengelegte Moore wieder zu vernässen. Denn die Landnutzungsänderung sei viel entscheidender für CO2-Emission als Düngung und Viehhaltung. Zudem müssten Waldflächen vergrößert und der Einsatz von Dünger effizienter werden.

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