zum Hauptinhalt
„Sie lösen mich ab? Irrtum!“ Klaus Wowereit spricht zu Renate Künast.

© Davids

Sport: Die Grünen sind mit der SPD auf Augenhöhe

Der damalige Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann am 16. April 2011

Stand:

Der helle Schein des Erfolgs deckt alle Fehler zu; nur Misserfolge werfen lange Schatten. Renate Künast hat das erfahren. Was nützt es ihr, dass die Bündnisgrünen bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl am 18. September ihr bestes Ergebnis holten? Am Ende liefen sie doch der SPD und den eigenen Ambitionen hinterher. Acht Irrtümer zeigen, warum es so kommen musste.

1. DIE STADT WARTET NUR AUF MICH

Im Herbst 2010 stieg die Zustimmung für Renate Künast in immer größere Höhen. Das ließ vergessen, dass sich in den Werten vor allem die Unzufriedenheit der Berliner mit dem lustlosen Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) widerspiegelte. Künasts Frühstart, inszeniert als Krönungsmesse im Kommunikationsmuseum, war die schönste Stimulanz für Wowereit, der im Wahlkampf noch einmal groß auftrumpfte.

2. WIR KÖNNEN PERSONENWAHLKAMPF

Ich bin ein Star, packt mich aufs Plakat – das hätte es früher bei den Grünen nie gegeben. Mit Künasts Gesicht auf dem Plakat fragten sich jedoch viele: Will ich diese Person wirklich wählen?

3. WER KÄMPFT, GEWINNT

Alles hat sie sich erkämpfen müssen, die Arbeitertochter aus dem Ruhrpott. Beim Kampf ums Rote Rathaus geriet da das Lebensgefühl der Stadt zu sehr unter die Räder; statt lustvollem Laisser-faire gab es nur hochvernünftige Ernsthaftigkeit. Das ließ Wowereit richtig hip aussehen.

4. DIE KLEINE MÜNZE BRAUCHT ES NICHT

Sehr spät hat die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag gemerkt, dass im Berliner Wahlkampf die genaue Kenntnis lokalpolitischer Themen viel zählt. Auch wenn sie aufholte, schaffte sie es nicht, den Menschen das Gefühl zu geben: Die kennt sich aus und kümmert sich.

5. WIR SIND EINE VOLKSPARTEI

Potenzial ist eines, ein Kreuz auf dem Wahlzettel etwas anderes. Und vielleicht waren Künast und die Berliner Grünen auch nicht das richtige Team, um dieses Potenzial abzurufen. Als sie nach der Wahl mit ihrem A-100-Fundamentalismus gegen die Wand fuhren, zeigte sich einmal mehr, wie weit entfernt die Partei noch vom bürgerlichen Pragmatismus vieler ihrer potenziellen Wähler ist.

6. ICH WEISS SELBER, WAS RICHTIG IST

Renate Künast verließ sich zu sehr auf einen kleinen Kreis von Vertrauten. Weder die Expertise des erfahrenen Verkehrspolitikers Michael Cramer noch der Rat des früheren Justizsenators Wolfgang Wieland waren im Wahlkampfteam gefragt. Deswegen wirkte die Kampagne blutleer.

7. KOALITIONSPOKER IST GANZ EINFACH

Renate Künast schaffte es nicht, Gerüchte über ein grün-schwarzes Bündnis zu zerstreuen. Die Aussicht darauf aber trieb die Wähler in die Arme der Piraten.

8. FUNDIS? REALOS? ALLES GESCHICHTE!

Im Frust über die gescheiterte rot-grüne Koalition haben sich die Parteilinken der Berliner Grünen in alter K-Gruppen-Manier präsentiert. Mehrheiten mit Vorschlägen und kluger Bündnispolitik erreichen? – viel zu demokratisch! Die Grünen müssen aufpassen, dass ihnen nicht auch auf Bundesebene eine Zerreißprobe droht, falls es 2013 nicht für eine rot-grüne Bundesregierung reicht. Dann kann Künast aber zumindest ihre Berliner Erfahrungen einbringen. Gerd Nowakowski

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })