Von Hella Dittfeld: Die Krankheit im Auge Chefarzt Schulze diagnostiziert mit einem Blick
So smart wie Humphrey Bogart als Lebenskünstler Rick in „Casablanca“ ist Dr. Dirk-Peter Schulze nicht, dafür sieht er aber erheblich mehr als nur Gefühlswallungen, wenn er beim Patienten das Filmzitat „Schau mir in die Augen, Kleines“ anwendet.
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So smart wie Humphrey Bogart als Lebenskünstler Rick in „Casablanca“ ist Dr. Dirk-Peter Schulze nicht, dafür sieht er aber erheblich mehr als nur Gefühlswallungen, wenn er beim Patienten das Filmzitat „Schau mir in die Augen, Kleines“ anwendet. Der Chefarzt für Augenheilkunde im Klinikum Ernst von Bergmann befasst sich – wenn er ins Patientenauge schaut – nicht nur mit den klassischen Sehstörungen, er kann auch Diagnosen über Bluthochdruck, Vergiftungserscheinungen oder Diabetes untermauern. Er könne sogar an Veränderungen im Auge manche Krankheit schneller feststellen als der Hausarzt, erläuterte er bei einem Vortrag am Montag im Klinikum anlässlich der Woche des Sehens, die jedes Jahr im Oktober begangen wird.
Leider klappt es noch nicht immer mit der interdisziplinären Zusammenarbeit, selbst in einer Stadt der kurzen Wege wie Potsdam. Nur 18 Prozent der Diabetiker suchten zum Beispiel einen Augenarzt auf, obwohl eigentlich alle den Weg dahin finden müssten, erklärt Schulze. Er bezeichnete zwar die Zusammenarbeit mit den Hausärzten generell als gut. Es gibt aber offenbar noch eine Reihe ungenutzter Möglichkeiten. Auf Wartezeiten bei einer Überweisung zum Fachmediziner angesprochen, nannte er zwei, drei Wochen. In akuten Fällen werde natürlich sofort reagiert. Bisher sei die Zulassung von Ärzten noch limitiert. Das werde sich aber mit der Gesundheitsreform ab 2012 ändern, erläuterte Schulze. Dann gebe es keine Beschränkungen mehr.
Die dritthäufigste Ursache einer Erblindung sei auch heute noch die Diabetes, erläuterte Schulze in seinem Vortrag. Weltweit wären 80 Prozent der Erblindungen vermeidbar, so der Chef der Augenklinik. Die Hauptprobleme lägen allerdings in den Entwicklungsländern. Weltweit seien 37 Millionen Menschen mit Blindheit geschlagen, 90 Prozent davon lebten in der dritten Welt.
Aber auch in Deutschland ist der Beratungsbedarf offenbar groß und es hätte nicht unbedingt der Woche des Sehens bedurft, um den Saal im Klinikum mit Zuhörern zu füllen.
Interessiert folgten sie den Ausführungen darüber, was durch einen tiefen Blick ins Auge des Patienten alles festgestellt werden kann. Da deuten zum Beispiel Fettablagerungen auf Störungen im Stoffwechsel hin. Blutkrankheiten wie Leukämie führen zu Veränderungen an der Netzhaut und Herz-Kreislauf-Erkrankungen lassen sich durch Veränderungen der Blutgefäße im Auge oft schon feststellen ehe sie zu Trombosen oder Schlaganfällen führen. Auch Entzündungen im Körper sind durch Veränderungen am Auge zu erkennen und auf die durch Zecken verursachte Borreliose gibt es Hinweise, die einen Verdacht erhärten können. Rheumatische Beschwerden lassen sich an einer Entzündung der Regenbogenhaut festmachen. Und diese Entzündung tritt oft sogar früher auf als der Rheumaschmerz, so dass man bei richtiger Diagnose vorbeugend eingreifen kann. Vergiftungen durch Nikotin oder zu hohe Arzneimitteldosen ließen sich ebenfalls am Auge erkennen. Man könne gezielt eingreifen und Veränderungen herbeiführen, so Schulze.
Von den Zuhörern wurde angemerkt, dass viele Hausärzte sich nicht bewusst seien, welche Möglichkeiten im intensiven Blick ins Auge schlummerten. Sie würden noch zu wenig von Überweisungen Gebrauch machen. Besonders intensiv wurde kritisiert, dass Beschwerden von Heimbewohnern nicht ernst genommen würden und man sich dort sehr viel Zeit lasse, ehe ein Facharzt konsultiert werde. Schulze quittierte das mit einem Achselzucken. Er wisse um die Probleme, gestand er zu und empfahl hartnäckiges Insistieren.
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