25 Jahre Aidshilfe in Potsdam: Die Krankheit weiterhin ernst nehmen
Seit 25 Jahren gibt es die Potsdamer Aidshilfe. Die Arbeit unterscheidet sich heute kaum von damals – reden, aufklären, begleiten. Doch heute sind die therapeutischen Möglichkeiten besser.
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Potsdam - „Das ,Riesenkondom’ Mauer ist gefallen, doch in den Köpfen der Potsdamer hat sich nicht viel geändert“, titelten die PNN am 7. September 1992. Da war die Aidshilfe Potsdam gut eineinhalb Jahre alt, der Verein hatte gerade Räume im damaligen Haus der Jugend in der Berliner Straße bekommen. HIV und Aids war damals über Nacht ein wichtiges Thema geworden. „Es war allen klar, dass nach dem Mauerfall die Krankheit sofort aus Berlin-West zu uns kommen würde“, sagt Sabine Frank von der Potsdamer Aidshilfe. Zunächst trafen sich die Gründer des Vereins in privaten Wohnzimmern, „vier Männer unterschiedlicher sexueller Orientierung und eine Frau“, wie es in einem Protokoll heißt. Unter ihnen war auch ein Mitarbeiter der Westberliner Aidshilfe. Am 6. Februar 1991 wurde der Verein gegründet. Am heutigen Freitag wird das 25-jährige Jubiläum mit einem öffentlichen Empfang und vielen Gästen gefeiert.
Mittlerweile hat sich viel geändert, im Lebensalltag, in den Köpfen, in der Forschung zur Therapie der Krankheit. Prävention und Aufklärung gehören aber nach wie vor zu den vornehmlichen Aufgaben der Aidshilfe. In den ersten Jahren war die Arbeit auch von Frust geprägt. Wer sich damals ansteckte, sagt Frank, der wusste, dass er bald sterben würde. Sterbebegleitung gehörte deshalb, solange es noch keine wirksame HIV-Therapie gab, auch zu ihrer Arbeit. „Wir haben viele Klienten bis zu ihrem Tod begleitet.“
Schweigen zu DDR-Zeiten
Auch das Schweigen der DDR zu HIV hatte Wissenslücken hinterlassen. Das Robert-Koch-Institut veröffentlichte später Zahlen: 133 Infizierte, 27 an Aids Erkrankte soll es in der DDR gegeben haben. Aber diese Krankheit kannte man nur aus dem Fernsehen. Bei der Aidshilfe bekam man Information, Aufklärung, individuelle Hilfe und Beratung in allen Dingen, die mit HIV und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten zu tun haben. Daneben war und ist die Beratung zu den Themen Pubertät, Sexualität und Verhütung wichtig. „Ein großes Problem ist das Halbwissen der Menschen“, sagt Guillaume Carpentier, der seit vier Jahren vor allem Männer berät, meist „Männer, die Sex mit Männern haben“, sagt Carpentier. „Die sagen dann – ich bin schwul, ich kenne mich aus. Aber oft wissen sie eben doch nicht so richtig Bescheid.“ Und dann gebe es immer noch sogenannte „Leugner“, die behaupten, dass es die Krankheit gar nicht gebe oder dass alles nur eine Verschwörungstheorie sei.
Ein großer Unterschied zu früher sind die therapeutischen Möglichkeiten. Mitte der 90er Jahre waren zwar die ersten wirksamen Medikamente erhältlich, allerdings noch mit unangenehmen Nebenwirkungen. Heute kann man, wenn man die Therapie gewissenhaft anwendet, ganz gut mit der Infektion leben. „Nach einem halben Jahr Therapie kann es sogar sein, dass man nicht mehr ansteckend ist. Das ist eine große Erleichterung für Menschen, die in einer Partnerschaft leben oder für Frauen mit Kinderwunsch“, sagt Hortense Lademann. Wichtig sei, dass man weiß, dass man infiziert ist. Noch immer gibt es eine hohe Anzahl unerkannter Infektionen. Deshalb bietet die Aidshilfe seit einigen Jahren einen kostenlosen Schnelltest an. Ein Blutstropfen aus dem Finger genügt, 30 Minuten später ist das Ergebnis da. Ist das positiv, wird weiter getestet. Jeden Monat nutzen 15 bis 20 Klienten das niedrigschwellige Angebot.
Schalldichte Türen der Beratungsräume
In den Räumen eines Ärztehauses in Potsdam-West, das man betreten kann, ohne sich als Besucher der Aidshilfe outen zu müssen, treffen sich außerdem die Selbsthilfegruppen, regelmäßig wird gemeinsam gefrühstückt. Die Beratungsräume haben schalldichte Türen, auch das ist wichtig, sagt Hortense Lademann. Die Mitarbeiter besuchen außerdem Schulen und Veranstaltungen für Jugendliche und organisieren Infostände. In Kooperation mit dem Justizministerium bieten sie Weiterbildungen für Angestellte der Brandenburger JVAs an, im Jugendgefängnis in Wriezen auch Beratung für Inhaftierte. „Das kam dort sehr gut an“, sagt Frank.
Relativ neu ist die Zielgruppe Migranten und Flüchtlinge. Guillaume Carpentier spricht Französisch und Englisch und organisiert Gespräche in Flüchtlingsheimen. Fast ausschließlich Männer kommen dann, aber grundsätzlich sei das Interesse sehr groß. „Wir erklären ihnen, wie man in Deutschland mit dieser Krankheit umgeht, dass es hier Medikamente gibt. Das ist in ihren Heimatländern ja nicht immer der Fall.“ Ob die Beratung in Heimen 2016 weitergeführt werden kann, hängt davon ab, ob es dafür weiterhin finanzielle Mittel vom Gesundheitsministerium gibt. Geschätzt 60 Erstdiagnosen gab es 2014 im Land Brandenburg, 120 HIV-positive Klienten betreut der Verein zurzeit – mit drei Mitarbeitern und 20 Ehrenamtlern, meist Studenten oder Frauen aus sozialen Berufen. „Wir könnten noch mehr Helfer gebrauchen, vor allem junge, schwule Männer, sagt Carpentier.
Der Empfang findet am heutigen Freitag um 17 Uhr in der Kantine des Landtags statt.
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