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Eine Königin in Potsdam: Die Majestät aus der Nachbarschaft

Und plötzlich war sie Königin: Stephania Sabel führt die Geschicke der Isumo - ihres kongolesisches Volkes - von Potsdam aus.

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Stephania Sabel Isumo lebt wie viele andere Potsdamer auch: In einer Mietwohnung in der Innenstadt. Sie hat einen vier Jahre alten Sohn, den sie zum Kindergarten bringt. Man trifft sie im Supermarkt, im Kopiergeschäft oder beim Tai Chi. Doch eines unterscheidet die 47-Jährige: Sabel ist eine Königin. Seit einem Jahr führt die Neupotsdamerin von Deutschland aus die Geschicke ihres Volkes der Isumo/Boyenga im afrikanischen Kongo. Eine überraschende Ehre: Erst vor vier Jahren erfuhr die Deutsch-Afrikanerin in einer Bombennacht im krisengeschüttelten Kinshasa von ihrer Bestimmung.

Die 47-Jährige mit dem breiten Lächeln und den schneeweißen Zähnen besteht auf eine korrekte Anrede: „Eure Majestät“, sagt sie freundlich aber bestimmend. Den Kopf legt sie leicht zur Seite, um nach oben zu blicken, ihre dunklen Augen sind hinter dicken Brillengläsern schwer zu erkennen. Seit einer Polio-Erkrankung im Alter von 19 Jahren ist die studierte Religionspädagogin geh-, seh- und hörbehindert. Sabel liest von den Lippen, bewegt sich mit einem Elektrorollstuhl durch die Stadt, eine Pflegekraft unterstützt sie bei Alltagsaufgaben. „Ich denke es wäre schlimm, wenn man afrikanischen Königen nicht den gleichen Respekt zollt, wie man es asiatischen oder europäischen zugesteht“, sagt sie.

Über 6300 Kilometer Luftlinie trennen Stephania Sabel von ihrem Volk im Kongo. Sie ist die erste Frau, die die Isumo/Boyenga anführt. Sie wird von dem afrikanischen Staat als Königin anerkannt. Ihr Volk ist bitterarm. Große Teile leben in der Region Besaw-Nongo aber auch in Mbandaka und in der kongolesischen Landeshauptstadt Kinshasa. Unzählige sind aber auch in der Welt verteilt, geflüchtet vor Hunger und Krieg.

Auch Pie Julian Isumo Bomankoy Botuli, der Vater von Stephania Sabel, suchte in den 60er Jahren sein Glück fernab des Kongos. In Schleswig-Holstein studierte er Elektrotechnik, hier lernte er Sabels Mutter kennen. Die Beiden verliebten sich, zu einer Heirat kam es nie. Vor der Geburt der gemeinsamen Tochter verließ Botuli das Land. Sabel wuchs mit ihrer Mutter und ihrem Stiefvater auf – eine leidvolle Kindheit, die die Königin in drei Worten abhandelt: „Prügel, Hunger, Missbrauch.“ Mehr nicht.

Als Jugendliche verließ sie das Elternhaus, erkrankte bei einem Afrikabesuch an Polio. Wegen fehlender Impfungen breitete sich die Krankheit schnell aus, Medikamente schlugen nicht an. Trotz ihrer Lähmung ließ sich Sabel nicht aufhalten. Sie studierte, begann eine Karriere an der Universität Bochum. Später begann sie Kindern den christlichen Glauben näher zu bringen, heute arbeitet Sabel als freie Religionspädagogin auch für taubblinde Kinder. Sie kann von Kindergärten für Seminare gebucht werden.

Im Alter von 29 Jahren machte sich Sabel erstmals auf die Suche nach ihrem gebürtigen Vater. „Ich hatte eine Postfachnummer in Kinshasa und ein Foto“, sagt sie. Mit ihrem Elektrorollstuhl flog sie in den Kongo. „Es hat keine drei Stunden gedauert, da hatte ich ihn gefunden.“ Er arbeitete im Tower des Flughafens, schon bei der Ankunft erkannte ein Mitarbeiter den Mann auf dem Foto. „Zum ersten Mal konnte ich meinen Vater in den Arm nehmen, das war wunderschön.“

Dass er der König eines Volkes war, das erzählte er ihr nicht. Er ließ sich Zeit. 2007 reiste Sabel erneut nach Afrika, um ihren drei Monaten alten und schwerkranken Neffen zu adoptieren. Die verfeindeten Truppen von Machthaber Joseph Kabila und Oppositionsführer Jean-Pierre Bemba standen sich gegenüber. „Uns flogen die Bomben um die Ohren“, erzählt Sabel. Unter einem Wellblechdach suchte sie mit ihrem Vater Schutz. „Ich weiß nicht ob es an der Adoption des Jungen lag oder an den Bomben“, erzählt Sabel. Die Gefahr war groß, sie sah ihren Vater in Aufruhr. „Er ist ein bescheidener Mann“, sagt sie, dann begann er von seiner Stellung als König zu erzählen. „Ich konnte damit gar nichts anfangen. Es war wie in einem Märchen“, erzählt Sabel. Drei Jahre dauerte es, bis ihr Vater abdankte und sie den Thron übernahm. Sohn Ijan wurde bei der Zeremonie in Kinshasa zum Kronprinzen gekrönt. Ein Foto in einer Lokalzeitung der Region Winnenden – Sabels früherem Wohnort – zeigt sie mit Krone, Speer und Leopardenfell, Kunstschnee wird über sie versprüht.

Mit dem Elektrorollstuhl im Kongo zu leben, ist nicht möglich, sagt Sabel. Sie führt ihr Volk von Deutschland aus. Ihre Aufgaben sind humanitärer, repräsentativer und zeremonieller Art. Militärische oder politische Macht hat sie nicht. Vor einem Jahr hat sie die gemeinnützige Hilfsorganisation „IsumoForLife“ ins Leben gerufen. Sabel sammelt Spenden. Eine Ladung mit 62 Kartons voller Hilfsgüter konnte sie nach Kinshasa verschiffen. Ihre Geschichte hat die 47-Jährige in einem Buch niedergeschrieben: „Stephania – Prinzessin im Rollstuhl“ heißt es, das zweite Buch ist in Arbeit. Die Einnahmen spendet sie. Auch in der freien Online-Enzyklopädie „PlusPedia“ ist ihre Geschichte zu lesen.

„Potsdam ist eine schöne Stadt“, sagt Sabel. Von hier aus kann sie den Kontakt zu Botschaften und anderen afrikanischen Königshäusern pflegen. Seit März lebt sie hier. Andere afrikanische Könige leben unter anderem in Berlin, dem Schwarzwald oder in Stuttgart. „Das Volk zahlt mir keine Tantiemen, es erwartet, dass ich ihnen helfe“, sagt sie. Ihr Tagesablauf sei „wie bei anderen Königen auch“: Post öffnen, Termine machen, Telefonate mit Königshäusern führen, Spendenaktionen ankurbeln. „Ich bin nicht nur Königin, ich bin auch Mutter“, sagt Sabel. Eine Stunde am Tag hat sie für sich reserviert. Dann bastelt sie Schmuck, liest ein Buch im Park Sanssouci oder man trifft sie beim Tai Chi.

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