Sport: Die neue „Wand“ am Netz des SC
Nationalspielerin Kathy Radzuweit will mit ihrer Erfahrung dem Volleyball-Erstligisten Potsdam helfen
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Wenn Kathy Radzuweit mit ihrem Paul in Potsdam spazieren geht, bilden die beiden ein höchst ungleiches Paar. Kein Wunder: Paul ist ein kleiner, knapp sieben Jahre alter Jack Russell Terrier, während sein Frauchen mit unübersehbaren 1,96 Metern Größe daherkommt. Ein Gardemaß, das der Nationalspielerin dabei helfen soll, künftig mit dem Volleyball-Erstligisten SC Potsdam möglichst viele Bundesliga-Punkte zu gewinnen.
Kathy Radzuweit wird in der bevorstehenden Saison als Mittelblockerin für Potsdam am Netz agieren. „Das ist zwar nicht die Schlüsselposition, um ein Spiel zu gewinnen, aber ich hoffe, zum Erfolg meiner neuen Mannschaft beitragen zu können“, sagt die 30-Jährige, die in der vergangenen Saison beim aserbaidschanischen Meister Rabita Baku unter Vertrag stand. Dort war sie jedoch nicht so recht glücklich. „Ich hatte schon im vergangenen Jahr Kontakt mit dem SC Potsdam, bin dann aber nach Baku gegangen, weil ich bis dato noch nie Champions League gespielt hatte“, erzählt die gebürtige Berlinerin. „Leider hat es dann bei Rabita nicht wie erhofft geklappt. Ich hatte starke internationale Konkurrenz auf meiner Position und bekam kaum Einsätze. Vielleicht war es auch ein kleiner Nachteil, dass der Trainer nur serbisch oder russisch sprach, was ich selber nicht kann.“ Sie kam in der Champions League nicht über zwei Kurzeinsätze hinaus und trotz des Klubweltmeistertitels 2011 und des in diesem Frühjahr erneut gewonnenen Landesmeistertitels zur Erkenntnis, dass eine Rückkehr nach Deutschland nicht schlecht wäre. „Ich bin jetzt 30 und will jetzt langsam ansässig und heimisch werden“, sagt Radzuweit. „Und ein bisschen Heimweh war auch schon dabei.“ Dass sie nun beim Tabellen-Elften der vergangenen Erstliga Saison angeheuert hat und zu keinem der deutschen Top-Vereine ging, begründet Kathy Radzuweit so: „Der SC Potsdam war zwar in den letzten Jahren nicht so erfolgreich wie andere Klubs, aber das Konzept, das man mir hier vorstellte, hat mich schon überzeugt. Außerdem kenne ich Potsdams Trainer Alberto Salomoni gut, mit dem ich bereits bei Bayer Leverkusen gut zusammengearbeitet habe.“
Das Volleyball- Abc erwarb Kathy Radzuweit beim VC Olympia Berlin, für den sie bereits als Jugendliche in der 2. und als Abiturientin in der 1. Bundesliga spielte. Ab 2002 ging sie fünf Jahre lang für Bayer 04 Leverkusen ans Netz, ehe sie von 2007 bis 2009 in Italien zunächst beim Erstligisten Minetti Infoplus Vicenza und dann beim Zweitligisten Pallavolo Donaratico spielte. Es folgten zwei Jahre beim Erstligisten VT Aurubis Hamburg und schließlich die schon erwähnte Saison in Baku.
„Nun will ich mit Potsdam möglichst die Playoffs erreichen, was alles andere als einfach wird“, erklärt Kathy Radzuweit, die neben der ebenfalls 1,96 Meter aufbietenden Imke Wedekind vom VT Aurubis Hamburg als größte deutsche Bundesligaspielerin gilt und die auf 204 A-Länderspiele zurückblicken kann. Als Jugendliche belegte sie mit dem deutschen Team bei den World Youth Games 1998 in Moskau Platz sechs, bei den Junioren-WM drei Jahre später in der Dominikanischen Republik folgte Rang neun. 2001 gab sie bei der EM auch ihr Debüt in der A-Nationalmannschaft. Schon unter der Anleitung des damaligen Juniorinnen-Bundestrainers Jens Tietböhl war sie von der Diagonal- auf die Mittelblocker-Position gewechselt, auf der sie sich zu einer erfolgreichen „Wand“ im Nationalteam etablierte. Fünf Europameisterschaften bestritt sie mit, bei der EM 2003 in Ankara gab es neben Bronze für sie außerdem die Ehrung als beste Blockerin aller EM-Teilnehmerinnen. Bei Weltmeisterschaften wurde Radzuweit 2002 Zehnte und 2010 Siebte, bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen mit Deutschland Neunte.
Damit toppte Kathy Radzuweit noch die sportliche Karriere ihrer Mutter Elke, die einst ebenfalls Volleyball-Nationalspielerin war, mit dem damaligen DDR-Nationalteam bei den Weltmeisterschaften 1978 in Leningrad Achte wurde und ihrer Tochter das Talent am Netz vermachte. „Die Gene habe ich aber nicht nur von ihr, sondern auch von meinem Papa“, erklärt die gelernte Bürokauffrau Kathy, die sich derzeit ganz auf den Volleyballsport konzentriert. Ihr Vater Jorge war kubanischer Junioren-Nationalspieler, „ehe er verletzungsbedingt aufhören musste“, so die Tochter, die außerdem Musik und Tanzen im
halbkubanischen Blut hat – und auch das Zeug zum Model. Das wurde früh erkannt. Bereits 2002 zeigte das Magazin „Max“ erotische Foto-Aufnahmen der damals 20-jährigen Volleyballerin, die im September 2004 auch für das Olympia-Special des „Playboy“ – ebenso wie Degenfechterin Britta Heidemann und Hockeyspielerin Fanny Rinne – die Hüllen fallen ließ. „Ach, das ist mittlerweile schon acht Jahre her“, sagt Radzuweit heute dazu. „Ich habe mich nur neulich kurz daran erinnert, als ich die diesjährige Olympia-Ausgabe des Playboy sah.“ 2012 hatten sich Freiwasser- Schwimmerin Angela Maurer und Wasserspringerin Christin Steuer, Hockeyspielerin Christina Schütze, Sportschützin Beate Gauß und Sportgymnastin Regina Sergeeva für das Magazin ausgezogen.
Kathy Radzuweit will jetzt in Potsdam mehr nach ihrer Leistung am Netz als nach ihrem Aussehen beurteilt werden. Um dafür richtig in Schwung zu kommen, schwitzt sie bereits seit drei Wochen im Potsdamer Luftschiffhafen im Athletiktraining bei Heinz Rieger, dem Ehrenpräsidenten des SC Potsdam, der trotz seiner 80 Jahre immer noch als Trainer aktiv ist. „Er kombiniert viele Kraftübungen mit Leichtathletik-Elementen, und in den ersten beiden Wochen hatte ich davon auch Muskelkater“, erzählt die Neu-Potsdamerin, die sich am gestrigen Montag erstmals mit der gesamten für die neue Saison verpflichteten Mannschaft zunächst zum Meeting mit Chefcoach Salomoni und am Abend zum gemeinsamen Essen zusammenfand. Dabei traf sie Zuspielerin Doreen Engel wieder, die im Sommer vom letztjährigen Tabellen-Achten Allianz MTV Stuttgart an die Havel kam. „Mit Doreen habe ich damals in der Juniorenauswahl zusammen gespielt. Auch mit Kristina Bognar und Ramona Stucki, die ja jetzt nicht mehr dabei sind“, erinnert sich Kathy Radzuweit, die sich schon auf die erneute Zusammenarbeit mit Alberto Salomoni freut. „In Leverkusen habe ich sehr positive Erfahrungen mit ihm als Coach gemacht. Sicher, sein italienisches Temperament ist deutlich zu spüren, aber das kenne ich ja, auch durch meine zwei Jahre in Italien“, erklärt sie.
Am heutigen Dienstag ist offizieller Trainingsauftakt für das kommende Spieljahr, das für den SC Potsdam am 20. Oktober gleich mit einem Gastspiel beim amtierenden Deutschen Meister Dresd- ner SC beginnen wird, ehe eine Woche später der Heimauftakt in der MBS-Arena gegen Radzuweits ersten Verein VCO Berlin folgt. Mit Dresden verbinden sich für Kathy Radzuweit angenehme Erinnerungen aus der vergangenen Saison. „Ich war im vergangenen November mit Baku zum Champions-League-Spiel dort, und es war damals schön, mal wieder in Deutschland zu sein.“ Beim 3:0-Sieg Rabitas kam die Mittelblockerin allerdings nicht zum Einsatz.
Daher ist Kathy Radzuweits Ziel jetzt vor allem, am Netz wieder Spielpraxis zu sammeln. Alberto Salomoni hofft vor allem auf ihre Routine und Übersicht. „Kathy hat die Erfahrungen, die wir brauchen“, erklärt der Chefcoach, der mit den Potsdamerinnen in diesem Spieljahr so früh wie möglich aller Abstiegssorgen ledig sein will, nachdem seine Mannschaft im Frühjahr bis zum vorletzten Spieltag zittern musste.
Die dafür erforderliche intensive Saisonvorbereitung engt künftig auch Kathy Radzuweits Freizeit deutlich ein. Und damit ihre Möglichkeiten, die Stadt Potsdam näher kennenzulernen. Die Volleyballerin war schon des öfteren in Potsdam, bevor sie nun zum Bundesligisten wechselte. „Meine Mutter, die jetzt in Mittenwalde wohnt, arbeitet im Deutschen Rundfunkarchiv in Babelsberg, wo ich sie ab und an besucht habe“, erzählt die Tochter, die die Wohnung der bisherigen SC-Kapitänin Patricia Grohmann in der Pappelallee bezogen hat. „Damals habe ich es aber nie geschafft, mir Potsdams viele Sehenswürdigkeiten anzusehen. Das habe ich in den letzten drei Wochen schon ein bisschen nachgeholt. Da habe ich mir bereits ein paar Schlösser und Parks angeschaut.“
Der kleine Paul war dabei natürlich meist an der Seite seiner hochgewachsenen Chefin.
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