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Landeshauptstadt: Die Schloss-Besorgten

Eine Studentengruppe kämpft gegen das Klischee, alle jungen Potsdamer seien gegen den Landtagsneubau

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Jan Ludwig ist sauer. Sein Ärger gilt der neu gegründeten und anonym agierenden Internet-Initiative Bildungsta(d)tschloss, die behauptet, in ihrer Ablehnung des Landtagsneubaus für eine Mehrzahl der jungen Potsdamer zu sprechen. Daran glaubt Jan allerdings nicht. Deswegen hat der 25 Jahre alte Medizin-Student an der Berliner Charité zusammen mit Kommilitonen aus Potsdam eine Initiative namens „Freunde des Stadtschlosses“ ins Leben gerufen. Gemeinsam wollen sie sich für einen möglichst originalgetreuen Wiederaufbau des Stadtschlosses als neuen Brandenburger Landtag einsetzen.

Vor allem möchten sie dabei die Argumente der Stadtschloss-Gegner entkräften. Abenteuerlich sei etwa die Begründung, dass Stadtschloss aus ähnlichen historischen Gründen wie die Garnisonkirche abzulehnen: „Vom Schloss aus ist nie ein Krieg ausgegangen, im zweiten Weltkrieg sind die Nazis dort sogar ausgezogen“, sagt Jan Ludwigs Bruder Claas, der Volkswirtschaftslehre studiert. Im Gegenteil könne seiner Meinung nach das Schloss gar als „Hort der Demokratie“ betrachtet werden – immerhin sei dort das historische Potsdamer Toleranzedikt verkündet worden, mit dem Kurfürst Friedrich Wilhelm ab 1685 die Ansiedlung von geflüchteten französischen Hugenotten in Brandenburg vereinfachte.

Gleichzeitig sehen die Studenten die Argumentation, gegen das Schloss wegen seiner Kosten von 85 Millionen aus dem Landeshaushalt zu sein, als „egoistisch“ an. „Gerade die ältere Potsdamer Generation sehnt sich danach“, sagt Jan Ludwig – und verweist zudem auf das für ihn als Referenz geltende Beispiel des erfolgreichen Wiederaufbaus der Frauenkirche in Dresden. Zudem sei die Sanierung des bestehenden Landtags sowieso nötig gewesen – und hätte ähnlich hohe Kosten verursacht: „Geld hätte es also so oder so gekostet.“ So habe Potsdam nun aber wieder eine Chance auf eine attraktive Stadtmitte, die zusätzlich Touristen in die Stadt ziehen könnte, hofft Jan.

Doch genau um diese aus ihrer Sicht hervorragende Möglichkeit für ein schöneres Potsdam fürchten die „Freunde des Stadtschlosses“ – wegen den Kontroversen um das Aussehen des Landtags. So können sie sich nicht vorstellen, dass über dem künftigen Innenhof des Baus ein Dach gezogen werde – schon optisch sei so ein Anblick vom Bahnhof her eine „Zumutung“, sagt der 22-jährige Landschaftsarchitekturstudent Moritz Bannach. Sie hofften vielmehr auf einen „transparenten“ Landtag mit häufigen Festen im Innenhof und Cafés in den Torflügeln neben dem Fortunaportal. Ebenso könnten viele der für den Innenhof geforderten Büros auf „die andere Straßenseite“, sagt Jan Ludwig – ähnlich einer Lösung, die in Berlin bereits beim Bundestag praktiziert werde. Dringend sei ebenso der Wiederaufbau des historischen Treppenhauses angebracht – um dem Inneren des Landtags ein historisches Highlight zu bescheren. „Wir möchten nicht nur eine historische Außenfassade, sondern denken, dass die Menschen auch in den Landtag gehen wollen – und so ist das einmalig schöne Knobelsdorffsche Treppenhaus unverzichtbar“, so der Student. Die Fragmente und erhaltene Teile des Treppengeländers würden schon in den Depots der Schlösserstiftung darauf warten, dass sie „endlich wieder nach Hause dürfen.“ Und noch eines wünscht sich Jan Ludwig: Dass die Rekonstruktionsarbeiten von brandenburgischen Handwerksbetrieben einzigartig umgesetzt werden – und dann ganz anders wirken als „Allerweltsbeton und Glas in den Metropolen der Welt“. Henri Kramer

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