Landeshauptstadt: Die Überflieger
Für tolle Bilder tun sie fast alles: Die Kameramänner und Piloten der BSF Swissphoto müssen dafür zunächst einmal in die Luft gehen. Auch Potsdam haben sie schon von oben fotografiert
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Es gibt viele wetterabhängige Jobs. Die Arbeit von Albert Wiedemann und seinen Kollegen gehört auch dazu: Denn das Team der BSF Swissphoto GmbH kann die Erde nur dann von oben fotografieren, wenn es flugtaugliches Wetter gibt, kein Schnee liegt oder die Schatten zu lang sind, wenn die Vegetation so ist, wie der Kunde sie haben will. Im letzten Herbst sind sie über Berlin und Potsdam für ein Projekt des Bundesforschungsministeriums in die Luft gestiegen.
Die Firma ist ein schweizerisch-deutsches Unternehmen der Geodatenbranche, das sich auf 3D-Mapping, Ingenieurvermessung und Beratung spezialisiert hat. Die Schönefelder Niederlassung direkt in Sichtweite des Flughafens ist ein Relikt aus Interflug-Zeiten. Aus der Abteilung Forschungsflug der DDR-Fluggesellschaft wurde nach der Wende zunächst die Berliner Spezialflug, die dann die Swissphoto aufkaufte. Deshalb die Anbindung am Standort Berlin-Schönefeld, wo bis vor Kurzem die drei kleinen Maschinen der Firma in einem Hangar standen. Als mit dem Bau des BER begonnen wurde, mussten die Flugzeuge auf den Regionalflugplatz Schönhagen umziehen.
Das sei nicht so bequem wie vor der Haustür, habe aber auch Vorteile, sagt Albert Wiedemann, der als Produktionsleiter die Abläufe der einzelnen Aufträge organisiert: Start und Landung sind komplikationslos, ohne Warteschleifen und Anstehen an der Startbahn. Und manchmal müsse es schnell gehen. Für jeden Auftrag von Firmen oder wissenschaftlichen Einrichtungen, die Luftbilder einer bestimmten Region bestellt haben, werden in der Regel sechs Flugtage genehmigt, die dann bei passendem Wetter genommen werden. Stimmen die Bedingungen, wird die Technik eingepackt, die Flugsicherung um Starterlaubnis gebeten.
Dann ist jede Stunde kostbar. Um Berlin und Potsdam abzufliegen und jeden Winkel aus einer Höhe von etwa 1500 Meter zu fotografieren, einmal direkt senkrecht nach unten und zusätzlich mit einer Schrägbildkamera, brauchten sie zwei Tage. Der Aufwand vor dem Start war allerdings enorm, sagt Wiedemann. Für Berlin mussten zusätzlich Sondergenehmigungen für das Überfliegen des Regierungssitzes eingeholt werden.
Doch jetzt sind die Bilder da, gestochen scharf, man sieht Spaziergänger und Cafébesucher an den Tischen, es ist ein schöner Herbsttag. Vor allem sieht es fast aus wie ein 3D-Modell: Die Schrägbilder, mit einem von ihnen entwickelten Kamerasystem aufgenommen, zeigen mehr als die herkömmliche Variante, die wie ein besserer Stadtplan aussieht. „Jeder kennt das, man ist zwar in der richtigen Straße, findet aber den Eingang zum Museum nicht“, erklärt Wiedemann: „Mit den neuen Bildern sieht man ein Stück der Fassade, wie hoch sie ist, welche Farbe sie hat, wo ein Giebel ist oder die Einfahrt zum Parkhaus.“
Mit solchen Bildern könnten Miniprogramme für Mobiltelefone – Apps – gebastelt werden, die vernünftige Anfahrtsskizzen bieten. Das Institut für Design der Potsdamer Fachhochschule soll die Benutzeroberfläche für diese Apps gestalten. „Das ist ein dynamischer Markt, der sich sehr schnell weiterentwickelt“, sagt Wiedemann. Swissphoto arbeitet international, etwa für Microsoft Bing Maps, eine Art Google Earth, sagt er. Die Potsdamer Luftbilder hat das Bundesforschungsministerium inzwischen ausgewertet, sie fließen in ein solches neues Navigationssystem ein. Im Frühling soll Swissphoto neue Bilder liefern.
Obwohl Wiedemann selbst erst zweimal mitgeflogen ist, weiß er, dass dabei letztlich alles an den Männern in den fliegenden Kisten hängt. Penibel werden die Flugzeuge, die für die Fototechnik umgerüstet sind, gewartet. Über zwei Löchern im Boden der Flieger sind die teuren Kamerasysteme befestigt: Der Umbau pro Loch inklusive Abnahme vom Flugzeug-Tüv kostet 200 000 Euro, Kosten pro Kamera etwa 600 00 Euro. Damit fliegen , Pilot und Techniker auf 700 bis 2000 Meter Höhe das gewünschte Areal unter 50 Meter Abweichung ab, immer gleichmäßig hin und her. Auch Thermalbefliegung bieten sie an, kürzlich wollte zum Beispiel die Stadt Speyer ihr Fernwärmenetz auf Dichtigkeit überprüfen lassen. „Das geht natürlich nur nachts“, sagt Wiedemann. Eine ihrer Maschinen ist derzeit in Frankreich stationiert, wo sie Uferbereiche von Flüssen für ein Hochwasserschutzkonzept mit Lasertechnik abscannen.
Und dann meldete sich doch noch mal der Flughafen Schönefeld – mit einem Auftrag. Ob die Swissphoto nicht die ehemalige südliche Rollbahn, die zur nördlichen Landebahn ausgebaut werden soll, abfliegen kann, um mögliche Risse zu dokumentieren. „Aber da fliegen wir mit einem Hubschrauber“, sagt Wiedemann, „und nehmen unsere alte Analogkamera“. Die machen zwei Techniker gerade fit. Das Filmmaterial dazu lagert schon in einem riesigen Kühlschrank.
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