zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Die Wende „ohne reichen Onkel aus Düsseldorf“

Ministerpräsident Platzeck und der russische Botschafter Kotenev besuchten Oberschule Wilhelmshorst

Stand:

Michendorf - „Russland liegt in Europa, und bis zur japanischen Grenze ist man unter Europäern.“ Mit einer geographisch fragwürdigen, aber politisch nachvollziehbaren These hat die Europawoche in der Oberschule Wilhelmshorst begonnen – formuliert vom Botschafter der Russischen Föderation Vladimir Kotenev. Zusammen mit Brandenburgs Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) war er in die Waldgemeinde gekommen, um mit Schülern über sein Land, dessen Bedeutung und die zum Teil engen Verbindungen zu Deutschland zu reden.

Dass Russland wirtschaftlich und kulturell im Kommen ist, wie die beiden Gäste betonten, hat man in Wilhelmshorst längst erkannt: Allein von den 54 Schülern der siebenten Klassenstufe lernen mehr als die Hälfte Russisch. „Es ist mal etwas anderes, sonst lernen die meisten doch Französisch“, begründete einer der Schüler, und wenn man von Anfang an fleißig lernt, sei die Sprache gar nicht so schwer. Das Ziel des Unterrichts sei es nicht, die Sprache perfekt zu beherrschen, wie Schulleiter Peter Fuchs unterstrich, sondern die Schüler an die Kultur heranzuführen. So haben die Wilhelmshorster im vergangenen Jahr eine Sprachreise nach St. Petersburg unternommen.

Allerdings habe man dafür große Hürden überwinden müssen, berichtete Lehrerin Christel Kaleck: Während der Französischkurs einfach ins Flugzeug steigt, mussten für ihre Schüler Visa beantragt werden. „Wann wird es das nicht mehr geben?“, fragte sie. Bereits vor sieben Jahren habe Russland einen Vorstoß unternommen, berichtete Kotenev, doch bislang sei keine positive Reaktion von der EU gekommen. Doch mit Brandenburg sei ein Abkommen geschlossen worden, wonach Schülervisa immerhin kostenlos seien. Die verhaltene Stimmung in Europa gegenüber einer Visafreiheit zwischen Russland und der EU erläuterte Platzeck: „Viele haben Angst vor der Größe des Landes, und bei manchen hält sich das Vorurteil, dass die Kriminalität hier zunehmen könnte.“ Der Ministerpräsident setze auf eine Visafreiheit in Schritten: Zuerst für Schüler, danach für alle.

Die Fragen der Schüler waren durchaus kritisch, so wollte Lisa aus der zehnten Klasse wissen, warum die Schere zwischen Arm und Reich in Russland so groß ist. Der Botschafter erläuterte die Umbrüche Anfang der 90er Jahre und den Wandel von der Plan- zur freien Marktwirtschaft, den die Russen – anders als die Ostdeutschen – „ohne einen reichen Onkel in Düsseldorf“ hätten bewältigen müssen. Einige hätten davon profitiert, „aber heute haben die Oligarchen nicht mehr soviel Einfluss auf die Politik“, so Kotenev. Russland führe im Moment die soziale Marktwirtschaft ein, erste Erfolge gebe es bereits. Matthias Platzeck bestätigte diese Einschätzung und empfahl den Schülern außerdem, Russland in ihren beruflichen Plänen zu berücksichtigen: „Dort wird es in Zukunft viel Arbeit für Leute geben, die die Sprache können.“ Thomas Lähns

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })