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Auf vertrauterem Boden. Rolf Seelmann-Eggebert freut sich auf eine entspannte Hochzeit in Potsdam.

© dpa

ZUR PERSON: „Diese Hochzeit ist Geschichtsunterricht“

„Für mich ist es in der Tat eine Hochzeit wie jede andere auch.“ Adelsexperte Rolf Seelmann-Eggebert erklärt, wieso die Preußen-Hochzeit polarisiert – und warum Queen Elizabeth nicht kommt

Stand:

Herr Seelmann-Eggebert, am Samstag heiratet Georg Friedrich Prinz von Preussen in der Potsdamer Friedenskirche, Sie werden das Ereignis für den RBB und den SWR live kommentieren. Stapeln sich auf Ihrem Schreibtisch schon die Ahnentafeln?

Ich wundere mich vor allem darüber, wie viele Telefonanrufe ich bekomme!

Die Journalisten wollen Ihr Experten-Urteil?

Ich werde gebeten, die Hochzeit vorab zu kommentieren – dabei möchte ich den großen Tag selber erstmal kommen sehen. Jedenfalls schließe ich daraus, dass das Interesse zumindest in der veröffentlichten Öffentlichkeit sehr groß ist. Mit Ahnentafeln und solchen Dingen habe ich mich ein bisschen in den Ferien beschäftigt, die gerade hinter mir liegen.

Wie bereiten Sie sich sonst vor, haben Sie das Brautpaar vorab getroffen?

So etwas versucht man. Ich bin in der Beziehung nicht verwöhnt, weil wir ja normalerweise Hochzeiten übertragen, die im Ausland stattfinden

... Sie sind bei der ARD seit Jahrzehnten der Experte für Europas Hochadel...

Da spielt das deutsche Fernsehen eine sehr geringe Rolle, wir müssen uns jedes Stückchen Information selbst mühselig zusammen sammeln.

Das ist in Potsdam anders?

Es ist etwas einfacher, weil wir ein deutsches Brautpaar haben, das sich in einer deutschen Kirche trauen lässt. Es entfällt zum Beispiel schon das Problem, dass man für eine Übersetzung der Predigt sorgen muss. Außerdem passiert vieles, was landesüblich ist, so dass man sich dann auch nicht besonders vorbereiten muss. Es ist schön für uns, mal wieder eine deutsche Hochzeit übertragen zu dürfen und nicht auf die Unterstützung von Kollegen angewiesen zu sein, die im Grunde ganz etwas anderes im Kopf haben als das deutsche Fernsehen.

Nun gab es im Vorfeld auch Kritik an der Übertragung der Hohenzollern-Hochzeit. Die Skeptiker werfen dem RBB „Adelskult“ vor. Wie sehen Sie das?

Wenn alles gut geht und richtig genutzt wird, dann erfährt man durch diese Hochzeit schlicht und ergreifend viel über deutsche Geschichte.

Kritiker meinen, dass es sich um eine Hochzeit wie jede andere handelt, da es den Adel in Deutschland nicht mehr gibt.

Für mich ist es in der Tat eine Hochzeit wie jede andere auch, ich habe auch an jeder anderen Hochzeit ein gewisses Interesse. Wenn ich zum Beispiel durch die Straße gehe und vor einer Kirche ein Brautpaar steht, das fotografiert wird, dann bleibe ich auch stehen und gucke neugierig zu und mache mir meine Gedanken über das Brautpaar. So ähnlich ist das für mich auch am Samstag, wenn in Potsdam geheiratet wird. Man muss aber auch sagen: Der Adel hat hierzulande zwar 1918 seine Privilegien und Vorrechte eingebüßt – aus gutem Grund, denn Deutschland war von diesem Tage an eine Republik und kein Kaiserreich mehr. Aber das Prestige ist doch erhalten geblieben, unabhängig davon, ob man nun politisch Macht und Einfluss hat oder nicht. Besonders deutlich spürbar ist das heute noch in den früheren kleineren Fürstentümern, wie Schaumburg-Lippe, wo sich die Bevölkerung eben sehr dafür interessiert, was im Schloss passiert und was nicht.

Wie erklären Sie sich die anhaltende Faszination für diese alten Familien?

Wenn Sie Hessen heißen und in einem Bundesland leben, das auch so heißt, dann fängt das schon mit dem Namen an. Die Leute fragen: Wieso heißt der denn Hessen? Oder wenn Sie in einem Bundesland wie Bayern leben und plötzlich hören, dass es da einen Herzog von Bayern gibt. Das fasziniert die Leute. Sie interessieren sich auch dafür, wie das 1918 gewesen ist, warum die Menschen, die damals den so genannten regierenden Häusern vorstanden, ihren Einfluss verloren haben.

Deutschland wurde zur Republik.

In anderen Ländern ist es mit Mord und Totschlag verbunden gewesen, dass aus Königreichen oder Kaiserreichen Republiken wurden. Denken Sie nur an Russland. Bei uns ist das sehr gnädig über die Bühne gegangen. Es ist ja kaum ein Blutstropfen geflossen bei der Ablösung der Familien, das ist 1918 alles innerhalb von 14 Tagen passiert. Und keiner hatte damals den Eindruck, dass das, was in Jahrhunderten gewachsen war, erhalten bleiben müsste. Sie haben alle freiwillig abgedankt. Wie gesagt: Die Hochzeit in Potsdam ist ein Stück lebendiger Geschichtsunterricht. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch einfach die Freude am Glück eines jungen Paares.

Muss sich Potsdam am Samstag auf viele Zaungäste gefasst machen?

Das kann ich schwer einschätzen. Aber als ich vor einigen Wochen in Wustrau am Ruppiner See gewesen bin und da zur Eröffnung des historischen Sommerfestes einen kleinen Vortrag gehalten habe, fragten mich am Ende alle: Übertragt Ihr die Hochzeit oder nicht? Und wenn es ein großes Interesse an der Übertragung gibt, dann muss eigentlich nur noch das Wetter mitspielen. Wenn es regnet, dann werden nicht so viele Leute vor der Kirche warten, es wird mehr Fernsehzuschauer geben. Wenn es hingegen schönes Wetter gibt, werden viele versuchen, das Ereignis live zu verfolgen.

Wen werden die Zaungäste und Fernsehzuschauer denn erleben? Wissen Sie genaueres zur Gästeliste?

Nicht wirklich. Aber man sollte nicht enttäuscht sein, wenn die Königin von England nicht kommt.

Sie ist die Urgroßtante des Bräutigams.

Die Königin von England kommt zu solchen Anlässen nie, da gibt es einfach falsche Vorstellungen. Hinzu kommt, dass noch Ferienzeit ist. Sie ist im Augenblick in Balmoral, in ihrem Schloss in Schottland, und da bringen sie keine zehn Pferde weg – obwohl sie ein großer Pferdenarr ist.

Wen erwarten Sie dann?

Die Chefs der ehemals regierenden Häuser, also der Familien, die einen ähnlichen Stellenwert hatten wie das Haus Preußen, werden wohl ziemlich komplett da sein. Das hat sich in den fast 100 Jahren, die seit 1918 vergangen sind, nicht geändert. Wenn der Chef eines Hauses heiratet – oder stirbt, das sind ja die beiden Extremfälle –, dann findet sich sozusagen alles, was damals regierendes Haus war, wieder zu einer großen Familienfeier ein. Sie sind tatsächlich alle auf die eine oder andere Weise miteinander verschwippt und verschwägert.

Worauf freuen Sie sich besonders?

An einer Hochzeit teilzunehmen, von der ich sagen kann, dass es für mich ziemlich entspannend wird! Weil so viel deutsch gesprochen wird, und ich die Choräle kenne und hoffentlich nicht den Fehler mache, in irgendwelche Musik hineinzuquatschen. Ich fühle mich in Potsdam einfach auf vertrauterem Boden als zum Beispiel in der Westminster Abbey.

In Wustrau haben Sie als geborener Berliner einen Teil Ihrer Kindheit verlebt, was verbindet Sie mit Potsdam?

Ich bin in der Zeit der Teilung immer wieder in der damaligen DDR gewesen, weil der Vetter meiner Frau damals in der Nähe von Rathenow tätig war. Deswegen bin ich auch durch Sanssouci und die Gärten gestapft, als das Westlern noch keineswegs so selbstverständlich war. Als Dreikäsehoch werde ich mit ziemlicher Sicherheit auch einmal an der Hand von Mama und Papa in Sanssouci gewesen sein – ich kann mich aber nicht mehr erinnern.

Im Internet ist zu lesen, dass Sie in den 1950er Jahren in Hannover das Kaiser-Wilhelm-Gymnasium besuchten...

Das Kaiser-Wilhelms-Gymnasium – ich lege Wert auf das „S“, das hat nämlich der alte Kaiser Wilhelm selbst rangehängt, als er sich bereit erklärte, seinen Namen dafür herzugeben.

War das mehr als nur ein Name?

Es war eines der beiden humanistischen Gymnasien, die es damals in Hannover gab. Das Ratsgymnasium galt als welfisches Gymnasium, dorthin schickten die Welfenanhänger ihre Kinder. Das Kaiser-Wilhelms-Gymnasium war die „Preußenschule“ und natürlich schickten mich meine Eltern als Berliner dorthin. Also, Sie merken, ich kann über all diese Dinge ganz gut auch lächeln. Das ist für mich alles vor einer langen Zeit gewesen.

Das Gespräch führte Jana Haase

Rolf Seelmann-Eggebert wurde 1937 in Berlin geboren. Nach dem Studium in Soziologie, Völkerrecht und Ethnologie arbeitete er als Journalist. Er war unter anderem ARD-Korrespondent in Westafrika und Studioleiter in London.

1978 trat er anlässlich des 30. Geburtstages von Prinz Charles erstmals als Adelsexperte auf. Von 1982 bis 1989 war er NDR-Programmdirektor und entwickelte den Elfteiler „Königshäuser“ über die europäischen Monarchen.

Rolf Seelmann-Eggebert kommentiert alljährlich Veranstaltungen wie die „Last Night of the Proms“. Er ist Träger des Bundesverdienstkreuzes und des Ordens „Commander of the British Empire“. Er ist verheiratet, hat drei Kinder, ein Enkelkind und lebt in Hamburg. jaha

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