"Dresscode" von Wolfgang Joop: Ein echter Joop
Wolfgang Joop hat ein Buch über Mode geschrieben. Ein Ratgeber ist es nicht geworden. Oder doch?
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Potsdam - Den Ratgeber wollte er eigentlich nie spielen. Und macht es jetzt irgendwie doch – ein bisschen. Wolfgang Joop, Potsdamer Modeschöpfer und TV-Star, hat ein Mode-Buch geschrieben. „Dresscode“ heißt es, Untertitel: Stilikonen zwischen Kunst und Chaos. „Ich will mich auch in diesem Buch davor hüten, Ratschläge zu geben“, schreibt er gleich auf den ersten Seiten. Ein Versprechen, das Joop auch hält. Und trotzdem gibt es für die Leser eine Menge zu lernen über Mode und Stil auf den 253 Seiten.
Zusammenfassen ließe sich das in einer beruhigenden Botschaft: Keine Panik. Mode kann jeder, wenn er nur will und Lust am Experimentieren mitbringt. Um stilvoll auszusehen, braucht man weder einen der perfekten Körper, wie sie auf den internationalen Laufstegen und in Magazinen zu sehen sind, noch ein besonders dickes Portemonnaie. Stilvoll, sagte Joop am gestrigen Mittwoch vor den rund 100 Journalisten, die zur Vorstellung des Buches im Berliner Soho House Hotel erschienen waren und die er wie ein Rockstar fast eine Stunde hat warten lassen, stilvoll also „ist nicht die Frau, die sich dauernd Prada leistet oder dauernd zum Friseur rennt“. Eine Frau mit Stil sei „die, die es schafft, auch mal kleine Fehler zu machen“.
"Kurz und rot macht nicht schlank, aber glücklich"
Zwölf solcher Frauen, die ihren persönlichen Stil wie einen „Dresscode“ so entschieden pflegen, dass sie als Ikonen gelten, nimmt Joop in seinem Buch unter die Lupe. Das reicht von der langjährigen „Vogue“-Chefredakteurin Carine Roitfeld über die Oscar-Preisträgerinnen Diane Keaton und Tilda Swinton, „Girls“-Macherin Lena Dunham oder It-Girl Alexa Chung bis hin zu Skandal-Sängerin Rihanna und Kate, der Herzogin von Cambridge. „Sie haben alle etwas Herausragendes, das mich beeindruckt“, erklärt Joop.
Und: Keine entspricht dem Model-Ideal im Magerschick, dafür sind die Frauen zu klein, zu alt, zu rund oder einfach zu speziell. Dass die Frauen damit unbefangen umgehen, vermeintliche Mängel eher betonen anstatt sie verschwinden zu lassen, das ist laut Joop eines der Geheimnisse von Stil. „Kurz und rot macht nicht schlank, aber glücklich!“, schreibt er zum Beispiel zu Lena Dunham im Cocktail-Kleid. Eine Portion Selbstbewusstsein ist wichtiger als vermeintlich perfekte Maße.
Mit Herzogin Kate gehadert
Worin das gewisse Etwas der zwölf Frauen besteht und was die Leserin daraus für die eigene Garderobe lernen kann, das analysiert und beschreibt Joop nicht nur im Text, sondern illustriert es auch mit vielen Zeichnungen. In die schreibt er wie in einem persönlichen Skizzenbuch Beobachtungen und Einfälle. „Sei clownesk (und niemand wagt zu lachen!)“, notiert er zum Beispiel zu einer Diane Keaton mit Hose im Würfel-Muster und schwarzem Hut. Eine Seite weiter kommentiert er Keatons „Gute-Laune-Look“ mit spitzer Feder: „Merke: das wenige, das schöner mit dem Alter werden kann, sind die Zähne! (not too white!)“ Zu Herzogin Kate in Jeans, Streifen-T-Shirt und Blazer stellt er die provokante Frage: „Kann es sein, dass man sich so ähnlich eine Flugbegleiterin in einer ,Royal Airline’ vorstellen kann?“
Nicht jede der zwölf Frauen ist Joop sympathisch und das lässt er die Leser auch wissen. Besonders mit Kate habe er gehadert, erzählte er am Mittwoch. Als „bildhübsche Soldatin, die ihre Pflicht erfüllt“ charakterisiert er die künftige britische Königin. Statt modischer Extravaganzen, wie sie sich Prinzessin Diana geleistet habe, pflege Kate einen „auf royal getrimmten Streber-Look“, der mit Maßanfertigungen oder Anpassungen durch den Schneider aber teurer sei, als er auf das ungeschulte Auge wirke, wie Joop betont. Was Kate dennoch als Ikone auszeichnet: Sie bleibt ihrem Stil treu und ist damit zum Modevorbild geworden.
Auch ein Mode-Buch für Männer?
„Dresscode“ ist kein Ratgeber, es ist eher eine Art Skizzen- und Ideenbuch, es lädt zum Blättern und Entdecken ein. Und es ist ein echter Joop – mit seinen Zeichnungen, intelligent-pointierten Beobachtungen, den vielen Anglizismen, die sich der Designer nicht ausreden lassen will und die teils in eigenen „Fashion-Glossars“ für jedes Kapitel übersetzt werden, und mit seiner ganzen Art, mit der der Potsdamer als Juror bei der Casting-Show „Germanys Next Topmodel“ mittlerweile einem Millionen-Publikum ans Herz gewachsen ist. Gemeinsam mit Redakteur Nils Binnberg ist es Joop gelungen, den unverwechselbaren Tonfall zu treffen und aufs Papier zu bringen.
Ob auch ein Nachfolge-Buch für Männer geplant ist, wird Joop am Mittwoch gefragt. „Das wäre ein sehr verlockender Gedanke“, sagt er: „Männer haben aufgeholt, sie entwickeln Stil.“ Im Fitnesscenter in Potsdam „wird sich mittlerweile um Haargel und Hautcreme geprügelt“, scherzt der 70-Jährige, der mit bunten Turnschuhen und College-T-Shirt zum anthrazit-glänzenden Anzug immer noch etwas Jungenhaftes ausstrahlt. Er bemerke zunehmend eine „Panik, nicht mehr einem bestimmten Standard zu entsprechen“. Darüber kann er sich auch amüsieren: „Erstaunlicherweise sehen die Männer heute alle aus wie die Schwulen von vorgestern.“
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