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Eine europäische Langzeitstudie des DIfE belegt den Einfluss von Alkohol auf Gewicht und Taillenumfang
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Knapp zehn Liter reinen Alkohol trinkt jeder Deutsche im Durchschnitt. Dies geht aus dem Jahrbuch Sucht 2010 hervor, das von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) herausgegeben wird. Damit gehören die Deutschen zur europäischen Spitze. In lediglich vier Ländern Europas – Luxemburg, Irland, Ungarn und Tschechien – wird noch mehr getrunken. Rund 1,5 Millionen Deutsche sind alkoholabhängig, immerhin 9,5 Millionen trinken mehr, als der Gesundheit zuträglich ist.
Forscher des Deutschen Instituts für Ernährung in Potsdam-Rehbrücke (DIfE) haben nun Daten über Ernährungsgewohnheiten und Alkoholkonsum von mehr als 250 000 Probanden ausgewertet, die im Rahmen einer europäischen Langzeitstudie mit insgesamt mehr als 500 000 Teilnehmern erhoben wurden. Sie zeigen: Langjähriger Alkoholkonsum erhöht das Gewicht und den Taillenumfang bei Männern. Frauen, die viel Alkohol konsumieren, haben ebenfalls eine dickere Taille, sind statistisch gesehen aber nicht schwerer als Frauen, die keinen oder nur sehr wenig Alkohol trinken.
Eine Flasche Bier oder ein Viertel Liter Wein enthalten etwa 20 Gramm Alkohol. Nach Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) ist der tägliche Genuss dieser Menge bei Männern risikoarm. Bei Frauen liegt der Grenzwert bei zehn Gramm Alkohol. Auch die jüngsten Ergebnisse der Potsdamer Ernährungsforscher zeigen: Wird diese Genussmenge langfristig überschritten, hat das Auswirkungen auf die Gesundheit. „Wenn Männer mehr als zwei Gläser Alkohol am Tag trinken, nimmt der Bauchumfang deutlich zu“, sagt Soziologin Manuela Bergmann vom DIfE, die die aktuelle Studie betreut. Der Unterschied zwischen Nichttrinkern und Trinkern erscheint dabei zunächst nicht gravierend. Bei Männern sind es 1,1 und bei Frauen 1,5 Zentimeter zusätzlicher Bauchumfang, die auf den übermäßigen Alkoholkonsum zurückzuführen sind. „Auf Populationsebene ist ein Zentimeter schon eine dramatische, gesundheitsrelevante Zahl“, betont Bergmann. Denn gerade die Ansammlung von Fett im Bauchraum ist gesundheitlich problematisch. Hier ist das Fett besonders stoffwechselaktiv, produziert Botenstoffe, die Entzündungsprozesse im Körper begünstigen und erhöht damit das Risiko für Krebs- und Herz-Kreislauferkrankungen sowie Diabetes.
„Bei vielen Studien hat es sich bewährt, den Taillenumfang als wichtige Messgröße mit einzubeziehen“, so Bergmann. Der Body Mass Index (BMI), der anhand des gesamten Körpergewichts und der Größe eines Menschen ermittelt wird und der als wichtige Messgröße gilt, reiche allein oft nicht aus, um Gesundheitsrisiken festzustellen, so Bergmann. „Auch Menschen, die normalgewichtig sind, haben bei einer ungünstigen Fettverteilung ein erhöhtes Krankheitsrisiko“, stellt die Ernährungsepidemiologin klar. Das Gleiche gelte auch im Umkehrschluss: Übergewichtige Menschen mit einer günstigen Fettverteilung – also wenig Fett im Bauchraum – haben ein geringeres Risiko für bestimmte Krankheiten. Besonders bei Frauen scheint Alkoholkonsum die Ansammlung von Fett im Bauchraum zu begünstigen.
Die Daten der Studie zeigen eine weitere bemerkenswerte Entwicklung: „Wir sehen das Phänomen, dass es oft die jungen, höher gebildeten Frauen sind, die trinken“, so Bergmann. Dies zeigten auch andere aktuelle Studien. „Frauen, die in Männerdomänen vordringen, übernehmen auch oft männliche Trinkgewohnheiten“, so die Erklärung der Soziologin. Eine weitere Rolle für einen übermäßigen Alkoholkonsum beruflich erfolgreicher Frauen spiele die Kompensation von Stress.
Welche genauen Ursachen die Entstehung von Bauchfett durch Alkohol hat, ist in der Wissenschaft derzeit noch unklar. Eine Hypothese ist, dass der Abbau des Alkohols, der Vorrang vor allen anderen Stoffwechselprozessen im Körper hat, die männlichen und weiblichen Hormonspiegel verändert. Frauen, die viel Alkohol trinken, haben einen höheren Testosteronspiegel. Diese männlichen Hormone sorgen möglicherweise dafür, dass die betroffenen Frauen auch ein eher männliches Fettverteilungsmuster mit einer dickeren Taille entwickeln. Bei Männern ist es dagegen genau umgekehrt: Bei ihnen begünstigt ein niedriger männlicher Hormonwert Übergewicht und Bauchfett. Und tatsächlich: Männer mit einem hohen Alkoholkonsum haben tendenziell niedrigere Testosteronspiegel als Abstinenzler oder Wenigtrinker.
Heike Kampe
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