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SERIE: Ein königliches Thema für „Capellmeister Bach“ FahrRad in Potsdam

Die Partitour: Eine Fahrradtour wird zur Spurensuche nach berühmten Musikern, die in Potsdam wirkten

Von Peer Straube

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1000 Reichsmark Miete. Ein stolzer Preis. Doch um den Wert eines so schmucken und so idyllisch gelegenen Domizils wie die Fasanerie im Park Sanssouci wusste man eben schon in den 30er Jahren. Schließlich nagte der Bewohner ja auch nicht am Hungertuch. Wilhelm Furtwängler lebte damals hier. Nicht wenige halten ihn für den größten Dirigenten aller Zeiten.

An diesem sonnigen Dienstag, umgeben vom Gezwitscher vergnügter Vögel, kann man sich gut vorstellen, woher der Meister seine Kraft schöpfte. Die Vögel zwitschern, eine mächtige Platane direkt vor dem von Persius geschaffenen Bauwerk spendet Schatten. Auch nach dem Krieg dachte Furtwängler oft wehmütig an diese Jahre zurück, wie ein Brief aus der Schweiz an seine Haushälterin bezeugt: „Eigentlich habe ich, ich kann es nicht leugnen, große Sehnsucht nach Potsdam, nach dem Park und allem dort... Es wird schon alles kommen, wie es muss. Grüßen Sie bitte die ganze Fasanerie von mir.“ Erst Ende 1951 gab Furtwängler sein Domizil offiziell auf.

Nun ist Potsdam ganz sicher nicht Wien, was die Musikgeschichte betrifft, und doch gibt es eine Fülle solcher kleinen Anekdoten. Radelt man von der Fasanerie aus um die Ecke, steht man schon vor dem nächsten bedeutenden Schauplatz. Das Schlosstheater im Neuen Palais, erbaut 1766 bis 1768 in Form eines antiken Amphitheaters, zählt nicht nur zu den schönsten historischen Theatern Europas. 1843 hatte sich hier eine elitäre Gesellschaft versammelt, um eine denkwürdige Welturaufführung zu erleben. Alexander von Humboldt saß in einem der 226 roten Plüschsessel, auch Bettina von Arnim. Am Pult schwang Ludwig Tieck den Taktstock, und es erklang erstmals Felix Mendelssohn-Bartholdys liebliche Musik zu Shakespeares „Sommernachtstraum“. Eine Auftragsarbeit übrigens, König Friedrich Wilhelm IV. hatte den Komponisten für die Vertonung gewonnen.

Der Weg um den Park herum führt weiter zu einem anderen Bauwerk des künstlerisch begabten Monarchen. In die Orangerie zog 1929 einer der berühmtesten Pianisten des 20. Jahrhunderts ein: Wilhelm Kempff. Bis 1941 veranstaltete er auch Sommerkurse im Marmorpalais im Neuen Garten.

Nur wenige hundert Meter weiter, am Schloss Sanssouci begegnet man dem Alten Fritz. Der da im historischen Gewand die Querflöte bläst, ist jedoch kein Preuße, sondern Lette. Agris Jakobsons heißt er. Acht Stunden spielt er täglich, sehr zur Erbauung der vorbeiströmenden Touristen. Doch die Wirtschaftskrise macht auch vor Königen nicht Halt. „Vor zehn Jahren haben die Leute noch mehr Geld gegeben“, klagt Jakobsons. Sein historisches Alter ego spielte bekanntlich hervorragend Querflöte. Zwischen seinen zahlreichen Kriegen vertrieb sich Friedrich II. auch gern mal die Zeit mit der Komposition des einen oder anderen Flötenkonzerts. Um seiner Leidenschaft zu frönen, umgab sich der König auch gern mit den Großen seiner Zeit. So holte er sich Carl Philipp Emanuel Bach in seine Hofkapelle. Der holte 1747 seinen Vater, den großen Johann Sebastian, in Friedrichs Sommerresidenz. Grund genug für die „Berlinischen Nachrichten“, am 11. Mai der Begegnung der Titanen ein paar Zeilen zu widmen: „Aus Potsdam vernimt man, daß daselbst verwichenen Sontag der berühmte Capellmeister aus Leipzig, Herr Bach, eingetroffen ist, in der Absicht, das Vergnügen zu geniessen, die dasige vortrefliche Königl. Music zu hören... Se. Majest. ...geruheten auch, ohne einige Vorbereitung in eigner höchster Person dem Capellmeister Bach ein Thema vorzuspielen, welches er in einer Fuga ausführen solte. Herr Bach fand das ihm aufgegebene Thema so ausbündig schön, daß er es in einer ordentlichen Fuga zu Papier bringen, und hernach in Kupfer stechen lassen will...“ Das „Musikalische Opfer“ war das Ergebnis, und Bach widmete es dem König.

Nach dem Ohrenschmaus von Jakobsons hat auch der Gaumen einen kleinen Genuss verdient. Das Restaurant „Zur historischen Mühle“ liegt gleich neben dem Schloss. Weiter geht’s dann durch die Schopenhauerstraße die Promenade in der Hegelallee entlang. In der Jägerstraße passiert man die Musikschule „Johann Sebastian Bach“. Seit 1952 lernen hier Generationen von Eleven, wie man Instrumenten die richtigen Töne entlockt. Dafür, dass sie dann auch noch gut klingen, gibt es den Nikolaisaal in der Wilhelm-Staab-Straße. Im Jahr 2000 wiedereröffnet, geben sich hier die Stars die Klinke in die Hand. Jahrzehnte früher trat hier bereits Furtwängler mit den Berliner Philharmonikern auf. Auch dort, wo heute nur Sandwüste ist, gab der Maestro Konzerte. Doch es braucht schon einige Fantasie, um sich die Baugrube am Alten Markt als Hof des Stadtschlosses vorzustellen ...

Wenige Meter weiter, neben der Wilhelm-Galerie, türmt sich an einer Litfaßsäule an diesem Dienstag der Sperrmüll. Ein alter Mann kramt in einer Kiste mit Schallplatten. „Beethoven kann man doch nicht wegschmeißen“, ruft er entrüstet und klemmt sich die Scheibe unter den Arm. Gleich gegenüber, Am Bassin 10, kündet eine schlichte Tafel vom Besuch Mozarts im Jahre 1789. Die Vorstellung bei Friedrich Wilhelm II. erwies sich jedoch trotz des Auftrags über sechs Klaviersonaten als Schlag ins Wasser. Enttäuscht schrieb er an seine Frau Konstanze nach Wien: „Potsdam ist ein teurer Ort, und ich muss hier auf eigene Kosten zehren.“ Manche Dinge bleiben eben.

Über die Gutenbergstraße gelangt der Radler weiter zur Schiffbauergasse und katapultiert sich damit musikalisch ins 20. und 21. Jahrhundert. Legendär sind die Technopartys im Waschhaus Anfang der 90er Jahre, als hier Größen wie Marusha auflegten. Auch Knorkator und Potsdams berühmteste Band, Subway to Sally, ließen hier die Bässe dröhnen.

Nach einem pittoresken Ausflug entlang des Havelufers an der Neuen Fahrt gelangt man am Bahnhof vorbei in die Heinrich-Mann-Allee zum Alten Friedhof. Dort, in einer stillen, verträumten Ecke steht ein von Skulpturen geschmücktes Grabmal. Johann Joachim Quantz hatte Friedrich II. im Flötenspiel unterwiesen. Heimlich zuerst. Als Friedrich noch Kronprinz war, musste sich Quantz einmal in einem Schrank verstecken, weil Friedrich Wilhelm I., die musischen Neigungen seines Sohnes nicht duldete. Als Quantz 1773 starb, gab der König das Grab in Auftrag. Der steinerne Dank eines mächtigen Schülers.

Was am Radweg liegt, aber nicht immer sichtbar ist, zeigen die PNN in einer Serie anlässlich der Potsdamer Fahrrad- Aktionswoche.

Montag: Natour

Dienstag: Konjunktour

Heute: Partitour

Donnerstag: Diktatour

Freitag: Futour

Samstag: Literatour

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