Von Henri Kramer: Ein Kreuz mit 16
In Brandenburg wird die Senkung des Wahlalters erwogen – auch in Potsdam wird darüber debattiert
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Wenn Paul Henning daran denkt, dass er in zwei Jahren vielleicht wählen gehen muss, klingt er skeptisch. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich davon wirklich Vorteile hätte“, sagt der 14 Jahre alte Schüler aus der Voltaire-Schule.
Zusammen mit seinem Kumpel Max Ulrich, ebenso 14 Jahre alt, war Paul gestern an der Aktionsfläche am Bassinplatz. Die aktuelle Debatte, ob im Land Brandenburg das Wahlalter von 18 auf 16 Jahre gesenkt werden soll, war da weit weg. Auch Max hat seine Bedenken: „Viele Dinge, die bei Wahlen mitentschieden werden, betreffen Erwachsene – zum Beispiel Steuern.“ Wenn er wählen könnte, dann allerdings die Piratenpartei: „Die sind cool“. Paul dagegen zweifelt, ob er mit 16 Jahren an eine Urne gehen würde: „Ich würde mich aber zumindest informieren.“
Vor wenigen Tagen hat in Brandenburg die Diskussion um das Wahlalter begonnen. Auslöser ist eine Initiative der rot-roten Regierungskoalition in Brandenburg, die das Alter für Kommunal- und Landtagswahlen auf 16 Jahre senken will. Ebenso soll das Wahlalter bei Volksabstimmungen gesenkt werden. Die Begründung: Auch 16- und 17-Jährige könnten verantwortungsvoll entscheiden, welche Politik gestaltet werden soll. Im Vergleich zu anderen Bundesländern könnte Brandenburg eine Vorreiterrolle einnehmen.
Viel Zustimmung gibt es dafür bei Jugendverbänden. Mit dem Vorhaben würden junge Menschen in Brandenburg endlich ernst genommen, erklärte der Landesjugendring (LJR). In den Jugendverbänden, die der LJR als Dachorganisation vertritt, würden junge Menschen schon früh viel Verantwortung übernehmen. „Sie beweisen damit schon lange, dass sie mehr können, als die Politik ihnen bislang zutraute“, so der LJR. Angesichts der demografischen Entwicklung werde die Wahlalterabsenkung junge Menschen darin bestärken, sich früher mit den Problemen und Perspektiven ihres Umfeldes auseinanderzusetzen. „Brandenburg vollzieht damit einen Wandel, der junge Menschen früher in demokratische Prozesse einbezieht“, so LJR-Sprecher Robert Busch.
Auch bei Potsdamer Jungpolitikern überwiegt die Zustimmung. Die Grünen und die Linken sind sowieso für ein geringes Wahlalter. Und auch die jungen Sozialdemokraten sehen in dem Vorstoß ein wichtiges Signal. „Das ist der beste Weg, junge Menschen an Politik heranzuführen“, sagt der 20 Jahre alte David Kolesnyk, Chef der Potsdamer Jusos.
Anders dagegen klingt die Einschätzung von Tino Fischer. Der 21-Jährige ist Chef der Jungen Union in Potsdam. „Um politische Alternativen überblicken zu können, sich eine fundierte Meinung über Parteien und Politiker zu bilden und die Tragweite von Wahlentscheidungen zu erfassen, muss ein persönlicher Reifegrad Voraussetzung sein“, sagt der junge CDU-Mann. Er verweist darauf, dass auch Autos nur ab 18 Jahren allein gefahren werden dürfen. Ebenso seien Geschäftsfähigkeit und Strafmündigkleit eines jungen Erwachsenen erst mit 18 Jahren rechtlich vollständig. Hier gebe es einen Konflikt mit dem Vorstoß, das Wahlalter auf 16 Jahre herabzusetzen, sagt Tino Fischer. „Die Verantwortung im rechtlichen Sinne ist gleichzusetzen mit der Verantwortung im politischen Sinne.“ Und politisch verantwortungsvolles Handeln gehe nicht nur die handelnde Person selbst etwas an, sondern die gesamte Gesellschaft.
So sehen es die Jungen Liberalen nicht. Sie plädieren zumindest dafür, dass 16-Jährige bei Kommunalwahlen ihr Kreuz machen können. „In diesem Bereich gebe es eine „besondere Nähe zu drängenden Themen junger Menschen“, sagt ihr 27 Jahre alter Landeschef Kevin Lücke. Zudem gehe es bei Kommunalwahlen – anders als auf Landesebene – um Vertreter, „die keinen gesetzgeberischen Aufgaben nachkommen“, so Lücke. Dies sei der erste „und auch logische“ Schritt für das Thema. Zugleich zweifelt Lücke, ob der weitergehende rot-rote Vorschlag im Landesparlament die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit erhält.
Wie es aussieht, wird über das Wahlalter in den kommenden Wochen wohl noch häufiger diskutiert.
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